Klimasünde oder "kein großer Wert"? Harter Kampf um die Maulbeerbäume von Sineu auf Mallorca

Die Gemeinde in der Inselmitte streitet um weitere Abholzung an der Ortsumgehung. Kann der Protest das verhindern?

Viele Einwohner wollen die Bäume erhalten.

Viele Einwohner wollen die Bäume erhalten. / Més

Joan Frau

Es ist was faul im Dorfe Sineu. Und viele meinen, es seien nicht die Baumstämme. Einige der Einwohnerinnen und Einwohner des fast genau in der Inselmitte gelegenen 4.000-Seelen-Ortes zürnen dem Bürgermeister Tomeu Mulet. Der konservative Politiker der Volkspartei PP hat die Order ausgegeben, zahlreiche Maulbeerbäume und Zürgelbäume an der südlichen Ortsumgehung abzuholzen. Der Bürgersteig an dieser Ortsumgehung zwischen der Wache der Guardia Civil und der Anbindung an die Landstraße nach Petra soll damit deutlich verbreitert werden. Dem sollen laut den Planungen aus dem Rathaus Dutzende Bäume zum Opfer fallen.

Und das wäre nicht das erste Mal. Auf dem Teilstück der Ortsumgehung zwischen der Anbindung an die Landstraße nach Lloret und der Guardia Civil, dem Carrer de Sant Joan, sind ähnliche Arbeiten inzwischen abgeschlossen, hier ließ das Rathaus 20 Maulbeerbäume abholzen und dafür Johannisbrotbäume pflanzen. Die sehen im Vergleich zu dem, was da einst stand, aber erbärmlich aus.

Die Abholzung ist eine "Klimasünde", findet Més

Den Protest gegen die Initiative von Tomeu Mulet hat federführend die Oppositionspartei Més in die Hand genommen. Sie warnt, dass 18 Maulbeer- und 24 Zürgelbäume in akuter Gefahr schweben. Més nennt die Arbeiten eine „Klimasünde“, die obendrein auch noch die Ästhetik des Dorfes zerstöre. Ein weiterer Grund gegen das Vorhaben sei, dass es sich bei den Bäumen um wichtige Schattenspender an heißen Sommertagen handle. Die Ortsumgehung wird von den Bewohnern von Sineu gern zum Spazierengehen, Joggen oder Radfahren genutzt. Der frühere Bürgermeister Miquel Gelabert von der Lokalpartei Gent per Sineu beklagt sich, dass man zwar bald ohne Wurzeln auf dem Weg, dafür aber auch ohne Schatten, ohne Grün und ohne Vögel dort spazieren gehen müsse.

An manchen Stellen wurde schon ordentlich abgeholzt.

An manchen Stellen wurde schon ordentlich abgeholzt. / DM

Sein Nachfolger im Amt und Initiator der Aktion verweist auf die schiere Notwendigkeit der Arbeiten. Die Maulbeerbäume, die abgeholzt würden, seien ohnehin „alt und innen verfault“, verteidigte sich Tomeu Mulet im Januar im „Diario de Mallorca“. Das Rathaus verfüge über schriftliche Einschätzungen von Experten, die dazu rieten, die Bäume zu entfernen. „Aus Sicherheitsgründen“, wie es heißt.

Bäume haben "keinen großen Wert", sagt der Bürgermeister

Zudem habe die Gemeindeverwaltung die Bäume ursprünglich erhalten und nur an einen anderen Platz verpflanzen wollen, nämlich auf den Parkplatz der Schule Rodamilans. Doch die Sachverständigen hätten aufgrund des Zustandes der Bäume davon abgeraten. Die Maulbeerbäume hätten ohnehin „keinen großen Wert“, sagt Tomeu Mulet. Bei den Zürgelbäumen sehe das anders aus. Hier wolle man die größtmögliche Zahl erhalten. Einige von ihnen allerdings hätten bereits mit ihren Wurzeln die Bürgersteige angehoben und müssten deshalb weg.

Bei diesen Worten packt Karen Navarro das kalte Grausen. Die Botanikerin und Naturheilpraktikerin lebt in Sineu und engagiert sich ebenfalls für den Erhalt der Bäume. Sie sagt, es gebe diese Berichte der vermeintlichen Experten gar nicht, zumindest seien sie auch nach mehrfachem Nachfragen nicht einsehbar. Navarro hat eine Unterschriftenaktion für den Erhalt der Bäume gestartet. Als die MZ sie erreicht, berichtet sie, dass ihre Liste mit 402 Unterschriften bereits im Februar im Rathaus eingereicht worden sei. Es werde weitere derartige Aktionen geben. „Auf meiner Liste haben viele Mallorquiner, aber auch viele Ausländer unterschrieben“, sagt Navarro.

Zwar nicht gefällt, aber heftig zurückgeschnitten

Zumindest, so die Katalanin, sei seit Beginn der Unterschriftenaktion kein weiterer Baum gefällt worden. Dafür seien einige der Exemplare in den vergangenen Tagen heftig und "schlecht zurückgeschnitten" worden. An die noch stehenden Exemplare haben Mitglieder der Partei Més und andere Fürsprecher der Bäume kleine Zettel mit der Aufschrift „SOS“ gehängt – inzwischen bereits mehrfach. „Denn die Zettel liegen meistens nach einem Tag auf der Straße.“ Offensichtlich von Anhänger des PP-Bürgermeisters Mulet abgerissen, vermutet Navarro.

Und Tomeu Mulet? „Er stellt sich tot“, sagt Karen Navarro. Er habe bisher kein einziges Mal mit ihr Kontakt aufgenommen, sei nicht zu sprechen. Dabei wolle sie in den Dialog treten. „Es ist ja nicht so, dass es keine Alternativen zur Abholzung gibt. Einige andere Optionen wurden bereits vorgebracht, unter anderem von Més.“ Aber das wolle er wohl nicht hören. Auch für die MZ ist Mulet nicht erreichbar. Auf eine Anfrage meldet er sich nicht.

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