Nina kennt in Palma so gut wie jeder, egal ob Urlauber, Mallorquiner oder ausländischer Resident. Täglich wird sie am Stadtstrand neben der Beachbar Anima Beach von zahlreichen Handykameras erfasst. Das idyllisch anmutende Foto ist trügerisch. Streng genommen hat das Kätzchen, das sich mit seinen Geschwistern auf den Felsen herumtreibt, keine Aufenthaltsgenehmigung, lebt in widrigen Umständen und ist auf Wohnungssuche.

Einer deutschen Rentnerin ist die grau-weiße Samtpfote in der inoffiziellen Katzenkolonie besonders ans Herz gewachsen. „Sie kommt immer zu mir, wenn ich ihr das Futter hinstelle. Es ist traurig, dass sie kein Zuhause hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich auch an ein Familienleben gewöhnen könnte", sagt Rita Titel, wohlwissend, dass das nicht bei allen Straßenkatzen der Fall ist.

Die Deutsche ist eine von drei Ehrenamtlichen, die sich um die Katzenkolonie auf den Felsen kümmern. Denn das Leben am Meer ist hart. Bei stürmischem Wetter schlagen die Wellen hoch. Die Katzen sind stets dem salzigen Wasser ausgesetzt. Durch die Fellpflege mit der rauen Zunge gerät die Katzenhaut da an ihre Grenzen. Die Helfer haben kleine Hütten als Zuflucht aufgestellt, doch diese werden immer wieder gestohlen. Im Sommer werden die Felsen so heiß, dass sich die Kätzchen die Pfoten verbrennen.

Alternativen gibt es aber kaum. Das Überqueren der angrenzenden Schnellstraße ist lebensgefährlich. Der Park auf der anderen Seite ist meist gut von Spaziergängern besucht, und die eher scheuen Vierbeiner suchen einen ruhigen Ort. Auf den Felsen dagegen könnten die Katzen schnell Reißaus nehmen, wenn sich jemand nähere, sagt Titel, die seit zwei Jahren von ihrer Rente Katzenfutter kauft. „Viele Passanten geben den Katzen Essensreste, Würste, Paella und Milch. Das ist nicht gut für die Tiere. Davon bekommen sie Durchfall. Sie sind aber wie kleine Kinder und fressen es trotzdem." Dann sinkt zudem der Appetit auf das gesunde Katzenfutter, welches wiederum andere Abnehmer findet. „Fette Ratten, Schnecken und Igel bedienen sich dann", sagt Titel.

Dass die meisten der 13 Katzen ein schwarz-weißes Fell haben, ist kein Zufall. Der schwarze Kater Gordon ist der Vater der Kolonie. „Da die Kater ihre Reviere haben und sich untereinander nicht vertragen, ist eine Gruppe ein paar Meter weitergezogen", sagt Marion Donaque. Die Venezolanerin ist die Organisatorin der ehrenamtlichen Katzenhelfer am Strand. Das Trio vervollständigt die Peruanerin Natalie Alfaro.

Seit sechs Jahren investiert Marion Donaque größere Summen in die Tiere. Sie verkauft auf Flohmärkten Sachen, um Futter, Tierarztrechnungen und Anti-Floh-Tropfen zahlen zu können. Unterstützung erhält sie von ihrer Familie. „Wir sind drei Schwestern und haben alle drei keine Kinder. Unsere Kinder sind die Katzen. Wir opfern jeden Monat die Hälfte unseres Lohns, um die Tiere versorgen zu können." Was sie im Monat für die Katzen bezahlt, will sie lieber nicht ausrechnen. „Darüber habe ich nie nachgedacht. Es würde mich nur ärgern. Ich war seit fünf Jahren nicht im Urlaub", sagt die Venezolanerin.

In Llucmajor betreibt Donaque zudem auf einer Finca eine Art inoffizielles Tierheim. Den Standort will sie auf keinen Fall preisgeben - sie fürchtet, dass dann massenhaft Tiere vor ihrer Tür ausgesetzt werden könnten. „Sieben Katzen von der Kolonie am Meer habe ich schon bei mir aufgenommen. Zuletzt eine wunderschöne graue Langhaarkatze, die wie eine teure Maine-Coon aussieht. Sie wurde vor Kurzem auf den Felsen ausgesetzt."

Bangen um den Familienvater

Derzeit ist auch Familienvater Gordon bei ihr einquartiert. Der Kater erholt sich von einer Operation. „Während des Lockdowns hatte ich eine Beule an seinem Rücken bemerkt." Der Tumor wuchs mit der Zeit immer weiter. Das Problem war, dass sich Gordon nicht so leicht fangen ließ. „Die Straßenkatzen lassen sich zwar manchmal streicheln. Doch wenn man sie etwas fester anpackt, dann flippen sie aus", sagt Rita Titel und zeigt ihre zerkratzten Hände.

Immer wieder baute Donaque Fallen, um den Kater in eine Transportbox zu locken. „Er hatte wohl schon mal schlechte Erfahrungen mit einer Kiste gemacht und war sehr skeptisch. Er ist ein cleveres Tier. Die Falle sollte eigentlich zuschnappen, wenn er sich das Fressen holt. Doch er wusste, wie er mit dem Hinterteil die Tür offen halten kann", erzählt die Venezolanerin. Sie rief Freunde an, um abwechselnd Wache zu stehen und Gordon einen Tag lang kein Fressen zu gewähren. Es klappte. Der Hunger trieb das Tier dann doch in eine Box. „Als der Tierarzt die Blutwerte sah, war er erstaunt, dass der Kater überhaupt noch lebt." Der Tumor wurde entfernt, Gordon ist jetzt auf dem Weg der Besserung.

Die Stadt ist verantwortlich

Die Katzenkolonien bereiten seit Jahren Kopfzerbrechen. Die Tiere werden als unhygienisch angesehen, ihre Vermehrung als unkontrollierbar. Tierschützer und Katzenfreunde versuchen der Lage Herr zu werden, indem sie die Tiere versorgen und kastrieren. Die Idee ist, dass die Kolonien mit der Zeit dadurch langsam aussterben. Doch auch in dieser Angelegenheit hat die Pandemie Auswirkungen. „Immer mehr Leute setzen ihre Haustiere auf der Straße aus. Wenn die Katzen nicht kastriert sind, macht das unsere jahrelange Arbeit zunichte", sagt Donaque.

Die Zuständigkeit für die Katzenkolonien obliegt dem Rathaus. „Der Leiter vom Tierheim Son Reus entscheidet, welche Kolonien legal und welche illegal sind. Dabei berücksichtigt er Kriterien wie die Nähe zu Schulen, zu Krankenhäusern und befragt die Anwohner, ob es Beschwerden über die Katzen gibt", sagt Donaque. „Die Kolonie am Stadtstrand zählt zu den illegalen, da der Betreiber vom Anima Beach den Daumen nach unten gezeigt hat." Deswegen fristet Nina auch ein illegales Dasein. Und deswegen sind Rita Titel, Natalie Alfaro und Marion Donaque auch weiterhin für sie da

Wer Palmas Straßenkatzen helfen möchte, kann die Ehrenamtlichen per WhatsApp unter der Nummer +44 740 455 40 89 erreichen (Spanisch oder Englisch). Gesucht werden ein Abnehmer für das Kätzchen Nina sowie auch Sponsoren, die einen Beutel Trockenfutter kaufen oder eine Rechnung beim Tierarzt bezahlen.