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Projekt des Palma Aquarium: Seepferdchen finden vor Mallorca ein neues Zuhause

Seit über zwei Jahren züchten Experten der Einrichtung Seepferdchen, um die Population vor Mallorca wieder aufzubauen. Nun setzten sie diese wundersamen Tiere erstmals in Gegenwart der Presse aus

Schnell suchten die jungen Fische Schutz im Seegras.

Schnell suchten die jungen Fische Schutz im Seegras. / PALMA AQUARIUM FOUNDATION

Jasmin Hickman

Jasmin Hickman

Frühmorgens im Hafen von Port d’Andratx. Die Touristen schlafen noch. Doch vor dem Elektrokatamaran „Blue Circle“ herrscht reges Treiben. Tauch-Equipment wird an Bord gehievt, die ankommenden Pressevertreter begrüßt, und das wissenschaftliche Team der Stiftung Palma Aquarium bespricht noch einmal seinen Einsatz. Carolina Vidal, Meeresbiologin und Technische Leiterin der Stiftung, steht schützend vor einer grauen Truhe am Heck der „Blue Circle“. Sie hebt den Deckel an und blickt voller Stolz auf einen durchsichtigen Eimer, in dem sich vier junge Seepferdchen zwischen Seegras verstecken.

Es ist so weit! Monatelang haben sich Vidal und ihr Team fürsorglich um die kleinen Seepferdchen gekümmert. Sie ab dem Tag ihrer Geburt mit winzigen Krebstieren und Plankton aufgepäppelt. Die vier jungen Kurzschnäuzigen Seepferdchen sind nun ein Jahr alt und kräftig genug für die freie Wildbahn. Die Insel Sa Dragonera vor Sant Elm wird ihr neues Zuhause.

Population hat sich stark verringert

„Wir haben uns den Ort ganz genau überlegt, die Dracheninsel ist perfekt. Sie steht seit 1995 unter Naturschutz, es gibt genügend gesunde Seegrasbestände, und Fischerei ist gänzlich verboten“, sagt Vidal. „In den vergangenen Jahrzehnten ist der Bestand der Seepferdchen stark zurückgegangen. Die im Mittelmeer vorhandenen Populationen haben sich um 25 bis 30 Prozent verringert“, erklärt Debora Morrison, Direktorin des Bereichs Naturschutz der Stiftung Palma Aquarium. „Angesichts dieser besorgniserregenden Daten haben wir entschieden, dass es Zeit wird, die bestehenden Populationen rund um Mallorca zu unterstützen.“

Ein Abkommen zwischen der Stiftung Palma Aquarium und der Banca March brachte das Projekt „Cavallets de mar Balears“ im März 2022 auf den Weg. Finanziert wird das Auswilderungsprogramm durch einen von der Banca March 2019 ins Leben gerufenen nachhaltigen Investmentfonds namens „Mediterranean Fund“.

Der Transport erfolgte in einem Eimer.  |

Der Transport erfolgte in einem Eimer. / Palma Aquarium

Moderne Partnerschaft

„Wir haben ein Pärchen Kurzschnäuziger Seepferdchen und ein Pärchen Langschnäuziger Seepferdchen in unserem Institut zusammengeführt, akklimatisiert und zur Reproduktion stimuliert“, erklärt die Meeresbiologin Vidal. Die Fortpflanzung ist bei Seepferdchen besonders interessant: Bei ihnen übernimmt nämlich das Männchen die Brutpflege. Während des Paarungstanzes, der mehrere Tage dauern kann, überträgt das Weibchen seine Eier in eine spezielle Brutkammer im Bauch des Männchens.

Diese Brutkammer bietet den Eiern Schutz und eine optimale Umgebung für die Entwicklung. Nach einer Tragzeit von etwa zwei bis vier Wochen bringt das Männchen die vollständig entwickelten Jungtiere zur Welt, die sofort unabhängig sind. Seepferdchen leben aber nicht nur in einer sehr modernen Partnerschaft, sie sind auch unglaublich treu. Hat sich ein Paar erst einmal gefunden, bleibt es ein Leben lang zusammen.

