Dicht an dicht sitzen die Hühner unter einem Sonnendach. Denn am späten Morgen ist es auf der Finca Binifela zwischen Capdepera und Cala Ratjada im Norden von Mallorca schon richtig heiß. „In den kühlen Stunden picken und scharren sie auf der ganzen Wiese ihres Areals", sagt Marçal Ribas (37). Vor fast zehn Jahren hat er im katalanischen Reus mit der Zucht von Masthähnchen begonnen.

Er arbeitete auf dem Land und lebte mit Familie in der Stadt. Als das dritte Kind erwartet wurde, suchten sie eine Farm, auf der sie gemeinsam auf dem Land wohnen konnten. Als der Katalane erfuhr, dass die Pachtfinca Binifela, die vom deutschen Öko-Landwirt Georg Bräutigam bewirtschaftet worden war, frei wurde, entschied er sich für Mallorca. Zudem bot sich hier auch die Zusammenarbeit mit Apaema an, dem Verband der Bio-Landwirte mit Erfahrung im Vertrieb von ökologischem Lamm- und Rindfleisch auf der Insel. Im vergangenen Jahr zog die Familie dann um.

Die Küken

Im Februar 2020 kamen auf Binifela die ersten pollitos an. Sie waren in Katalonien mittels Inkubation frisch geschlüpft. Die Eier stammen von Hühnern, die für die Fleischmast gezüchtet worden und für die dreimonatige Öko-Aufzucht geeignet sind, weil sie langsam wachsen und zunehmen. Möglich ist die Masthuhnzucht sowohl mit männlichen als auch mit weiblichen Tieren. Ribas hat sich für die Zucht von Hähnchen (pollos) entschieden.

Nachwuchs aus Katalonien wird geordert, wenn eines der vier mobilen Hühnerhäuser frei geworden ist, weil der Züchter einen Teil seiner Tiere beim neuen Geflügelschlachthof in Inca abgeliefert hat. Um die Ställe fortzubewegen, wird ein Rad, das so groß wie das eines Lkw ist, an einer Metallachse befestigt, die aus einer Wand am Hühnerhaus ragt. Dann kann der Stall, der übrigens keinen Boden hat, mit dem Traktor transportiert werden.

Vor der Ankunft der neuen Küken wird auf dem neuen Standort der Innenraum desin­fiziert und der Boden mit Stroh ausgelegt. Hinzu kommen Futter- und Wassertröge und eine Wärmelampe. Beim MZ-Besuch sind die ­Küken jedoch bereits zwei Wochen alt und groß genug, um ohne Wärmelampe auszukommen. Sie plustern ihr zartes Gefieder auf, scharen sich um die Tränke und geben dabei kräftige Pieplaute von sich.

Der Auslauf

Die Küken sind in einem Stall nahe dem Wohnhaus untergebracht. Bevor man zum zweiten Hühnerhaus gelangt, ist ein Zaun zu übersteigen, und Ribas erklärt dann, dass die Wiese 8.000 Quadratmeter groß und in vier Areale aufgeteilt ist. Auf jedem steht einer der Ställe, in dem jeweils 160 Tiere nachts schlafen. Tagsüber haben sie dann auf ihrem Wiesenabschnitt 2.000 Quadratmeter zur Verfügung.

„Frisches Grünfutter wirkt sich auf die Fleischqualität positiv aus", sagt Ribas. Wenn er den mobilen Stall umsetzt, ist der Boden zunächst bewachsen. Wenn die Tiere die Kräuter gepickt haben, wird Stroh aufgefüllt. Dafür gibt es dann rundum frische Kräuter zu futtern. Die Vegetation könnte sich nicht regenerieren, wenn die Hühnerhäuser immer an derselben Stelle stünden. Denn das Geflügel ist ängstlich und hält sich gern in Stallnähe auf.

Das Picken, Scharren und in Erdkuhlen Baden wirkt sich nicht nur auf die Fleischqualität günstig aus. Diese Beschäftigungen bewirken außerdem, dass die Tiere sich nicht gegenseitig verletzen. Ihre Schnäbel müssen deshalb auch nicht gestutzt werden, was in der Öko-Tierhaltung ohnehin nicht erlaubt ist.

Doch das Grün reicht nicht aus. Derzeit müssen Körner zugekauft werden. Zum Konzept der Finca gehört aber, dass künftig das Getreidefutter auf den mit Hühnermist gedüngten, hauseigenen Feldern geerntet wird.

Friedliche Gockel Die Hähne im zweiten Stall sind fast drei Monate alt, alle haben leuchtend rote Kämme. Bei einigen sind die Schwanzfedern entwickelt, bei anderen eher spärlich. Gemeinsam üben sie sich im lauten Krähen. „Das hören wir oft schon mitten in der Nacht", sagt Ribas. Zwei Gockel nehmen plötzlich Kampfhaltung ein, die Kämme fliegen in die Höhe, die Flügel flattern aufgeregt, doch dann brechen sie ab, als wäre es nur ein Spiel gewesen. „Würden wir sie nicht rechtzeitig schlachten, käme es zu heftigen Kämpfen", erklärt der Landwirt. Nur bis zur Geschlechtsreife bleiben die Hähne in der Gruppe friedlich.

Im dritten und vierten Stall leben ebenfalls jeweils ein Kontingent von 160 pollitos. Ins­gesamt gibt es auf Binifela 640 Jungtiere. Im Vergleich dazu: In der konventionellen Zucht werden 20.000 bis 30.000 Tiere in einer Halle einen Monat lang bis zur Schlachtreife gemästet. „Ihre Lebenszeit ist für einen Auslauf zu kurz", sagt Ribas. Pollos camperos, wie sie im ­Supermarkt erhältlich sind, leben 56 Tagen, ihnen bleibt mehr Gelegenheit für Spaziergänge im Freien ohne gesichertes Grünfutter.

„Die Bio-Verordnung schreibt für die Mast ein Minimum von 81 Tagen vor", erklärt Ribas. Bei ihm leben die Jungtiere häufig bis zu 95 Tagen. Zwei Monate verbringen sie im Freien, das hält gesund. Ihr Fleisch ist, so Ribas, fest, dicht und würzig. Derzeit fährt er immer dienstags 40 Tiere zum Schlachthof, eigentlich müssten es 70 sein. Doch der Verkauf von Bio-Produkten stockt, weil Hotels und Restaurants ausfallen. Nun hofft Ribas auf umweltbewusste ­Abnehmer lokaler Bio-Produkte.

Öko-Hähnchen

Preis pro Kilogramm 8,70 Euro. Apaema liefert immer mittwochs inselweit aus. Bestellungen: Tel.: 618-47 01 73. Oder in Binifela unter Tel.: 699-79 53 25 (beides auch über WhatsApp).