Der Anwalt Manuel Molina kämpft seit Jahren für die Rechte der Tiere und ist Mitbegründer der Kommission für Tierschutzrecht auf den Balearen. Die lud in der vergangenen Woche zu einer Konferenz, auf der Anwälte, Richter und Polizeibeamte aus verschiedenen Regionen Spaniens sich über juristische Probleme und Herausforderungen rund um den Tierschutz austauschten. Im Gespräch mit der MZ erklärt Molina, der zu Hause drei gerettete Hunde und drei Katzen hat, wie es um die Rechtsprechung auf den Inseln bestellt ist.

Herr Molina, woran mangelt es beim aktuell gültigen Tierschutzrecht?

Wir brauchen eine modernere Rechtsprechung, um Tiere effektiv vor Misshandlungen und Quälerei zu schützen. Gleichzeitig fehlt es aber auch der öffentlichen Verwaltung und den Sicherheitskräften wie der Policia Nacional und der Policia Local an ausreichenden Mitteln, um diese auch umzusetzen.

Wer ist denn zuständig für Tierschutzrecht, der Zentralstaat oder die Regionen?

Fälle von schwerer Tierquälerei werden in Spanien als Straftat angesehen, und das Straf­gesetzbuch gilt im ganzen Staat. Bei weniger schwerwiegenden Fällen kommt das von den jeweiligen Regionen formulierte Gesetz zum Tierschutz zur Anwendung.

Was genau ist schwere Tierquälerei?

Dem Strafgesetzbuch zufolge sind das Taten, die die körperliche und seelische Gesundheit des Tieres schwerwiegend beeinträchtigen. Die Formulierung lässt allerdings Interpre­tationsspielraum zu. Wer ein Tier angreift und tötet oder so schwer verletzt, dass eine ­Extremität amputiert werden muss, dessen ­Handeln wird als besonders kaltblütig und ­somit als Straftat eingestuft. Darauf stehen ­Gefängnisstrafen. Wenn keine schwere Be­einträchtigung des Tieres vorliegt, dann sind die Regionen mit ihren eigenen Gesetzen für die Verhängung von Bußgeldern zuständig.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ein klassischer Fall sind dauerhaft angekettete Hunde. Wenn die Eigentümer sie systematisch nicht füttern oder bei Bedarf nicht zum Tierarzt bringen, spricht man von Misshandlung, die von den Städten und Gemeinden verfolgt werden muss und mit Geldstrafen oder der vorsorglichen Beschlagnahmung des Tieres geahndet wird.

Wie effektiv ist die unterschiedliche gesetzliche Herangehensweise?

Die strafrechtliche Verfolgung funktioniert einigermaßen, aber nicht so die verwaltungsrechtliche. Das balearische Tierschutzgesetz stammt aus dem Jahr 1992, ist also 27 Jahre alt. Damals war das ein bedeutender Fortschritt, und das Gesetz ist auch nicht per se schlecht, mittlerweile ist es aber vollkommen obsolet.

Warum?

Dass Hunderte von Hunden wie gerade schon erwähnt dauerhaft an der Kette liegen, ist diesem Gesetz zufolge legal. Wir erleben oft, dass beispielsweise Wanderer einen solchen Fall anzeigen. Dann geht die Polizei der Anzeige vor Ort nach, aber wenn der Besitzer aussagt, dass das Tier einmal pro Tag für eine Stunde von der Leine kommt, können die Beamten nichts machen. Wer aber soll kontrollieren, ob das tatsächlich der Fall ist? Das Gesetz dürfte eine solche Ankettung gar nicht erlauben. Auch die vorgesehenen Geldstrafen sind seit 27 Jahren nicht aktualisiert worden, der Halter eines jahrelang angeketteten Hundes müsste ­gerade einmal 60 Euro bezahlen.

Wenn die Behörden denn aktiv werden.

