So kann das Mittelmeer wieder zu einem reichhaltigen und resilienten Ökosystem werden
Gemeinsam gegen Überfischung: In Palma tagten die Mitglieder der Med Sea Alliance. Die MZ traf die Direktorin Karlijn Steinbusch zum Gespräch

Auf einer Karte verzeichnet die Med Sea Alliance illegale Fischerei in Schutzgebieten. | F.: MSA
Es ist ein bisschen seltsam, dieses Interview in einem großen Hotel an der Playa de Palma zu führen, umgeben von Urlaubern, die ihren Tag planen. Aber für Karlijn Steinbusch ist die Tourismusindustrie eine wichtige Zielgruppe in ihrem Einsatz für ein gesünderes und besser geschütztes Mittelmeer. „Unsere Arbeit besteht auch darin, Beweise für positive Nebeneffekte eines wirksamen Meeresschutzes zu sammeln – ein gesundes Meer ist auch für den Tourismus von Bedeutung“, erklärt Karlijn Steinbusch.
Die 38-jährige Niederländerin ist Direktorin der Med Sea Alliance, einem Zusammenschluss von mittlerweile 19 Nichtregierungsorganisationen, die in Sachen Meeresschutz tätig sind und sich dieser Tage in Palma trafen. Auch die balearische Marilles Stiftung ist mit von der Partie. „Bei unserer Gründung im Jahr 2020 war der Grundgedanke, dass wir gemeinsam mehr erreichen können.“
Der Überfischung Einhalt gebieten
Das gemeinsame Ziel ist, das Mittelmeer wieder zu einem reichhaltigen und resilienten Ökosystem zu machen – „und das kann nur gelingen, wenn wir der Überfischung Einhalt gebieten“, sagt Steinbusch. Das Mittelmeer galt lange als das am meisten überfischte Meer der Welt. Erst bei der jüngsten Erhebung der weltweiten Bestände habe der Südostpazifik dem Mittelmeer diesen „Rang“ abgelaufen, berichtet Karlijn Steinbusch. Trotzdem sei es noch ein weiter Weg zu einem gesunden Gleichgewicht zwischen Fischfang und Bestandswahrung.
Um dahin zu gelangen, arbeitet die Med Sea Alliance in drei Stoßrichtungen. „Zum einen wollen wir aufzeigen, welche Auswirkungen illegale Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten hat. Dazu haben wir einen Atlas veröffentlicht, auf dem alle Meeresschutzgebiete verzeichnet sind. Gleichzeitig versuchen wir zweitens zu überwachen, ob die Verbote eingehalten werden“, erklärt die Niederländerin. Dazu nutzt die Mitgliedsorganisation Global Fish Watching die von Satelliten aufgefangenen Daten der Automatischen Identifikationssysteme (AIS). Das sind Sender- und Empfängersysteme, die laut EU-Gesetzgebung auf allen Schiffen über 15 Meter Länge installiert sein müssen.

Wendet sich auch an die Tourismusindustrie: Karlijn Steinbusch. / FOTO: NELE BENDGENS
Mit diesen Daten und dem Atlas kann die Med Sea Alliance mutmaßliche Verstöße gegen Fischereiverbote feststellen und bei den zuständigen Behörden melden. „Unser Ziel ist, dass bestehende Vorschriften strenger eingehalten und Verstöße auch tatsächlich bestraft werden. Geschützt heißt nun einmal geschützt.“ Was die jeweiligen Nationalstaaten tatsächlich mit den übermittelten Daten machen, bleibt deren Sache. „Wir wissen, dass italienische Kontrollbehörden eine Untersuchung in den betroffenen Regionen gestartet haben und auch einige Strafen verhängten. Was die anderen Länder angeht, haben wir keine Informationen“, sagt Karlijn Steinbusch.
Es fehlt nicht nur an Geld
Für eine wirksame Kontrolle von Meeresschutzgebieten fehlt es den Staaten teils an finanziellen Mitteln, teils am Willen. Zudem haben längst nicht alle Meeresschutzgebiete auch einen Management-Plan, Steinbusch spricht von paper parks, die nur auf dem Papier existieren. Dabei brauche es messbare Indikatoren, um die Auswirkungen einer Unterschutzstellung prüfen und darstellen zu können. Die sei nötig, um in Punkt drei voranzukommen: Eine massive Ausdehnung bestehender und die Ausweisung neuer Schutzgebiete. Derzeit stehen nur 0,23 Prozent des Mittelmeers unter striktem Schutz. In diesen Gebieten darf gar nicht gefischt werden, damit sich die Bestände erholen können. „Wir wollen, dass sich der Anteil dieser strikten Schutzgebiete bis 2020 auf zehn Prozent erhöht, und der Anteil der wirksam geschützten (in denen etwa handwerkliche Fischerei erlaubt ist, Anm. d. Red.) auf 30 Prozent.“
Gelingen kann das nur, wenn man an mehreren Fronten gleichzeitig tätig ist. Zum einen gehe es darum, Druck auf die Anrainerstaaten auszuüben, die letztlich die Entscheidung treffen müssen, welche ihrer Meeresgebiete unter welchen Schutz gestellt werden. „Spanien und auch die Balearen machen da einen guten Job“, attestiert Steinbusch.
