Als Cristóbal die beiden Pitbulls aus den Zwingern 25 und 26 auf der umzäunten Auslauf­wiese von Palmas Tierheim Son Reus von der Leine lässt, verwandeln sich die beiden in Flughunde. Ihre Pfoten scheinen kaum den Boden zu berühren, sie umrunden das vielleicht zwei Fußballplätze große Gelände in wenigen Sekunden und landen mit Cristóbal auf einer Bank, auf welcher der Tierpfleger Platz genommen hat. „Das sind Mutter und Tochter", sagt er. Der Besitzer hatte nicht die entsprechenden Dokumente, um diese perros potencialmente peligrosos (potenziell gefährlichen Hunde) zu halten. Nun warten sie wie zurzeit 56 weitere Hunde in Son Reus seit einigen Monaten auf ein neues Herrchen oder Frauchen. Knapp die Hälfte der 108 Hundezwinger stehen leer.

Seit Inkrafttreten des Alarmzustandes am 15. März ist das Tierheim für Besucher geschlossen. „Die Mitarbeiter kümmern sich weiter um die Bedürfnisse der Tiere und nehmen Hinweise entgegen", so eine Sprecherin des städtisch betriebenen Tierheimes. Im ­Moment seien aber nur knapp die Hälfte der Zwinger belegt, da viel weniger Meldungen von verlassenen Tieren eingehen und so kaum welche abgeholt werden. Dabei könne man das Tierheim weiterhin unter der Telefonnummer 971-43 86 95 von Montag- bis Samstagvormittag erreichen oder auch die Ortspolizei verständigen.

Beim Besuch der MZ am Donnerstagmorgen (16.4.) in Son Reus klingelt an der Außenwand des Bürogebäudes einige Male die ­Glocke, die einen Telefonanruf meldet. Acht Pfleger, drei Büromitarbeiter und zwei Tier­ärzte gehören gegenwärtig offiziell zur Belegschaft. Während uns Tierarzt Rafael de Juan über das Gelände führt, begegnen wir zwei ­Mitarbeitern in der blau, gelb und grünen Arbeitskleidung der Stadtwerke Emaya. Sie führen zweimal täglich die Hunde für 20 Minuten aus. Die Aufregung der Hunde ist entsprechend groß, wenn die Männer die Türen zu den Gebäuden öffnen, in denen die Tiere untergebracht sind. Standen sie vorher auf den Hinterläufen an den Außengittern, bellen sie nun an den Innengittern, um ausgeführt zu werden. Das Freiwilligen-Programm, bei dem Tierfreunde Hunde abholen konnten, um mit ihnen Gassi zu gehen, ist derzeit ausgesetzt.

Tierschützer kritisieren immer wieder die Zustände, die in Son Reus herrschen sollen. So wurde erst kürzlich eine Petition mit 2.666 Unterschriften an Ramón Perpinyà geschickt, der im Rathaus Palma für Umwelt- und Tierschutz zuständig ist. Die Vereinigung Defensa de los Derechos del Animal (ADD) beklagt darin etwa, dass die Zwinger mit Druckwasser gereinigt werden und so der Kot verbreitet wird. Ramón Perpinyà bestreitet dies. Ein für Druckwasser benötigter Kompressor ist beim MZ-Besuch nicht zu sehen. Weiter beanstanden die Tierschützer, dass nicht in allen Zwingern die Heizstrahler funktionieren. Laut Perpinyà sind sie schon seit November repariert.

ADD behauptet zudem, dass die Tiere auf dem Boden schlafen müssten. Beim Besuch der MZ standen in den Schlafbereichen jedoch Spanplatten auf einem Drahtgestell zur Ver­fügung. Allerdings stehen viele Zwinger ja ­gerade leer. Wenn hier Hochbetrieb herrscht, werden die Zwinger laut Tierschützern mit bis zu drei Hunden belegt. Tierarzt Rafael de Juan bestätigt, dass es zu einer Mehrfachbelegung kommen kann. Man versuche das aber zu ­vermeiden und sperre nur Hunde zusammen, die sich verstehen. Einschläferungen von Hunden hat es laut der Sprecherin des Heimes seit neun Monaten nicht mehr gegeben.

Petra Steiner, Schatzmeisterin des 2005 gegründeten Dachverbandes der Tierschutz­organisationen Baldea auf Mallorca sagt, dass sich die Verantwortlichen von Son Reus in den vergangenen Jahren sehr um Verbesserungen bemüht hätten. „Vor allem, seit dem sie nur noch Tiere aus Palma aufnehmen." Bis 2011 hat Son Reus Tiere von der ganzen Insel auf­genommen, jetzt gibt es auch in Llucmajor, Inca, Calvià sowie im Natura Parca in Santa ­Eugènia öffentliche Tierheime. Hinzu kommen rund16 private Auffangstationen.

Maxi Lange, Präsidentin von Baldea, wünscht sich, dass die Formalien bis zur Adoption beschleunigt werden. „Hat ein Hund einen Chip, wird 15 Tage gewartet, bis versucht wird, den Besitzer telefonisch zu erreichen. Schlägt das fehl, werden zweimal Briefe geschrieben. Dann muss der Hund acht Tage im Amtsblatt BOIB stehen, bis er zur Adoption freigegeben wird." Das ganze Prozedere könne sich dadurch einen Monat hinziehen. Vor ­allem alte und kranke Tiere würde so eine zu lange Zeit im Tierheim verbringen. Stattdessen könnten sie auch bei einzelnen Personen, die einer Tierschutzorganisation angehören, in Pflege gegeben werden. Zum Teil geschehe das auch schon.

Petra Steiner macht sich vor allem um die Katzen auf der Insel Sorgen, 15 sind gegenwärtig in Son Reus untergebracht. „Im April und Mai gibt es viele Junge, und die Kastrationen durch die privaten Helfer finden zurzeit nicht statt." Da könnte eine Welle verwilderter Katzen bevorstehen. Zu befürchten sei außerdem, dass sich mit der wirtschaftlichen Krise viele Halter ihre Tiere nicht mehr leisten können.

In Son Reus bleibt man gelassen. Dort glaubt Rafael de Juan nicht an einen sprunghaften Anstieg von ausgesetzten Tieren. Und wenn, habe man genügend Kapazitäten.