Was es mit den mysteriösen Feenkreisen im Meer vor Mallorca auf sich hat

Forscher haben sich mit den ringförmigen Neptungras-Gewächsen auseinandergesetzt

Teils wachsen die "Feenkreise" vor Pollença in Spiralen.

Teils wachsen die "Feenkreise" vor Pollença in Spiralen. / IFISC

Marlene Weyerer

Marlene Weyerer

Was wird den armen Aliens und Fabelwesen nicht alles unterstellt. Sobald in der Natur besondere Konstellationen zu beobachten sind, suchen Menschen nach übernatürlichen Erklärungen. Klassisches Beispiel dafür sind die Kornkreise: Muster, die aus ungeklärten Gründen in Feldern entstehen. In Schottland sollen Aliens außerdem Steinkreise aufgestellt haben, in europäischen Wäldern werden ringförmig wachsende Pilze Hexenkreise genannt, in den trockenen Steppen Namibias sind die gleichmäßigen Kahlstellen im Gras weitläufig als Feenkreise bekannt. 

Auch Mallorca hat solche „übernatürlichen“ Kreise, allerdings unter Wasser. Die Posidonia oceanica, zu Deutsch Neptungras, bildet vor Pollença und Alcúdia geometrische Formen. Eine Gruppe Wissenschaftler vom Institut für interdisziplinäre Physik und komplexe Systeme (IFISC) in Palma und dem Mittelmeer-Forschungsinstitut Imedea hat nun herausgefunden, woher die mallorquinischen Feenkreise kommen.

Neptungras im Meer vor Mallorca kommt in einen Teufelskreis

Die Antwort dürfte Märchenfans enttäuschen: Keine Feen, sondern Bakterien und Schwefelwasserstoff kreieren die Formen unter Wasser. Ähnlich wie die Feenkreise in Namibia umgeben die dunklen Seegrasringe kahle Stellen. Diese entstehen paradoxerweise dort, wo früher viel Posidonia gewachsen ist.

Denn viel Pflanzenmasse, die eng beieinander liegt, bedeutet auch einen guten Nährboden für anaerobe Bakterien, also solchen, die sich von Schwefel statt von Sauerstoff ernähren. Dabei produzieren die kleinen Wesen den für die Pflanze giftigen Schwefelwasserstoff. Doch das Neptungras stirbt nicht ohne einen letzten Kampf. „Wenn die Vegetation dicht genug ist, gibt es in dem Moment, in dem ein Teil der Pflanze abstirbt, auf der entgegengesetzten Seite einen Wachstumsimpuls“, erklärt Physiker Damià Gomila, der am IFISC die Studie zusammen mit Daniel Ruiz-Reynés geleitet hat. 

In diesem Moment entsteht eine Art Teufelskreis. Die Vegetation wächst wieder sehr dicht, führt zu einer hohen Schwefelkonzentration und vielen anaeroben Bakterien, die wiederum Schwefelwasserstoff erzeugen. Wieder stirbt die Pflanze im Inneren des Kreises und wächst dafür am äußeren Rand verstärkt. „Die Ringe werden im Laufe der Jahre größer“, sagt Gomila.

Feenkreise als letzte Warnung

Um das nachzuweisen, haben die Wissenschaftler Bilder von 1973 bis heute verglichen. Mit einem mathematischen Modell konnten sie das Wachstum der Pflanzen relativ genau imitieren. Die runde Form entsteht demnach recht natürlich. „Viele chemische und biologische Vorgänge ergeben eine solche Form, es ist eine Art universelles Verhalten“, sagt Gomila. Die Pflanzenschicht bleibt dabei etwa gleich breit, während der Kreis sich weitet und die kahle Stelle im Zentrum immer größer wird. Wenn zwei Ringe aufeinanderstoßen, entsteht ein großes kahles Zentrum. Zu viele Ringe können Neptungraswiesen somit auch komplett zerstören.

Zwei Feenkreise, die vor Pollença zusammenwachsen.

Zwei Feenkreise, die vor Pollença zusammenwachsen. / IFISC

Die Imedea-Biologen haben bei Feldstudien zudem herausgefunden, dass die Schwefelkonzentration in den kahlen Stellen von Jahr zu Jahr nachlässt. Dadurch können in den Ringen neue Pflanzen entstehen. „Aber nur, wenn die Umgebung das Wachstum begünstigt“, so Gomila.

Doch Hitze und Meeresverschmutzung führen vielmehr dazu, dass immer weniger Neptungras nachwächst. Nitrate, die über Abwässer ins Meer gelangen, erhöhen außerdem die Menge an Schwefel im Wasser und sorgen somit für mehr Feenkreise. „Diese Ringe sind die letzte Phase einer Neptungraswiese, bevor sie verschwindet“, erklärt Gomila. Sein Modell kann jedoch nicht vorhersagen, wie lange die Seegraswiesen vor Pollença und Alcúdia noch überleben werden. Das hänge von vielen äußeren Faktoren ab. „Es liegt in unserer Hand.“

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