„Kein Mund, kein Po und trotzdem froh.“ So beschreibt die Wissenschaftlerin Nicole Dubilier vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie salopp ihr Forschungsobjekt, den Olavius algarvensis. Es handelt sich um einen nur 0,2 Millimeter dünnen Meereswurm, der weder frisst noch einen Darm hat. Der marine Verwandte des Regenwurms beherbergt Bakterien unter seiner Haut, die ihn so gut mit Nahrung versorgen, dass er selbst nicht mehr fressen muss. Aber woher kommt die Nahrung für die symbiontischen Bakterien? Denn die Seegraswiesen gelten als nährstoffarm.

Ebenfalls Forschungsobjekt der Bremer Wissenschaftler: die Seegraswiesen. | FOTOS: HYDRA MARINE SCIENCES GMBH/CHRISTIAN LOTT

Kooperation mit Meeresforschungsinstitut in Esporles

Dieses Rätsel sowie weitere Forschungsfragen klären die Meeresbiologin und ihre Kollegen möglicherweise auf Mallorca. Denn das Bremer Max-Planck-Institut hat eine Kooperation mit dem Meeresforschungsinstitut Imedea in Esporles aufgenommen, und zusammen wollen die deutschen und mallorquinischen Wissenschaftler künftig im Leuchtturm von Portocolom (Gemeinde Felanitx) Forschungsprojekte angehen. Die Max-Planck-Gesellschaft hat bereits ein Budget von einer halben Million Euro für das langfristige Projekt freigegeben, wie Dubilier erklärt. Die Hafenverwaltung Ports de Balears überlässt die Räumlichkeiten des Leuchtturms den Wissenschaftlern, die Landesregierung kümmert sich um den Umbau und die laufenden Kosten.

l Der Ringelwurm „Olavius algarvensis“ kommt auch vor Mallorca vor.  l FOTOS: HYDRA MARINE SCIENCES GMBH/CHRISTIAN LOTT

l Der Ringelwurm „Olavius algarvensis“ kommt auch vor Mallorca vor. l FOTOS: HYDRA MARINE SCIENCES GMBH/CHRISTIAN LOTT Frank Feldmeier

Zustande kam die Kooperation nicht von heute auf morgen. Der Mikrobiologe Ramon Rosselló-Mora vom Imedea arbeitete mehrere Jahre in Bremen, und der wissenschaftliche Austausch vertiefte sich mit den Jahren. Mallorca als Forschungsstandort kam ins Spiel, weil sich die bisherige Außenstelle der Bremer Forscher auf der italienischen Insel Elba als zunehmend problematisch erwies. Zum einen ist da die lange Anreise via Pisa mit zeitraubender Zwischenlandung. Zum anderen ist die Forschungsstation vor Ort privater Natur, was der Kooperation mit dem Bremer Max-Planck-Institut Grenzen setzt. Ganz anders auf Mallorca: Die Anreise auf die Insel ist bekanntlich denkbar einfach, und das Imedea ein staatliches Forschungsinstitut.

Feldstudien am Leuchtturm von Portocolom

Bislang suchen die Meeresforscher auf Mallorca für ihre Feldstudien den Leuchtturm von Ses Salines auf. Seit mehr als zehn Jahren werden dort vor allem Daten zum Klimawandel erhoben, wie Leiter Gotzon Basterretxea im Gespräch mit der MZ erklärt. Doch in Ses Salines seien die logistischen Bedingungen nicht ideal: Statt Stromanschluss gibt es nur einen Dieselgenerator, vom Essen bis zum Bettzeug müssen die Forscher alles selbst mitbringen. Zudem sei der Zugang zum Meer oft nicht möglich, sodass die Forscher nach Colònia de Sant Jordi ausweichen müssen.

Gemeinsam mit den Bremer Kollegen soll deswegen auch der Leuchtturm von Portocolom genutzt werden. Hier lässt sich nicht nur in Küstengewässern forschen, sondern – nach nur zwei, drei Stunden Bootsfahrt – auch in Meerestiefen bis zu 1.500 Meter. In der früheren Unterkunft des Leuchtturmwärters entstehen neben Mehrzweck- und Konferenzraum auch Schlafmöglichkeiten, ansonsten gibt es auch ein Hostal und Airbnb-Angebote in der Umgebung, wie Dubilier und ihre Kollegen bereits feststellen konnten. Das sei auch praktisch für Studentengruppen, für die es gemeinsame Bildungsangebote geben soll.

Symbiose mit Bakterium

Vor allem aber sind die Forschungsobjekte reichlich vorhanden – neben dem Wurm insbesondere das Seegras. Die posidonia vor der Küste werde gerade rund um Cabrera vorbildlich geschützt, lobt die Direktorin des Instituts. Beiträge zum Verständnis der für das Ökosystem so wichtigen Pflanzen haben die Bremer schon jetzt geleistet. In einer im Fachmagazin „Nature“ veröffentlichten Studie konnten sie zuletzt zeigen, dass die Gräser in ihren Wurzeln eine Symbiose mit einem Bakterium unterhalten. Es liefert den für das Wachstum notwendigen Stickstoff, umgekehrt erhält es vom Seegras Zucker für das eigene Wachstum – symbiotische Wechselbeziehungen, die bislang nur von Landpflanzen bekannt waren.

Ein Datum, wann die Max-Planck-Forscher ihre Arbeit auf Mallorca beginnen, gibt es noch nicht, es dürfte noch bis nächstes Jahr dauern. Aber das Projekt ist ohnehin langfristig angelegt. Der Kooperationsvertrag soll dann alle sieben Jahre erneuert werden, wenn es gut läuft. Dubilier hofft beispielsweise, eine Doktorarbeit vergeben zu können, in deren Rahmen Langzeitbeobachtungen in Portocolom möglich sind. Und nach Möglichkeit möchte sie ab und an selbst für Feldstudien vor Ort sein, nachdem sie sich die eine oder andere Witzelei von Kollegen über den neuen Forschungsstandort anhören durfte. „Ich habe schließlich nicht Meeresbiologie studiert, um immer vor dem Laptop zu sitzen.“