Enten, die den Passeig Mallorca in Palma de Mallorca entlangspazieren, Delfine, die in Ufernähe aus dem Wasser auftauchen (hier oder auch anderswo - zumindest ein Video stammt, wie sich herausgestellt hat, nicht von Mallorca, sondern aus der ­Türkei), Bienenschwärme, die von Autos und anderen Orten im Zentrum der Stadt herunterhängen. Die Beobachtungen, die einige Bewohner in den vergangenen Wochen gemacht und als Videos und Fotos in den ­sozialen Netzwerken geteilt haben, vermitteln den Eindruck, als würden sich die Tiere gerade die Stadt und das Meer zurückerobern.

Hört man sich jedoch bei Ornithologen, Meeresforschern und Umweltschützern um, betonen alle, dass man nach wenigen Wochen noch keine fundierten wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Ausgangssperre auf die hiesige Flora und Fauna ziehen kann. Schließlich können selbst die Experten die Tierwelt gerade nur von ihren Balkons und Terrassen zu Hause aus beobachten.

„All das gab es zudem schon früher, derzeit fällt es nur mehr auf, weil viele den ganzen Tag zu Hause verbringen müssen und die Welt durch die Scheibe sehen, als wäre sie ein Fernseher", sagt etwa Manolo Suárez vom mallorquinischen Umweltschutzverband Gob. „Wie sich die Tiere gerade draußen verhalten, ist völlig normal, es ist nur die Wahrnehmung der Leute, die sich verändert hat", bestätigt auch Ornithologin Cati Artigues. „Für uns Wissenschaftler, die wir uns beruflich mit der Tierwelt beschäftigen, geschieht gerade nichts

Außergewöhnliches."

Zwar sei es durchaus möglich, dass sich die Tiere bei ihren Streifzügen dank des deutlich niedrigeren Verkehrsaufkommens und weniger umherlaufender Passanten ungestörter fühlen, sagt Álvaro Luna vom Mittelmeer-­Forschungsinstitut Imedea. Von einer Rückkehr in städtische Gebiete oder gar einer ­„Invasion der Tiere" könne aber keine Rede sein, sagt auch Miguel McMinn von der Societat d'Història Natural de les Illes Balears sein. Enten etwa habe es am Passeig Mallorca schon immer genauso gegeben wie Delfine an der Küste, vor allem im Winter. „Es kann sein, dass nun mehr Tümmler gesichtet werden, da die Schleppnetzfischerboote nicht mehr so oft rausfahren und die Tiere sich nicht mehr an deren Beifang satt essen", sagt McMinn. Auch die Nahrungssuche der Meeresvögel könne davon beeinflusst sein.

Den Stadtvögeln ergeht es ähnlich, etwa Tauben, die sich sonst vor allem von Essensresten ernähren, die die Menschen an ­öffentlichen Plätzen und auf der Straße zurückgelassen haben, oder Möwen, die vor allem die in Pausenhöfen von Schulen gefundenen Brot­reste fressen. Beide Vogelarten müssten sich ihre Nahrung nun an anderen Orten beschaffen und ihren Flugradius ­deutlich ­erweitern. Auch Sperlinge und andere nah an Menschen lebende und auf sie angewiesene Arten werden laut Josep Manchado, Direktor des Umweltamts in Mallorcas Inselrat, während der ­Ausgangssperre vor besondere Herausforderungen gestellt. „Obwohl es nur die Reste sind, die Menschen in einem Café auf den Boden haben fallen lassen, ein Stück Brot oder Gebäck, für einen Sperling ist das die Nahrung eines ganzen Tages", so Manchado.

Ungestört fortpflanzen

Carlota Viada von SEO/BirdLife hofft in diesem Jahr allerdings auf eine bessere Fortpflanzungsrate einiger Arten. „Die Präsenz von Wanderern in der Sierra sorgt in sensiblen Gebieten dafür, dass Mönchsgeier, Zwergadler oder Rotmilane ihre Nester verlassen. Daher könnte es sein, dass das niedrige Besucheraufkommen während der Ausgangssperre, also genau dem Beginn der Brutzeit der meisten Arten, dazu führt, dass sie sich dieses Jahr besonders gut fortpflanzen", so Viada. Dennoch sei es derzeit noch zu früh, um auch zu diesem Thema eine verlässliche Aussage zu machen.