Es fehlt tatsächlich oft am Bewusstsein darüber, dass das Gesetz es den Städten und Gemeinden nicht nur erlaubt, Tiermisshandlung zu verfolgen, sondern sie dazu verpflichtet. Vielerorts sind die Beamten der Policia Local deshalb auch nicht entsprechend geschult. Unsere Kommission hat sich im Zuge des Kongresses erneut angeboten, eine entsprechende Fortbildung zu organisieren und Richtlinien für die Beamten zu formulieren.

Was müsste in einem neuen Tierschutzgesetz der Balearen berücksichtigt werden?

Wir brauchen eine umfassende Reform des kompletten Gesetzes, das Haus- und Nutztierhaltung, Tierhaltung in der Stadt und Tiertransporte reguliert. Unserer Ansicht nach muss auch endlich ein klares Verbot von Einrichtungen her, in denen Delfine oder Wale, die in freier Wildbahn täglich Hunderte Kilometer weit schwimmen, zum Vergnügen der Besucher in winzig kleinen Becken gehalten werden. Auch die Anschaffung von Wildtieren für Zoos oder Tierparks muss abgeschafft werden. Vor allem aber muss ein wirksames Inspektionssystem geschaffen werden, damit die Tierschutzrechte eingehalten werden. Derzeit werden Verfahren ausschließlich aufgrund von Anzeigen aufgenommen, nicht durch Kontrollbesuche der Behörden selbst.

Können Sie sich auf andere Länder berufen?

Da muss man nur die Verträge von Lissabon zur Hand nehmen. In denen sind Tiere erstmals als fühlende Wesen definiert und dürfen nicht als Objekte behandelt werden. Es scheint unglaublich, aber vor nicht allzu langer Zeit hatten Tiere den gleichen rechtlichen Stellenwert wie Möbel oder Autos. Seit 2007 müssen alle Staaten, die den Vertrag ratifiziert haben - Spanien gehört dazu - ihre Gesetzgebung entsprechend anpassen. Wir müssen anfangen, über einen gewissen Grad an Freiheit für Nutztiere zu denken - oder an Alternativen zu Kutschpferden für Urlauber. Andere Städte sind da schon weiter und haben die Kutschen beispielsweise durch Elektrofahrzeuge ersetzt.

Palma hat eine Kutschpferd-Verordnung.

Die wird in der Praxis nicht umgesetzt. Wir haben Beweise, dass beispielsweise die maximale Zahl an Passagieren - fünf plus dem Kutscher - nicht eingehalten wird. Oder dass die Tiere trotz orangener Hitzewarnstufe arbeiten müssen. Die Stadtverwaltung ist verantwortlich für die Umsetzung der Verordnung, und auch dafür, den Familien, die bisher von den Kutschfahrten leben, alternative Tätigkeiten anzubieten. Passiert ist aber bisher nichts.

Wenn die Stadt ihre eigenen Regeln nicht anwendet - was kann man da tun?

Im Falle der Kutschen: Selbst tätig werden und Anzeige erstatten. Wichtig ist, sich eine Kopie dieser Anzeige geben zu lassen, damit man weiterverfolgen kann, was passiert. Wenn die Behörden der Anzeige bewusst nicht nachgehen, handelt es sich um eine Verletzung der Amtspflicht, und die ist strafbar.

Und wenn der Anzeige nachgegangen wird?

Leider hat uns eine Richterin während der Konferenz noch einmal bestätigt: Jeder Richter ist anders und interpretiert das Gesetz auf seine Art und Weise. Deshalb müsste ein neues Gesetz her, das klarer formuliert und nicht so viel Spielraum zulässt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In Palma wurde eine Frau Zeugin, wie ein Mann seinen Hund mit einer Eisenstange schlug. Sie erstattete Anzeige, die Polizisten wussten, was zu tun war, und brachten den humpelnden Hund nach Son Reus. Der zuständige Richter urteilte dann, dass keine schwere Misshandlung vorlag, weil das Bein nur verletzt, aber nicht gebrochen war. Zum Glück konnte der Hund zu neuen Besitzern vermittelt werden, da der Halter freiwillig auf ihn verzichtete. Sonst hätte das Tier dorthin zurückgemusst und wäre wohl weiter misshandelt worden.