Fischer sind wichtige Ansprechpartner
Ebenso wichtig sei es, die Betroffenen einzubinden. Lokale Fischer sind wichtige Ansprechpartner, und gar nicht so renitent, wie man glauben könnte. Das zeige etwa die Erfahrung der Mediterranean Conservation Society in der Türkei. Die Einbindung der Fischer, die sowohl Daten erhoben als auch mit Bodycams ausgestattet die Einhaltung des Fangverbots in den Schutzgebieten des Golfs von Gökova überwachten, war ein voller Erfolg und führte zu einer Ausweitung der Schutzgebiete durch die türkische Regierung.
Denn selbst wenn das Schutzgebiet noch so klein ist: Die positive Auswirkung macht sich nach wenigen Jahren bemerkbar. Die Fischer hätten dann nicht nur mehr, sondern auch größere Fische in ihren Netzen. Und auch die Bestände anderer bedrohter Meerestiere wie Mönchsrobben, Schildkröten und Wale profitieren selbst von kleinen Schutzgebieten. „Die lokale Bevölkerung ist stolz auf diese Erfolge, das spricht sich herum, und dann fordern die Menschen auch in anderen Regionen solche Schutzgebiete und üben so Druck auf ihre jeweiligen Regierungen aus.“
Mehr Informationen notwendig
Doch oft fehlt es schlicht an Informationen über besonders schützenswerte Gebiete. Vor allem, wenn diese sich nicht in Küstennähe, sondern auf dem offenen Meer befinden. Dort finden sich in größerer Tiefe beispielsweise Korallenriffe, die vielen Meerestieren als Lebensraum dienen und von Schleppnetzfischerei bedroht sind. Sie zu finden und zu katalogisieren ist auch für die Med Sea Al- liance nicht einfach – und vor allem teuer.
Gedeckt werden diese Kosten aus privaten Mitteln. Drei große Stiftungen stehen hinter der Med Sea Alliance: die in den Niederlanden angesiedelte Adessuim Stiftung, bei der Steinbusch sechs Jahre lang direkt tätig war, die in Frankreich ansässige Fondation Didier et Martine Primat und die US-amerikanische Organisation Oceans 5. Sie alle sind „philanthropisch orientiert“ und ermöglichen es der Med Sea Alliance, Gehälter und Ausrüstung zu bezahlen. „Dass wir keinerlei Finanzierungen von Regierungen erhalten, macht uns unabhängig und erlaubt es uns, den nötigen Druck aufzubauen und diese zum Handeln zu bewegen“, so Steinbusch.
Neben Landesregierungen stehen auch internationale Organisationen wie die EU und die UN auf der Liste der Ansprechpartner. Ginge es nach der Med Sea Alliance, sollten künftig alle Boote mit automatischen Identifikationssystemen ausgestattet sein, um mehr Transparenz zu erlauben. „Wir müssen wissen, wer wo fischt, um aufzuzeigen, dass es mehr Kontrollen braucht. Und wir müssen erreichen, dass bereits bestehende Vorschriften eingehalten werden, und entsprechende Verstöße auch tatsächlich bestraft werden.“
Abonnieren, um zu lesen
- Isi Glück hat sich für den Playboy ausgezogen - was ihr Mann Carlos Lucio zu den Fotos sagt
- Wollte vom Balkon in den Pool springen: Deutscher Mallorca-Urlauber erliegt Verletzungen
- So nennt 'Goodbye Deutschland'-Auswanderin Danni Büchner ihren Intimbereich und auf diese Männer steht sie
- Beim Beklauen von Urlaubern erwischt: Nationalpolizei nimmt elf Diebe an der Playa de Palma fest
- Promi-Saison auf Mallorca eröffnet: Diese Stars sind derzeit auf der Insel
- Polizei klagt über Urteil gegen deutschen Urlauber: 'Selbst zu dritt ist es fast unmöglich, einen Betrunkenen festzuhalten
- Das passiert in Palma im Sommer, wenn die Sonne einen Tag lang nicht scheint
- Endlich Abkühlung': Mallorca wacht ohne Hitze auf