Das Mittelmeer wird nicht selten mit einer Badewanne verglichen – deutlich kleiner als der weite Ozean, ein zumindest teilweise geschlossenes System, und ordentlich warm wird es darin auch. Am Samstag (23.7.) waren es laut dem staatlichen Wetterdienst Aemet an der Playa de Palma und in Camp der Mar (Andratx) 29 Grad, an der Playa de Muro, der Cala Mesquida, Port de Sóller, Es Trenc und in der Cala Mondragó 28 Grad. Die Werte liegen schon seit Wochen 3 Grad und teilweise auch mehr über dem historischen Schnitt für diese Jahreszeit.

Und die Temperaturen dürften noch weiter steigen - die Wassertemperatur hinkt der Temperatur an Land immer etwas hinterher. Schon an diesem Wochenende erwartet Aemet für das Wasser in Strandnähe in der Bucht von Palma 30 Grad. Solche Extremwerte werden sonst allenfalls und nur punktuell Mitte August erreicht.

Wie die

Die Sonne allein ist nur ein Teil der Erklärung, auch wenn deren Strahlung die wichtigste Wärmequelle darstellt. Mélanie Juza, Wissenschaflterin im balearischen Meeresforschungszentrum SOCIB zählt als weitere Faktoren auf: den atmosphärischen Druck, den Wind, Niederschläge, Wolken sowie die Bewegungen des Wassers, und zwar sowohl horizontale Strömungen als auch vertikale Bewegungen, die sogenannte Tiefenkonvektion.

Was davon jeweils einen größeren Einfluss auf die Meerestemperatur hat, hängt von der geografischen Lage ab. „Die lokalen Faktoren sind sehr wichtig“, erklärt Mélanie Juza. Die Temperatur des Wassers vor den Balearen zum Beispiel werde wegen der hier geringeren Meerestiefe stärker durch die atmosphärischen Bedingungen beeinflusst als die Temperatur im Ozean.

So komplex das System des Mittelmeers, so umfassend die wissenschaftliche Beobachtung: SOCIB, das ist die Abkürzung für Sistema de Observación y Predicción Costera de las Illes Balears (Balearisches Küstenobservierungs- und Vorhersagesystem). Hier in der Forschungszentrale im Unternehmerpark Parcbit nördlich von Palma laufen Daten in Echtzeit ein, werden von einem multidisziplinären Team aus rund 50 Mitarbeitern ausgewertet und mit Forschern in aller Welt geteilt. Die Meerestemperatur ist dabei ein Wert von zentraler Bedeutung.

Im Einsatz sind auch Bojen, sogenannte Surface Drifter. | FOTOS: SOCIB

Tauchroboter und Schildkröten

Eine Karte zeigt an, wo gerade gemessen wird. Aktiv sind gerade zum einen acht „Surface drifter“, also Bojen an der Meeresoberfläche. Hinzu kommen neun „Profiler drifter“. Diese Auftriebskörper sinken bis zu 2.000 Meter tief und erfassen beim Aufsteigen die Temperaturwerte, sodass ein vertikales Profil entsteht, das dann an Satelliten übertragen wird. Und auch zwei „Glider“ sind im Einsatz, unbemannte Tauchroboter mit der Optik von Torpedos, die wochenlang ihre Kreise unter Wasser ziehen.

Das Instrumentarium vervollständigen vier feste Messstationen an der Küste, ein eigenes Forschungsschiff – sowie drei Schildkröten, die Sensoren auf ihrem Panzer tragen. Diese erfassen nicht nur die Bewegungen der bedrohten Tiere, sondern eben auch die Temperatur vor Ort. Bunte Linien auf der Karte zeigen an, welche Routen die Maschinen sowie auch die Tiere im Dienste des SOCIB zurückgelegt haben. Und sogar von oben wird gemessen: Die um die Erde kreisenden Satelliten liefern täglich frische Werte von der Wasseroberfläche.

Schildkröte mit aufgeschnalltem Sensor. Tomeu Canyellas Moragues

Ausreißer nach oben

Je nach Instrumentarium schwankt die vor der Balearen-Küste gemessene Temperatur. Ende Mai, als die MZ im SOCIB recherchierte, waren es gerade zwischen 17,7 und 21,3 Grad. Das war nicht nur mehr als der Durchschnittswert der seit Anfang der 1980er-Jahren gemessenen Werte zu dieser Jahreszeit. Das Wasser im Gebiet der Balearen war auch wärmer als 90 Prozent der Daten aus dieser historischen Reihe.

