An vielen Punkten sind die Änderungen schon sichtbar, die das Verbot von Einwegprodukten aus Plastik mit sich gebracht hat. Sicherlich haben Sie sich beim Cocktailschlürfen auch schon darüber aufgeregt, dass der Trinkhalm aus Papier nach wenigen Schlucken zerfällt. Oder vergeblich in der Bar nach einem Tütchen mit Ketchup oder Senf gesucht. Mallorca hat auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet. „Es war eine mutige Entscheidung und ein erster Schritt“, urteilt Roser Badia, Koordinatorin auf Mallorca von der katalanischen Stiftung Rezero, die sich den Kampf gegen den Müll auf die Fahnen geschrieben hat. „Nun müssen aber noch weitere Schritte folgen.“

Am 20. März trat das Anti-Plastik-Gesetz in Kraft, nach jahrelanger Diskussion und einem Aufschub. Plastikartikel wie Geschirr, Tüten mit zu dünner Wandstärke, Trinkhalme sowie viele weitere Dinge des täglichen Gebrauchs stehen auf der schwarzen Liste, sofern sie nur für eine Anwendung konzipiert sind. Zudem zog am 3. Juli die EU mit einer neuen Richtlinie nach. „Die spanische Bürokratie arbeitet jedoch sehr langsam“, sagt Sebastià Sansó. Der Generaldirektor für Abfallwirtschaft im balearischen Umweltministerium zeichnet für das Anti-Plastik-Gesetz auf den Inseln verantwortlich. „Madrid arbeitet derzeit noch daran, die EU-Richtlinien mit einer nationalen Gesetzgebung umzusetzen. Ich rechne nicht vor Sommer 2022 mit einem Ergebnis.“

Sowohl Roser Badia als auch Sansó stehen den Politikern in der Hauptstadt beratend zur Seite. Generell fällt die balearische Gesetzgebung wesentlich strikter als die EU-Norm aus. „Der größte Unterschied besteht darin, dass die EU nur den Verkauf der Einwegprodukte aus Plastik an die Zwischenhändler verbietet. Wenn aber ein Laden noch ein prall gefülltes Lager hat, darf er die Waren weiterhin verkaufen“, erklärt Sansó. „Auf Mallorca dagegen sind sowohl Verkauf als auch Gebrauch strafbar.“

Bußgelder gab es bislang auf den Balearen noch nicht. Die Inspektoren würden derzeit noch mit den neuen Vorgaben vertraut gemacht. Aber „der Eindruck ist positiv“, so der Generaldirektor. „Wir haben an die tausend Nachfragen zu dem Gesetz bekommen. Die Firmen nehmen die Änderungen ernst.“ Wobei zwar die meisten das neue Gesetz im Prinzip begrüßten, aber die Auflagen für den eigenen Betrieb weniger toll fänden. Wie sich das Gesetz letztendlich auf die Müllbilanz auswirke, werde man freilich erst in ein oder zwei Jahren sehen können.

Eine häufige Beschwerde sei die geringe Vorlaufzeit gewesen. „Dabei hatten die Unternehmen mehr als zwei Jahre Zeit, um Restbestände loszuwerden. Wir haben uns Rechnungen zeigen lassen“, sagt Sansó. „Einige Händler haben noch wenige Tage, bevor das Gesetz in Kraft trat, neue Produkte und quasi einen Vorrat für die nächsten 30 Jahre gekauft.

Ein Streitpunkt sind ebenjene Trinkhalme. Statt der Wegwerfröhrchen wird auf Alternativen aus Metall, Papier oder wiederverwendbares Plastik gesetzt. In den meisten Fällen sollte man sich aber fragen, ob man wirklich Strohhalme braucht. Die kompostierbaren Alternativen seien in der Masse nicht viel besser, argumentiert Lobbyistin Badia: „Das verschiebt das Problem nur."

Das zeigt sich beim vielleicht größten Knackpunkt, dem Essen zum Mitnehmen. Im Zuge der Pandemie boomen die Lieferdienste, und im besseren Fall kommt die Mahlzeit nun im Pappbehälter nach Hause. Meist aber in einem Mehrwegplastikbehältnis. Doch wirklich wiederverwendet werden die Dosen nicht – zumal es bei der nächsten Bestellung sowieso das nächste Gefäß gibt.

„Diesen Aspekt haben wir bei der balearischen Gesetzgebung nicht ausreichend berücksichtigt“, räumt Sansó ein. „Die EU-Norm befasst sich damit stärker, es ist ein enormes Problem von weltweitem Ausmaß.“ Es zeige sich, wie sehr wir uns als Gesellschaft daran gewöhnt hätten, Einwegprodukte wegwerfen zu können, trotz der erheblichen Folgen für die Umwelt. Aber wie könnte die Lösung aussehen? Wer das Essen im Laden abholt, könnte etwa eigene Behältnisse mitbringen. „Vielleicht lässt sich auch eine Art Abgabestelle für die Gefäße einrichten. Das könnte sogar Kosten für die Restaurants sparen, wenn sie nicht immer neue Behälter kaufen müssen.“

Änderungen am balearischen Plastikgesetz erwartet der Politiker in naher Zukunft nicht. „Ich persönlich bin zu 98 Prozent zufrieden. An manchen Stellen hakt etwas die Formulierung“, sagt Sansó. Längst wird am nächsten Schritt gegen die Plastikflut gearbeitet: Langfristig soll es auf den Balearen ein Pfandsystem nach deutschem Vorbild geben. 2022 startet zunächst auf Formentera ein Pilotprojekt mit dem SDDR, dem sistema de depósito y reembolso. Geplant ist es schon länger. „Der Druck der Mineralwasser-Lobby ist jedoch enorm, der politische Wille zu schwach.“

Dabei gebe es für manche Dinge einfache Lösungen. Beispiel Wasserflaschen: Im Haushalt kann ein Filtersystem angeschafft werden, außer Haus gibt es das Wasser gar gratis. „Viele wissen nicht, dass die Restaurants dazu verpflichtet sind, den Gästen kostenloses Leitungswasser anzubieten. In Palma stehen zudem mehrere Stationen, wo man kostenlos Wasser abfüllen kann.“