Während die meisten von uns in ihren Schränken in den vergangenen Wochen die Sommerkleidung nach vorne geholt haben, müssen andere Inselbewohner trotz Temperaturen bis zu 30 Grad immer noch schwitzen: Schafe. Eigentlich heißt es für sie auf Mallorca jedes Jahr ab Mitte April „Wolle ab". Ende Mai sind dann normalerweise alle Tiere der Insel von ihrer dicken Mähne befreit.

Dafür kommen jedes Jahr eigens zusätzliche Schafscherer aus Polen, Rumänien oder Uruguay auf die Insel. Wegen der Grenzschließungen und der Ausgangssperre zur Pandemie-Bekämpfung durften sie in diesem Jahr aber nicht einreisen. Das Schafscherer-Problem ist gewissermaßen die mallorquinische Version des deutschen Spargelstecher-Dilemmas. Allerdings behilft man sich hier anders und mobilisiert Freunde und Bekannte, um selbst die Schermaschine anzusetzen.

Eingesprungen ist etwa eine Freundesgruppe des Weilers Son Valls in der Gemeinde Felanitx. „Wir schaffen schon einmal 500 Schafe pro Tag", sagt Miquel Cortés, „Wenn es so weitergeht, kommen wir noch auf über 15.000 Tiere insgesamt und werden erst Mitte Juni fertig", sagt der 34-Jährige. Bei den vielen Anfragen von Landwirten aus Llucmajor, Porreres, Santanyí, Portocolom oder Campos kommen sie trotz elektronischer Scherapparate statt wie früher herkömmlicher Scheren kaum hinterher. Während Cortés und ein weiterer Mitstreiter schon als Kinder gelernt haben, Schafe zu scheren und auch vergangenes Jahr den Tieren zu Leibe rückten, gehen die drei anderen Mitglieder der Gruppe eigentlich anderen Berufen nach.

Das Scheren der mallorquinischen Schafe sei wegen ihrer langen Wolle und dem weitgehend fellfreien Bauch relativ einfach, sagt Cortés. Dennoch müssen die Tiere sobald wie möglich geschoren werden, denn sonst werden sie von Fliegen, Zecken und Flöhen geplagt. „Wenn es im Frühling regnet und es danach sehr warm wird, legen Fliegen ihre Eier in der Wolle der Schafe ab. Die Larven können dann ins Fleisch der Tiere gelangen und sie im schlimmsten Fall töten. Auch deswegen ist das Scheren sehr wichtig", so Cortés. „Und natürlich, weil es für viele Tiere im Sommer eine Erleichterung ist."