An der Küste von Mallorca sind innerhalb von zehn Tagen vier tote Meeresschildkröten angeschwemmt worden. Das bestätigte gegenüber der MZ Debora Morrison, die das Artenschutz-Programm im Palma Aquarium leitet. Eines der Tiere entdeckte am vergangenen Donnerstag (22.4.) am Strand von Port d'Alcúdia MZ-Leserin Lena Reichwein.

"Als wäre es ein Hilferuf, haben wir heute früh diese Meeresschildkröte tot aufgefunden", schreibt Reichwein und schickt der Redaktion zwei Fotos. Die Meeresschildkröte sei offenbar an einer Fischerleine verendet. "Sie hat sie gegessen, und die Leine hat ihre ganzen Verdauungsorgane zusammengezogen." Reichwein hatte nach dem Fund das Palma Aquarium informiert, deren Mitarbeiter den Kadaver dann abholten.

Für die MZ-Leserin war es das erste Mal, dass sie eine Meeresschildkröte in dieser Größe in der freien Wildbahn gesehen hat. "Ich hätte sie wirklich lieber lebend gesehen", schrieb sie der MZ. Die Palma-Aquarium-Mitarbeiterin habe das Alter des Tieres auf unter 30 Jahre geschätzt. "Sie war damit kurz vor ihrer Geschlechtsreife und hat wahrscheinlich noch keinen Nachwuchs bekommen. Das macht das Ganze noch tragischer", so Reichwein.

Debora Morrison schreibt das gehäufte Auftreten von Tierkadavern am Strand den gegenwärtigen Südwinden zu. Die Schildkröten gelangten durch die Meerenge von Gibraltar ins Mittelmeer und würden sich dann häufig in sogenannten Geisternetzen verheddern oder an Plastikmüll in ihrem Magen verenden. Bei den dieser Tage angeschwemmten Tieren habe es sich um drei Unechte Karettschildkröten und eine Grüne Meeresschildkröte gehandelt.

Ebenfalls vergangene Woche hatten Meeresschützer und die Seenotrettung einen vor dem Südwesten der Insel treibenden Pottwal-Kadaver entdeckt. Das Jungtier sei zwischen fünf und sechs Meter lang gewesen und habe sich mit der Schwanzflosse in einem illegalen Treibnetz verfangen, berichtet Morrison, die den Pottwal in der Nähe des Meeresschutzgebietes El Toro in Augenschein nahm. Der Kadaver würde weiterhin im Meer treiben, da sich weder die Gemeinde Calvià noch die Seenotrettung für die Bergung zuständig fühlten.

Die engmaschigen und oft kilometerlangen Treibnetze sind seit 2002 verboten, weil sich in diesen "Vorhängen des Todes" immer wieder geschützte Arten wie Wale, Delfine, Haie oder Schildkröten verfangen. Dennoch würden sie vor allem vor der nordafrikanischen Küste und vor Italien von einigen Fischern weiterhin benutzt, so Morrison.

Für MZ-Leserin Lena Reichwein ist der Fund ein Weckruf, sich über den Meeresschutz zu informieren und sich auch darüber hinaus zu engagieren. "Die Netze und Leinen brauchen 600 Jahre, bis sie sich zersetzen", schreibt sie. Die einzige Lösung stellten wohl biologisch abbaubare Netze und Leinen dar, mit einem GPS-Sender ausgestattet sein müssten, damit man sie wiederfinden kann, sollten sie versehentlich im Meer landen. Und natürlich die Reinigung der Meere.

"Ich glaube, diese Schildkröte sollte uns zeigen, dass wir gerade in Corona-Zeiten nicht vergessen sollten, was mit unserem Planeten passiert", schreibt Reichwein der MZ. "Denn wenn das alles so weitergeht und wir uns selbst - wie eine Plage - unsere Lebensgrundlage entziehen, wird es auch irrelevant sein, ob ein Virus grassiert oder nicht." /ck

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