Weich und flauschig fühlt sich die Schafwolle an. Gewaschen und gekämmt hat sie Eugenia Marcote, die sich auf die Verarbeitung von mallorquinischer Rohwolle spezialisiert hat. Viele kennen die Argentinierin von den Inselmärkten, wo sie bis vor zwei Jahren mit ihrem Spinnrad zugange war und erklärte, was man mit Schurwolle alles machen kann.

Durch eine Lehrerin an der Waldorfschule lernte sie Gemma Salvador aus Katalonien kennen, die gerade ihren Onlinejob in der Umwelttechnik gekündigt hatte und sich neu orientieren wollte. Doch dann kamen Corona und die Quarantäne. Die beiden Frauen nutzten diese Zeit und entwickelten ein Konzept für eine nachhaltige Vermarktung der mallorquinischen Schurwolle.

Die Schafe

Bekanntlich müssen Mallorcas Schafe jedes Jahr geschoren werden, weil das Fell den Tieren im Sommer zu heiß wird. „Dieses Jahr konnten die uruguayischen Schafscherer wegen Covid-19 nicht einreisen", berichtet Marcote. Hinzu kommt, dass der Landwirt für die Schur eines Schafs üblicherweise zwischen 1,50 und 1,80 Euro zahle, für die eher grobe Schurwolle jedoch nur 15 Cent bekomme. Der Verkauf bei Versteigerungen auf dem spanischen Festland lohne sich nicht mehr, weil die Transportkosten der Wolle zu hoch wären. Deshalb würden die Landwirte die Wolle entweder in ihren Scheunen stapeln, meistens aber verbrennen. Das schade der Umwelt, und ein wertvoller, nachwachsender Rohstoff werde vergeudet.

Wertvolle Haare

Weil das Inselschaf von Haus aus kurze Haare und kein dickes Fell hat, wurde die Wolle früher zu Matratzen verarbeitet. Diese werden schon lange aus anderen Materialien hergestellt. Doch Eugenia Marcote schätzt die Rohwolle und verarbeitet sie seit Jahren zu hochpreisigen Liebhabertextilien. Wie beispielsweise mit Alpaka vermischtes, handgesponnenes Garn, das sie online verkauft. Im Netz finden sich auch die Termine für Kurse, bei denen man lernt, wie Schafwolle verarbeitet werden kann. So färbten Teilnehmer eines Workshops im Sommer in einem Orangengarten bei Alaró Wolle mit Naturfarben, und noch vor Weihnachten ist ein weiterer Kurs in

Binissalem geplant.

Weil nur ein winziger Anteil der Inselwolle so verarbeitet werden kann, wollen die beiden nun zusätzlich zu den Garnen und Kursen gewaschene und gekardete Schurwolle in Form von gefilzten Vliesen herstellen und verkaufen. Diese im Spanischen napas genannten Wollvliese könnten als Ersatz für Luftkissenfolien als wiederverwertbares Verpackungsmaterial zum Einsatz kommen. Aber auch in der Biokonstruktion als atmungsaktives, feuerbeständiges, recycelbares und gesundes Dämm- und Isoliermaterial. Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde das Projekt erstmals im Rahmen einer Dokumentation von „Arte-TV", die im August ausgestrahlt wurde.

Die Investition

Die beiden kalkulieren, dass für die Maschinen, Transporte, Werkzeug und andere Kosten Investitionen von rund 45.000 Euro notwendig sind. So wird zum Beispiel eine industrielle Waschmaschine für Schafwolle und eine Kardmaschine benötigt. In Llucmajor kann dafür eine Maschine, die ein Meter breite Vliese kardet, aus zweiter Hand gekauft werden. Dort war ein von Deutschen initiiertes Projekt am Problem der Wollbehandlung gegen Schädlinge gescheitert. Dieses Problem ist gelöst, denn es gibt heute umweltfreundliche Antimotten-Produkte mit zusätzlichen fungiziden, insektiziden Eigenschaften.

Nach der Behandlung müssen die Vliese gefilzt werden. Umwelttechnikerin Salvador führt vor, wie das geht. Anders als beim Nassfilzen, wo Wolle bei Temperatur „einläuft", sticht man beim Trockenfilzen mit dem

Widerhaken der Nadeln immer wieder auf das gekardete Vlies ein. Die Fasern werden so kreuz und quer zusammengezogen und bilden danach eine dichte Matte. Dieser Arbeitsgang soll von einer Maschine ausgeführt werden, die an die Strickmaschine erinnert.

Die Manufaktur

„Wir verhandeln mit der Kooperative Camp Mallorquí in Binissalem", erklärt Salvador. Dort biete sich ein idealer Standort für den kleinen Maschinenpark an. Es gibt hier nämlich bereits einen Service für Landwirte, um Früchte zu konservieren und Oliven zu pressen. „Wir bräuchten ein halbes Jahr, um Proben herzustellen und Laboruntersuchungen durchführen zu lassen", sagt Salvador. Die Mitglieder der Kooperative, die Wolle liefern, könnten künftig am Gewinn beteiligt werden.

Noch fehlt das Geld für die Investition. Erfolg versprechend sei ein Antrag bei Mallorcas Inselrat, weil das Projekt von Frauen entwickelt worden und obendrein nachhaltig und lokal ist. Aber auch, weil es den Schafherden der Insel zugutekommen würde, die wiederum für die Plantagen wichtig sind. Doch die Antwort des Inselrats lässt auf sich warten und kann sich durch Covid-19 weiter verzögern. Deshalb bereiten Salvador und Marcote nun eine Crowdfunding-Kampagne vor, nach dem Vorbild bereits erfolgreicher Projekte in Spanien und anderen Ländern, die auf diese Weise finanziert worden sind.