Momentaufnahme der Meerestemperatur (o.) und der Abweichung vom Durchschnitt (1982–2015). | KARTE: SOCIB

Die Meeresforscher sprachen schon Ende Mai von einem Extremereignis. In diesem Fall war es eine Folge der ersten Hitzewelle des Jahres Mitte Mai. Mehrere Tage lang knallte die Sonne aufs Meer. Weder filterte eine Wolkendecke die Strahlung, noch sorgte der Wind für merkliche Abkühlung an der Wasseroberfläche. Beinahe fünf Grad lag die Temperatur rund um die Balearen zwischendurch über den Langzeitdurchschnittswerten.

Jährliches Auf und Ab

Dabei unterliegt die Meerestemperatur deutlich geringeren Schwankungen als die Lufttemperatur. Das Wasser erwärmt sich langsamer und kühlt auch langsamer ab. Wissenschaftlich gesagt: Das Meer hat eine höhere Wärmekapazität als die Luft. Jeder Strandurlauber weiß: Im Herbst ist das Mittelmeer vor Mallorca weiterhin angenehm warm, im Frühling und Frühsommer dagegen noch recht frisch. Auf minimal 13 Grad sinkt die Temperatur im Winter, wobei der tiefste Wert Ende Februar erreicht wird, meteorologisch gesehen also schon fast im Frühjahr. Im Sommer waren es vor der Balearen-Küste im Schnitt maximal 26 Grad. „Wir hatten in der Bucht von Palma aber auch in Vorjahren schon einmal um die 30 Grad“, so die Wissenschaftlerin. Der sommerliche Scheitelpunkt wird normalerweise jeweils genau Mitte August erreicht.

Ein Tauchrober (Glider) misst die Meerestemperatur. | Foto: Socib

Und damit wären wir beim Thema Klimawandel. Trotz der Schwankungen von Jahr zu Jahr ist die Tendenz klar. Waren es Anfang der 1980er-Jahre im Durchschnitt 18,5 Grad, hat das jährliche Mittel im Gebiet der Balearen inzwischen Werte um die 20 Grad erreicht. Die steigende Tendenz, die seit vier Jahrzehnten beobachtet wird, verstärkte sich vor allem in den vergangenen zehn Jahren. Der Klimawandel werde sich im Gebiet der Balearen stärker auswirken als in anderen Meeresgebieten, warnt Mélanie Juza. Denn weil das Mittelmeer ein vergleichsweise kleines und halbgeschlossenes System ist, falle die Steigerung der Durchschnittstemperatur des Meeres hier sogar drei oder vier Mal höher aus als im Ozean.

Strömung und Auftrieb

Halbgeschlossen deshalb, weil beispielsweise über die Meerenge von Gibraltar im Sommer kühleres Wasser aus dem Atlantik ins Mittelmeer strömt und somit ebenfalls die Meerestemperatur beeinflusst. Aber auch das Auf und Ab im Wasser wirkt sich aus. Ozeanograf Vincent Combes vom Meeresforschungsinstitut Imedea spricht vom sogenannten Upwelling: Der Wind, der parallel zur Küste über die Meeresoberfläche weht, drückt das Wasser seewärts – ein komplexes Zusammenspiel zwischen Windschubkraft und der sogenannten Corioliskraft, die die Wasserbewegung auf der Südhalbkugel nach links, auf der Nordhalbkurgel nach rechts ablenkt. Durch diesen Effekt strömt kälteres Wasser aus der Tiefe nach und ersetzt das verdrängte wärmere Oberflächenwasser.

Dieses Zusammenspiel sei aber vor allem in den großen Auftriebsgebieten der Ozeane zu beobachten, gibt Wissenschaftler Combes zu bedenken. So kommt es beispielsweise, dass Peru in Südamerika trotz seiner subtropischen Lage kein Badeparadies ist.

Während also dort Upwelling durchaus massiv die Wassertemperatur beeinflussen kann, hänge die Wassertemperatur vor Mallorca stärker von den atmosphärischen Bedingungen ab. Jede Hitzewelle schlägt sich mit etwas Verspätung in einer Erhöhung der Meerestemperatur von zwei bis drei Grad nieder. Anders gesagt: Säßen wir in einer Badewanne, wäre es höchste Zeit, kaltes Wasser nachzulassen.