Mit großen Augen gucken die Lemuren Esteban Arraez an. Der Tierarzt im Safari Zoo Sa Coma füttert die Affen, die durch den Animationsfilm „Madagascar" eine große Fangemeinschaft haben, mit Apfelschnitzen. Nur ein Affenbaby mag nicht zugreifen. Es klammert sich lieber fest an den Rücken der Mutter, die noch mal prüft, ob der Futtereimer wirklich leer ist. „Im Frühjahr bekommen viele Tiere Nachwuchs. Das milde Winterklima und die Ruhe durch die Pandemie haben die Umstände verbessert", sagt Arraez.

Kaum ein Besucher verirrt sich derzeit in den Park im Inselosten. „Den Tieren geht es bestens, das Geschäft läuft aber überhaupt nicht", sagt der deutsche Zoodirektor Henning Mentz. Der Safari Zoo ist von einer Krise in die andere geschlittert. Zuerst waren es die Tierschützer, die jahrelang lautstark gegen schlechte Haltungsbedingungen der Zootiere protestiert haben. „In dem Punkt haben wir uns in den vergangenen Jahren deutlich gebessert", so Mentz. Nun erscheint Corona als ärgster Gegner.

Die MZ begleitet Arraez auf einer morgendlichen Runde durch den Park. Im Jahr 2018 stieß der Madrilene zum Team dazu, für die Arbeit war er auf die Insel gezogen. Mehr als 600 Tiere hat er derzeit unter seiner Obhut. „Wenn es mal zu viel wird, suchen wir uns externe Hilfe", sagt er. „Der Morgen beginnt damit, dass ich mir die Berichte der Pfleger anhöre. Sie zählen die Tiere und melden, wenn es Verletzungen oder Krankheiten gibt." Das sei eher selten der Fall. „Bei dem Job geht es um Prävention. Ich impfe die Tiere, schaue, dass sie das richtige Futter erhalten und dass sie artgerecht untergebracht sind." Eine medizinische Behandlung bräuchten die Tiere daher kaum. „In der Paarungszeit sind die Lemurenweibchen streitsüchtig. Da kommt es hin und wieder zu Verletzungen. Ab und an hat ein Tier Durchfall. Manchmal sind es drei Patienten am Tag, manchmal drei Wochen ohne eine stationäre Behandlung."

Der Zoo ist in drei Bereiche unterteilt. Los geht es in der Safari-Zone. Wegen der Pandemie pausiert derzeit der Safari-Zug. Den wenigen Gästen ohne eigenes Fahrzeug stelle man einen Wagen. Die drei Kilometer lange Strecke führt an afrikanischen Savannentieren vorbei. Nur die Nilgau- und Hirschziegenantilopen sind in Asien beheimatet. Ein junges Exemplar letzterer Art steckt mit dem Huf im Futtergitter fest. „Wie bist du denn da reingekommen?", fragt Arraez und befreit das Tier, das laut röhrt und dann schnell das Weite sucht.

Die Suche nach dem Nilpferd ist vergeblich. „Es ist im Februar im Alter von 63 Jahren gestorben. Eigentlich werden die Tiere etwa 40 Jahre alt. Es zählte zu den ältesten Exemplaren Europas." Nachwuchs gibt es bei den Zebras, Wakussi-Rindern und den Elenantilopen, der größten Antilopenart der Welt. Neugierig gucken die Pferde auf den schwarz-weiß gestreiften Truck des Tierarztes. „Sie denken, dass es etwas zu essen gibt. So haben sie keine Angst, wenn ich mal behandeln muss." Skeptischer sind die Wakussi-Rinder. Sie stehen in einer engen Gruppe beieinander und schützen die Jungtiere in der Mitte.