„Sobald der Nachwuchs geschlüpft ist, beginnt das Aufziehen und die Ernährung der Neugeborenen. Das ist die komplizierteste Phase des Vorhabens. Die Seepferdchenjungen sind ungefähr einen Zentimeter groß und benötigen aufgrund ihrer geringen Größe und des Gewichts ganz besondere Pflege“, erläutert Carolina Vidal. Damit die Jungtiere schon früh daran gewöhnt werden, verschiedene Arten von Plankton zu fressen, hat das Team der Stiftung ein Labor für die Produktion von unterschiedlichem Plankton eingerichtet.

Die neue Heimat der Seepferdchen.  |

Die glücklche Ziehmutter Carolina Vidal. / Jasmin Hickman

Langsam nähert sich die „Blue Circle“ ihrem Zielort, einer kleinen Bucht vor der Insel Dragonera. Es ist nicht das erste Mal, dass die Seepferdchen des Programms ausgesetzt werden, aber es ist das erste Mal vor den Augen der Presse. Ein letzter prüfender Blick auf die kleinen Hoffnungsträger, dann bringen die Taucher sie zu einer flachen Stelle mit gesundem Seegras. In fünf Metern Tiefe öffnen sie die Eimer, und die kleinen Fische, die aussehen wie Fabelwesen, schwimmen in ihre neue Heimat.

Seepferdchen gehören zur Familie der Seenadeln und Fetzenfische und werden auch Hippocampus genannt. Ihr Name leitet sich aus dem Griechischen ab, wobei hippos Pferd und kampos Seemonster bedeutet. Es gibt rund 46 Arten, die in tropischen und gemäßigten Gewässern weltweit vorkommen. Im Mittelmeer leben nur zwei Arten, das Langschnäuzige (Hippocampus guttulatus) und Kurzschnäuzige Seepferdchen (Hippocampus hippocampus). Viele Seepferdchenarten sind in der Lage, ihre Farbe zu wechseln, um sich besser an ihre Umgebung anzupassen und sich zu tarnen.

Die glückliche Ziehmutter Carolina Vidal.  |

Die neue Heimat der Seepferdchen. / Jasmin Hickman

Seegraswiesen sind ihr Zuhause

Klimawandel, Meeresverschmutzung und Fischerei setzen den Tieren zu. Aber die größte Gefahr geht von der Zerstörung ihres Lebensraumes, den Seegraswiesen aus“, erklärt Debora Morrison. Seepferdchen sind schlechte Schwimmer. Statt großer Flossen haben sie einen Greifschwanz, mit dem sie sich an Seegrashalmen festhalten. Haben sie erst einmal eine passende Wiese gefunden, bleiben sie ihr Leben lang dort. Sie sind sehr ortstreu. Deshalb ist es auch so wichtig, die Posidoniawiesen rund um Mallorca zu schützen.

Neben den vier Jungtieren haben die Meeresbiologen auch noch ein Seepferdchen-Pärchen in die Freiheit entlassen. „Sie haben ihren Beitrag geleistet und uns dabei geholfen, eine neue Generation vor Mallorca ansiedeln zu können“, erklärt Vidal. In etwa einer Woche werden die Mitarbeiter wieder nach ihnen schauen und überprüfen, wie es ihnen geht. „Ich bin voller Hoffnung, dass sie es schaffen werden!“, sagt die überglückliche Projektleiterin Carolina Vidal.

Hoffnung und Freude macht sich auch an Bord der „Blue Circle“ breit, als bekannt wird, dass die Banca March dieses wichtige Projekt zur Erhaltung der Seepferdchenpopulation noch um zwei weitere Jahre verlängert hat.

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