Mallorca Zeitung

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So werden gerade die Abwasserprobleme in der Bucht von Palma gelöst

Das neue Regenüberlaufbecken ist fertig und könnte eigentlich schon in Betrieb gehen. Was man schon sehen kann – und was noch geplant ist

Das Regenüberlaufbecken - hier ein Viertel - fasst 50.000 Kubikmeter. MANU MIELNIEZUK

Es ist ein bisschen wie der Blick vom Zehn-Meter-Sprungbrett hinunter auf ein entleertes Schwimmbecken. Wir stehen auf einem Gerüst und schauen in die betongraue Leere. Von hier aus wird in Zukunft bei intensiven Regenfällen das Wasser aus der Kanalisation in das 101,5 Meter lange, 80,5 Meter breite und 7,4 Meter tiefe Becken bei Coll d’en Rabassa rauschen. Und hier bleibt es dann, bis die veraltete Kläranlage nebenan mit den Wassermassen klarkommt.

Eigentlich sollte das Regenüberlaufbecken längst in Betrieb sein. Doch die weltweiten Lieferschwierigkeiten haben auch Folgen für den tanc de tempestes. Bis die noch fehlenden Ventile und elektronischen Steuerelemente auf der Insel eintreffen, kann die Anlage von Palmas Stadtwerken Emaya nicht in Betrieb gehen. Wird es also noch klappen, bevor die alljährlichen Herbstgewitter mit heftigen Regengüssen Palmas Straßen überschwemmen? Sprecherin Aina Llauger nennt angesichts der Unwägbarkeiten kein Datum. Aber sobald die fehlenden Bauteile da seien, würden sie innerhalb einer Woche eingebaut, und ein zweiwöchiger Probebetrieb könne starten.

Eine lange Vorgeschichte

Die 15,5 Millionen Euro teure Investition hat eine zentrale Bedeutung für die Aufbereitung des Abwassers in der Balearen-Hauptstadt. Seit vielen Jahren fließt praktisch nach jedem stärkeren Niederschlag ein Gemisch aus Ab- und Regenwasser in die Bucht von Palma, weil Kanalisation und Kläranlage am Limit sind. Das hat nicht nur Folgen für das Ökosystem in der Bucht, insbesondere die bedrohten Seegraswiesen. Jedes Mal wird an den Stadtstränden auch die rote Flagge gehisst und damit ein Badeverbot ausgesprochen. Darüber hinaus beschäftigt sich inzwischen die Justiz auf den Balearen mit dem Abwasserskandal. Der früheren Emaya-Chefin Neus Truyol droht eine Anklage. Die Probleme gab es zwar schon vor ihrer Amtszeit, aber erst ab 2017 wurden sie öffentlich diskutiert. Truyol muss sich gegen den Vorwurf verteidigen, nicht effizient genug eingeschritten zu sein.

Die neue Anlage soll den bisherigen Komplex quasi umfassen. | GRAFIK: EMAYA

Drei Kilometer Rohrleitung

Beim Besuch auf dem Gelände der Kläranlage, zwischen dem Heizkraftwerk Cas Tresorer, der Flughafen-Autobahn, dem zweiten Ring und der Manacor-Schnellstraße, wird klar, wie die Probleme abgestellt werden sollen, langfristig wie auch kurzfristig. Nahe dem neuen Regenüberlaufbecken wird gerade eine Pumpstation fertiggestellt. Sie wirkt kleiner, als sie in Wirklichkeit ist, das Bauwerk reicht 14 Meter tief ins Erdreich. Hier endet eine rund drei Kilometer lange, rund zwölf Millionen Euro teure Rohrleitung, die zwischen dem Innenstadtring und der Kläranlage verlegt wurde. Sie soll in Zukunft das Regen-Abwasser-Gemisch aus dem gesamten Ostteil der Stadt zum Überlaufbecken leiten. Die Bauarbeiten sind seit Januar beendet, derzeit werden aber noch die Stadtteile Molinar und Portitxol angeschlossen. All diese Arbeiten werden aus der Abwassergebühr (canon de saneamiento) finanziert, die die Landesregierung erhebt.

Von der Pumpstation geht es dann zu einer Verteilstation, die das Wasser notfalls zum Ableiter in die Meeresbucht, direkt zur Kläranlage oder eben zum Regenüberlaufbecken leitet. Genau genommen sind es vier Becken. Das Wasser fließt zunächst in zwei kleinere, parallel angeordnete Depots. Sind sie gefüllt, dann schwappt das Wasser in zwei weitere, etwas größere Depots dahinter. Insgesamt fassen sie rund 50.000 Kubikmeter – ausreichend viel, um ein drohendes Badeverbot an den Stränden von Cala Estància und Can Pere Antoni in 90 Prozent der Fälle zu verhindern, so das Versprechen der Stadtverwaltung.

In den Wochen nach dem Regen werden die Becken dann nicht nur wieder geleert, sondern auch vom Schlamm gereinigt – gerade infolge der Gewitterschauer falle davon reichlich an, so Llauger. Der Boden des Beckens ist deswegen nicht nur seitlich abfallend, sondern auch in zehn Meter lange Bahnen eingeteilt, entlang denen der abgelagerte Schlamm entfernt wird. Das übernehmen sogenannte Spülkippen jeweils an der höchsten Beckenseite: Sobald diese netejadors basculants mit Wasser gefüllt sind, kippen sie zur Seite, und der Schlamm wird praktisch mit einem Schlag weggeschwemmt.

143 Millionen für neue Anlage

Derzeit steht das Regenüberlaufbecken noch etwas isoliert auf dem Gelände, in Zukunft aber wird es integriert sein in eine neue Kläranlage, deren Bau gerade öffentlich ausgeschrieben ist. Da die bisherige EDAR II – die Abkürzung steht für Estación Depuradora de Aguas Residuales – hoffnungslos veraltet ist, wird L-förmig um sie herum eine vollständig Neue geplant. Das fällt in die Zuständigkeit der spanischen Zentralregierung, sie stellt dafür knapp 143 Millionen Euro zur Verfügung, ein Teil soll mit EU-Geldern finanziert werden. Die künftige Baufirma hat dann laut den Vorgaben der Ausschreibung ein halbes Jahr Zeit für die Ausarbeitung des Projekts, 2,5 Jahre für den Bau sowie ein weiteres Jahr für die Inbetriebnahme. Selbst wenn die 420.000-Einwohner-Stadt Palma weiter wächst, dürften die künftigen Kapazitäten von bis zu 90.000 Kubikmetern pro Tag bis auf Weiteres ausreichen – nach Angaben von Emaya entsprechen sie der durchschnittlichen Abwasserproduktion von einer Million Einwohnern.

Das Gelände vor den Toren der Stadt wird also sein Gesicht verändern. Ein Hochwasserrückhaltebecken wurde bereits ausgehoben, als Ausgleich für die bebaute Fläche. Die Wege müssen noch asphaltiert, die Flächen begrünt werden. Die alte Kläranlage wird irgendwann zurückgebaut werden, auf dem Gelände könnten dann ein Verwaltungsgebäude oder ein Solarpark ihren Platz finden.

Bis es aber so weit ist, soll das Überlaufbecken das Schlimmste verhindern, ungesehen von den Augen der Öffentlichkeit sowie auch Besuchern der Kläranlage. Denn wo das Becken jetzt noch besichtigt werden kann, fließt dann hoffentlich ab Herbst das Wasser.

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