Es ist nicht so, dass es wenige Windräder im Hinterland der Playa de Palma gäbe. Die molins de vent, mit denen früher Wasser für die Felder gefördert wurde und die beim Anflug auf den Flughafen ins Auge fallen, prägen die Landschaft des Pla de Sant Jordi. Bei vielen jedoch fehlen einige Flügel oder es ragt nur ein rostiges Skelett aus dem Mauerwerk. Andere sind Ruinen. Es ist fast unmöglich, ein Exemplar zu finden, bei dem sich das Rad noch dreht.

Umso intensiver steht ein Windrad zwischen Son Ferriol und dem zweiten Palma-Ring im Fokus. An diesem windigen Morgen nehmen die 18 weiß-blauen Flügel ordentlich, aber geräuscharm Fahrt auf, während das Kamerateam eines TV-Senders die beste Perspektive sucht. „Sogar aus Mexiko wurde ich schon angerufen“, sagt José Pasqual. Denn das Windrad steht nicht nur für die Hoffnung, ein Stück Tradition wieder zum Leben zu erwecken, sondern auch für den Versuch, zumindest ein bisschen Windenergie auf Mallorca zu nutzen, nachdem die gesamte Tramuntana unter Landschaftsschutz steht. „Er produziert bereits Strom“, so der Ingenieur über den Prototyp.

Blick ins Innere des Windrads.

Blick ins Innere des Windrads. Nele Bendgens

Diesem Beispiel sollen im Rahmen des Projekts Molins Actius („aktive Mühlen“) 100 weitere Exemplare folgen. Die traditionellen Bauwerke werden zwar seit Jahren restauriert: Der Inselrat stellt Handwerker und Know-how, der Besitzer das Material. Doch Pasqual ist es wichtig, dass die Mühlen nicht nur Dekoration sind, sondern einen Zweck erfüllen. Nur dann sei sichergestellt, dass sie auch wieder geschätzt und gewartet würden, argumentiert der 74-Jährige, der schon vor 40 Jahren für den Energiekonzern Endesa Windkraftanlagen anschloss und heute dem Verband der Mühlenfreunde vorsitzt, der Associació Amics dels Molins.

Technik aus Ingolstadt

Wer genauer hinschaut, entdeckt denn auch den Generator hinter der Achse. Darauf prangt das Logo des deutschen Autokonzerns Audi. Die vier verketteten Kreise der Marke zieren auch die hölzerne Windfahne. Die E-Maschine, die jetzt Windkraft in Strom umwandelt, war zuvor in einem Elektroauto des Modells e-tron als Motor eingebaut, wie Francisco Trigueras am Telefon erklärt. Der Spanier, der bei dem Ingolstädter Konzern im Bereich Innovation arbeitet, war beim Mallorca-Urlaub 2017 auf die ungenutzten Windräder aufmerksam geworden und hatte das Projekt betriebsintern eingereicht. Und als dann nach einem Treffen mit Vertretern der Landesregierung der Kontakt zu Pasqual hergestellt war, sei alles wie von selbst gelaufen, erzählt Trigueras.

Der E-Motor ist über ein Zahnradgetriebe mit dem Windrad verbunden. Die Funktionsweise lässt sich mit Autofahren vergleichen: So wie ein E-Auto etwa bei der Abwärtsfahrt vom Sóller-Pass Energie zurückgewinne, sei der Motor des Windrads dauerhaft im Rekuperationsmodus. Zwar musste dafür die Leistungselektronik angepasst werden. Aber bei einer Windmühle seien sehr viel weniger Parameter zu berücksichtigen als im Fall eines Elektroautos.

Auf 15 Kilowatt Leistung bringe es das Windrad, versichert Pasqual, der für die Einspeisung ins Netz noch auf Installationsarbeiten von Endesa wartet. Mit einem ergonomischeren Design der Flügel wäre auch mehr Leistung drin – doch zumindest von außen sollen die Mühlen weiter so aussehen wie einst. Im Innern des Rumpfs wurde die gesamte, knapp hundert Jahre alte Technik ausgetauscht. Wo früher Schöpfkellen mechanisch Wasser aus der Tiefe förderten, gibt es jetzt jede Menge Elektronik inklusive einer Autobatterie, die den automatischen Betrieb ermöglicht: Passt die Windgeschwindigkeit – ideal sind zwischen 15 und 80 km/h –, wird das Rad in den Wind gedreht, bei Sturm dagegen die Windfahne eingeklappt.

Was von früheren Bauteilen erhalten ist, wird eingelagert. Der safareig, das Wasserbecken, bleibt im Gegensatz zu früher leer. Stattdessen fließt grüner Strom, mit dem sich im Laufe eines Jahres ein e-tron mit 95-kWh-Batterie rund 220 Mal aufladen lassen könnte. Zum Audi-Projekt gehören deswegen auch vier dieser Modelle, die dem Hotelkonzern Meliá zur Verfügugung gestellt wurden: Die Gäste sollen im Mallorca-Urlaub die E-Mobilität testen können. Sie laden zwar nicht direkt an der Windmühle auf, aber über das Netz kommt dann etwas vom Windstrom in die Autobatterie – und die Fahrt über die Insel wird in der Gesamtbilanz emissionsfrei, so die Theorie.

Wer macht mit?

Ob sich Audi neben dem Prototyp auch an der Umrüstung weiterer Windräder beteiligt, werde derzeit geprüft, so Trigueras. Die grüne Mühlenenergie soll in jedem Fall Baustein des ehrgeizigen Nachhaltigkeitsprojekts Alcúdia Tech Mar sein und könnte etwa zur Produktion von Wasserstoff genutzt werden. Welche Mühlen umgerüstet werden, will dabei genau überlegt sein. Sie müssten in solidem Zustand sein, gut erreichbar für die Montage sowie auch ausreichend einsehbar, sagt Pasqual. Und natürlich braucht es auch aufgeschlossene Mühlenbesitzer, die dann im Gegenzug mit Strom versorgt werden.

Wenn manch einer erst überzeugt werden muss, liegt das auch an einem Projekt, das vor 20 Jahren Ex-Balearen-Premier Jaume Matas in seiner Zeit als spanischer Umweltminister auf den Weg gebracht hatte und an dem auch Pasqual beteiligt war. Ein Teil der rund 500 Mühlen der Gemeinde Campos sollte zur Energieerzeugung umgerüstet werden. Das Projekt scheiterte, was der Ingenieur mit der Nachlässigkeit der Behörden und politischen Machtwechseln erklärt: Die Wartung blieb aus, die Mühlen hörten auf zu funktionieren.

Jetzt freilich ist auch die Technik weiter – die Mühle lässt sich etwa über das Smartphone überwachen –, ebenso wie die gesellschaftliche Debatte über Nachhaltigkeit. Zumindest etwas grüne Energie könnten also Mallorcas Wasserschöpfmühlen beitragen: Wohl rund 600 von insgesamt 3.000 sind ausreichend gut erhalten. 250 davon stehen in der Gegend von Alcúdia, Muro, Sa Pobla und Santa Margalida, 150 bei Campos, 200 bei Son Ferriol und Sant Jordi. Dass der Wind dort ausreichend weht, hat die Vergangenheit ja gezeigt.