Dann geht es zu Fuß weiter. An den Parkplatz grenzt das centro de conservación an, ein Garten für einheimische Schildkröten und Frösche. „Das Umweltministerium bringt die Schildkröten. Sie vermehren sich bei uns, der Nachwuchs wird in die Wildbahn ausgesetzt." Das Projekt sei erfolgreich, auch wenn der Tierarzt vergeblich minutenlang im Gestrüpp nach den Babys sucht. „Es sind Einzelgänger. Nach der Geburt muss der Nachwuchs alleine klarkommen", sagt Arraez.

Am Spielplatz vorbei geht es zu den Käfigen. „Der traditionelle Zoobereich", sagt der Tierarzt. In der Vergangenheit gab es viel Kritik an der dortigen Tierhaltung. 2013 gründete ein Resident aus Österreich nach dem Parkbesuch eine Online-Gruppe, die die Schließung des Zoos forderte. Die Petition gewann so viele Anhänger, dass sich Mentz mit dem Österreicher traf und beide gemeinsam eine Lösung erarbeiteten. 2015 folgte die nächste Protestwelle, nachdem zwei Schimpansen entlaufen waren. Einer konnte nicht betäubt oder eingefangen werden und wurde erschossen, der andere tot aufgefunden.

„Der Höllen-Zoo", titelte die britische Boulevard-Presse 2019 und schrieb von verstörten Elefanten, behinderten Tigern und hungernden Tieren. „Alles erfunden", meint Tierarzt Arraez. „Für den Artikel haben sie elf Jahre alte Fotos von der Verletzung eines Tigers herausgekramt. Das Tier wurde einwandfrei von meinem Vorgänger behandelt. Die Akten haben wir noch." Und Elefantendame Daisy habe einfach nur geschlafen. „Sie legt sich jeden Morgen in eine Kuhle. Ich verbringe täglich eine Stunde mit ihr, um sie für medizinische Eingriffe zu trainieren und ihre Füße zu pflegen." Vielleicht sei das frühere Zirkustier einfach nur traurig gewesen: Kurz zuvor starb ihre langjährige Gefährtin Dina. Mittlerweile teilt sich die Elefantenkuh das Gehege mit einem Esel, um nicht allein sein zu müssen.

Und jetzt die Pandemie. „Wir hatten zum Glück Ersparnisse und kommen noch über die Runden", sagt Mentz. Doch der Umsatz sei auf fünf Prozent gesunken. Seit Ende Mai 2020 ist der Park wieder täglich geöffnet. Die Besucher lassen sich an einer Hand abzählen. Da die Tiere wie immer versorgt werden müssen, konnte der Direktor nur wenige Mitarbeiter in die Kurzarbeit schicken, so den Fahrer des Safari-Zugs oder die Angestellten der Cafeteria. „Wenn die Urlauber nicht bald zurückkommen, sehe ich schwarz", so Mentz, er habe schon über einen Verkauf nachgedacht.

Durch die Leere in der Kasse wurden viele Projekte gestoppt. „Wir wollten genetische Studien durchführen, Käfige renovieren und neue Tiere kaufen, damit unser Elefant und unsere Giraffe einen Partner bekommen." Besonders bei den Affenkäfigen wäre ein Vergrößerung wünschenswert. „Ich habe einen Plan, wie wir Gehege zusammenlegen können. Aber die Zusammenführung der Tiere braucht Zeit."

Und Geld. Vielleicht lockt der Nachwuchs mehr Besucher, etwa Kasuar, ein grimmig dreinblickender, flugunfähiger Vogel. „Zum ersten Mal in 20 Jahren hat er bei uns ein Ei gelegt. Es ist aber leider unbefruchtet", so Arraez. Ein seltener Anblick sind die weißen Kängurus. „Eines der Elterntiere ist ein Albino und hat die Genetik vererbt." Drei Babys hängen derzeit in den Beuteln. „Wir haben sie im Januar entdeckt. Sie werden etwa ein halbes Jahr alt sein. Damit sind sie eigentlich schon zu alt für den Beutel. Sie sind wie Menschen mit 30, die einfach nicht zu Hause ausziehen möchten."