„Extrem hoch“ und „sehr gesundheitsgefährdend“ – das sind nur einige der alarmierenden Formulierungen, die Experten des spanischen Geologie-Instituts (IGME) in einem Gutachten verwendet haben, das bereits 2019 erstellt wurde. Auf über 600 Seiten führen die Experten aus, wie sie von 2015 bis 2019 immer wieder Grundwasserproben im Umfeld von Palmas stillgelegter Mülldeponie Son Reus genommen haben – und dabei auf deutlich mehr Schwermetall-Anteile gestoßen seien, als gesetzlich zugelassen.

Ihr Resümee: Die Verantwortlichen für die Instandhaltung der alten Halde – Palmas Stadtwerke Emaya – sollten die entsprechenden Behörden unverzüglich informieren. Jetzt geriet der Bericht an die Öffentlichkeit – und damit auch die Tatsache, dass Emaya das balearische Gesundheitsministerium keineswegs über die besorgniserregenden Studienergebnisse in Kenntnis gesetzt hat.

Er ist nicht zu übersehen, der 50 Meter hohe Hügel mit einem Umfang von 2,6 Kilometern, der sich nördlich von Palma erstreckt. Von 1975 bis 2008 war hier die Mülldeponie Son Reus in Betrieb, damals die größte der Insel. Dann wurde die Halde geschlossen, der Restmüll landet seitdem in der Verbrennungsanlage der Konzessionsfirma Tirme. Rund 4,3 Millionen Tonnen Deponiemüll und 450.000 Tonnen Asche wurden mit Erde überschüttet.

Palmas Stadtwerke sind dafür zuständig, dass die alten Abfälle nicht nachträglich Schaden anrichten. Doch genau das scheint zu geschehen. Insgesamt elf Schwermetalle seien in Trinkwasserbrunnen rund um Son Reus festgestellt worden, in einigen von ihnen nur punktuell, in anderen konstant, so der IGME-Bericht. Vor allem nach schweren Niederschlägen, wenn das Regenwasser zu den unter dem Erdhügel verschanzten Müllresten durchdringt und sich sogenanntes Sickerwasser bildet. Besonders besorgniserregend: das Vorkommen von Quecksilber und Arsen – bekanntlich besonders schädlich für den Menschen. Es müsse unbedingt gehandelt werden, auch ein möglicher Abriss des Müllfriedhofs solle in Erwägung gezogen werden, schlussfolgerten die Wissenschaftler 2019. Passiert ist bisher allerdings nichts. Zumindest nichts, was man als „unverzügliches Einschreiten“ werten könnte.

Zwar leiteten die Verantwortlichen von Emaya den Bericht an den Inselrat und das balearische Umweltministerium weiter, ließen das Gesundheitsministerium jedoch außen vor. Die Führungsebene der Stadtwerke hat ohnehin Zweifel an den Ergebnissen der Studie angemeldet. „Wir stimmen den vorliegenden Ergebnissen absolut nicht zu, unter anderem weil sie sich nicht mit unseren eigenen Tests decken“, so Emaya-Vorsitzender Ramon Perpinyà. Man habe seit 2008 ein aufwendiges System entwickelt, dass das Sickerwasser daran hindere, ins Grundwasser zu fließen. Zudem nähmen Emaya-Mitarbeiter alle drei Monate Stichproben von verschiedenen Grundwasservorkommen – vorgeschrieben sind diese Tests nur alle sechs Monate. Keine der von Emaya entnommenen Proben habe bisher Anzeichen einer Verseuchung des Wassers gezeigt.

Derlei unterschiedliche Einschätzung lässt sich auch deswegen schwer nachvollziehen, weil es die Stadtwerke selbst waren, die die Experten des IGME mit den Langzeitstudien beauftragt hatten. Welche Tragweite die Verunreinigung des Trinkwassers tatsächlich hat – und vor allem, welche Konsequenzen die Behörden nun, da der Fall offenliegt, ziehen – ist noch nicht absehbar. Dabei kommt es nicht überraschend, dass von der Müllhalde zumindest potenziell eine gewisse Gefahr ausgeht. Bereits im Jahr 2009 hatte die damalige Landesregierung den unmittelbaren Anwohnern von Son Reus geraten, vorübergehend auf den Konsum von Leitungswasser zu verzichten.

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Betroffen war im zehn Jahre später abgeschlossenen Studienzeitraum dem IGME zufolge das Grundwasser auf einer Fläche von rund 20 Quadratkilometern. Hier sind 1.083 Brunnen angesiedelt, aus denen Wasser entnommen wird. Fast die Hälfte befindet sich südlich und südöstlich der Deponie um den Ortsteil Pont d’Inca (Marratxí) – jener Richtung, in die das meiste Wasser fließt. Von den dortigen 505 Brunnen werden rund 180 für den häuslichen Konsum genutzt, 190 zur Bewässerung landwirtschaftlicher Felder. Auch in der nördlich angrenzenden Gemeinde Bunyola häufen sich nun die Sorgen. Das Rathaus forderte vergangene Woche eine außerordentliche Sitzung mit den Emaya-Verantwortlichen, um aus erster Hand Informationen darüber zu bekommen, wie die Stadtwerke nun weiter vorzugehen gedenken.

Dass Emaya strafrechtliche Konsequenzen drohen, ist nicht auszuschließen. Bereits seit Ende 2019 befasst sich ein Gericht mit dem Fall.