Die EU-Kommission hat kürzlich eine Liste mit Schädlingen veröffentlicht, die es im Auge zu behalten gilt. Zwanzig Arten sind dort auf­geführt, der Palmrüssler, dessen Ausbreitung ­gestoppt schien, ist nicht mehr dabei. „Die Bekämpfung dieses Käfers hat in Brüssel schon länger keine Priorität mehr", sagt Omar ­Beidas, Leiter der Abteilung Sanidad Vegetal im balearischen Landwirtschaftsministerium.

Das Insekt gehöre nicht mehr zu den sogenannten Quarantäneschädlingen, deren Ausbreitung schwerwiegende wirtschaftliche, ökologische und soziale Folgen haben kann. Die EU erlässt deswegen Verordnungen gegen sie und stellt Gelder zu ihrer Bekämpfung zur Verfügung. Im ersten Jahrzehnt nach der ­Jahrtausendwende zählte der Palmrüssler (Rhynchphorus ferrugineus zool., picudo rojo span., picut vermell kat.) noch zu dieser Kategorie. Nun ist die entsprechende Notverordnung europaweit aufgehoben worden.

Schluss mit der Meldepflicht

Für Sanidad Vegetal bedeutet die Aufhebung der Notverordnung, dass die Behörde kein ­legales Mittel mehr hat, um den Palmenbefall zu kontrollieren. Gärtner und Gartenbesitzer sind nicht mehr verpflichtet, befallene Palmen zu melden. (Wenn kranke Palmen in ­Privatgärten gefällt werden müssen, führt das Unternehmen Tirme die Verbrennung in Son Reus aber nach wie vor kostenlos durch.)

Das Landwirtschaftsministerium will sich künftig auf den Handel konzentrieren: Pflanzen, die auf die Insel kommen oder diese ­verlassen, sollen streng kontrolliert werden. ­Sanidad Vegetal ist außerdem verpflichtet, mindestens einmal im Jahr Gärtnereien und Baumschulen zu inspizieren. Befallene Pflanzen werden eliminiert, gesunde mit einem ­pasaporte fitosanitaria ausgestattet.

Engpass bei Insektiziden

Doch das ist noch nicht alles. Vor einem Jahr hat die EU-Kommission auch Insektizide vom Markt genommen, die sich bei den Gärtnern bewährt hatten. Der Grund: Sie sind umweltschädlich und vergiften nicht nur den Palmrüssler, sondern auch Wild- und Honigbienen. Aus dem Verkehr gezogen wurden sogenannte Neonikotinoide, wie Imidacloprid, Thiamethoxam und Chlorpyrifos. Dieses Verbot gilt europaweit. Nicht nur die Inselgärtner sind darüber verärgert, auch deutsche Zucker­rübenanbauer beklagen sich nun über das Fehlen wirksamer Mittel.

„Wenn Notsituationen entstehen, überlässt die EU es den Staaten, alternative Schädlingsbekämpfungsmittel bereitzustellen", erklärt Beidas. Die Balearen hätten das in Madrid auch beantragt. Allerdings sei es zu Engpässen gekommen, und darunter hätten die Inselpalmen 2018 gelitten. Mittlerweile gäbe es jedoch alternative Insektizide: Auf einem Ausdruck der Website von Sanidad Vegetal sind vier verschiedene Mittel aufgeführt: Acetamiprid 20 Prozent (23377 Epik und 2399 Epik 20 SG), ­Sipcam Inagra, Emamectin benzoato 9,5 (Re­vive II) und der biologische Schlauchpilz ­Beauveria bassiana. Die PDFs kann man sich unter bit.ly/Palmrüssler-Mittel herunterladen.

Die Insektizide können an Personen verkauft werden, die über das „Carnet de manipulador de fitosanitarios" verfügen. Die Menge der Mittel muss je nach Stammdicke und Baumhöhe variabel dosiert werden. Deshalb schreibt eine Verordnung vor, dass Unternehmen, die in öffentlichen Parks, an Straßenrändern und Alleen oder in der Nähe von Schulen mit Insektiziden arbeiten, die Dosierungs­anweisungen von spezialisierten Agraringenieuren zu befolgen haben.

„So arbeiten auch die Stadtgärtner von Palma", sagt Beidas. Dort war es Anfang November zu einem schweren Unfall gekommen: Eine bei einem Sturm abgeknickte Palme erschlug eine Frau. Er vertraue auf die Arbeit seiner Kollegen, die nicht nur den Palmrüssler vorschriftsmäßig bekämpften, sondern auch regelmäßig mechanische Proben durchführten, sagt Beidas. Bei den über 200.000 Palmen auf der Insel wäre es ein Wunder, dass nicht mehr passiere.

Zu schwache Dosierung

In dem Maße, wie die Mittel gegen den Palmrüssler für Anwender und Umwelt weniger schädlich ­wurden, hätten sie sich als weniger effizient erwiesen, sagt Pepe Salas vom Gartenbau­unternehmen Tecnojardi (www.tecnojardi.net). Deshalb befürchte er in nicht wenigen Inselgärten für das kommende Jahr ein er­neutes Palmensterben. Wirksam dagegen könnten erhöhte ­Dosen von Neonikotinoiden sein. Doch wer will schon illegal handeln und obendrein noch der Umwelt schaden.

Salas versucht deshalb, mit den neuen ­Mitteln zurechtzukommen. Nach deren Vergabe empfiehlt er vierzehntägig gründliche Kontrollen. War die Behandlung ohne Erfolg, müssen alle befallenen Pflanzenteile entfernt werden. So verhindert man die Entstehung von Pestizidsümpfen im Innern der Palme. Wenn es sich um einen leichten Befall handelt, rät er zu einem Produktwechsel, um die Resistenzgefahr zu vermindern.

Vor einer möglichen Resistenz des Palmrüsslers warnt auch Axel Homuth (www.sanapalm.com). „Konfrontiert man den Käfer mit einer zu schwachen Dosis, vererbt er die Wirkstoffe. Nachkommende Ge­nerationen entwickeln deshalb ­Resistenzen", sagt er. Seiner ­Meinung nach hat auch der ­heiße Sommer die Vermehrung der Tiere begünstigt. Im Vergleich zu den ­Vorjahren seien 2019 mehr Larven geschlüpft.

Die Frage, ob durch den Engpass bei den Insektiziden ein Anstieg befallener Palmen registriert worden ist, kann der Sanidad-Vegetal-Chef Omar Beidas nicht beantworten, weil es nach der Aufhebung der EU-Notverordnung keine aktuellen Daten zum Palmrüssler gibt. „Eines ist sicher", sagt er, „in Zukunft werden von der EU-Kommission immer weniger wirksame Schädlingsbekämpfungsmittel genehmigt werden."