Als Autofahrer meidet man Radarfallen oder steigt reflexartig aufs Bremspedal, sobald man einen Blitzer am Straßenrand erspäht. Die Zahl der Radsportler auf Mallorca hingegen, die bewusst an einem kleinen schwarzen Kasten vorbeifahren und dabei sogar noch kräftig in die Pedale treten, wird seit einigen Wochen immer größer. Denn an drei beliebten Bergstrecken der Insel - die Serpentinenstraße von Sa ­Calobra, von Caimari auf den Coll de Sa Batalla bei Lluc und auf den heiligen Puig Randa in der Gemeinde Algaida - sind seit Kurzem Zeitmesser installiert, die auf die Sekunde genau aufzeichnen, wie lange ein Radler bis zum Gipfel strampeln musste.

Hinter dem System steckt Hans-Jürgen Wirth aus Bad Waldsee in Baden-Württemberg, der damit nicht nur auf Mallorca Neuland betritt. „So was gibt es noch nicht mal in den Alpen." Wobei in der Schweiz bereits Interesse an seiner Technik bestünde - dort allerdings, um das Tempo von Skilangläufern zu erfassen. Auf die Idee kam der Oberschwabe, der seit rund zehn Jahren zwischen Deutschland und seiner Finca in der Gemeinde Muro pendelt, im Gespräch mit Bekannten, die regelmäßig zum Radfahren auf die Insel kommen. „Da bekam ich mit, dass die sich durchaus untereinander vergleichen und sich mit anderen messen wollen."

Wie das möglich ist, hatte Wirth schon vor Jahren beim Radsportverein Friedrichshafen gesehen, der an einem Berg ausrangierte Stechuhren aus einer Fabrik montiert hatte, an der die Radler im Tal und am Gipfel stempeln und die Karte anschließend in einen Briefkasten werfen konnten. „Nach einer Woche konnte man dann im Internet sein Ergebnis sehen."

Im 21. Jahrhundert sollte das auch schneller gehen und vor allem ohne abzusteigen, fand der ehemalige Bauunternehmer. „Das würde ein Verkehrschaos geben und niemals genehmigt werden."

Er machte sich deshalb auf die Suche nach der passenden Technik, die er schließlich bei der Firma Race Result in Karlsruhe fand. Diese stellt nicht nur die Chips her, die sich etwa Marathon­läufer zur Zeitmessung an den Schuh schnallen, sondern auch sogenannte Passiv-Transponder ohne Batterie, nicht dicker als eine Boardingkarte fürs Flugzeug, die wie eine Startnummer am Fahrrad befestigt werden. Beim Vorbeifahren an einem der mit Solarzellen betriebenen Messgeräte, die via SIM-Karte stets mit dem Internet verbunden sind, startet beziehungsweise endet die Aufzeichnung. „Und oben kann man dann gleich auf dem I-Phone sehen, wie schnell man war", erklärt Wirth.

Gemessen werde jedoch nur bergauf. „Dafür haben wir uns bewusst entschieden, da die Leute sonst bergab zu sehr rasen würden, und die Unfallgefahr zu groß wäre."

Um den Service zu nutzen, muss man sich auf Wirths Website registrieren und für 9 bis 11 Euro, je nach Strecke, einen Einmal-Transponder erwerben. Erhältlich sind diese bislang an fünf Max Hürzeler-Bike­stationen auf der Insel, mit denen Wirth kooperiert.

Unter den Radfahrern spricht sich das neue Angebot langsam herum, von Tag zu Tag werden die Namen in den Ergebnislisten mehr - wobei die deutschen Nutzer zumindest zahlenmäßig dominieren.

Allerdings hat inzwischen auch die Mallorcas Inselrat unterstellte Straßenbaubehörde von den seltsamen schwarzen Kästen Wind bekommen und Hans-Jürgen Wirth umgehend darauf hingewiesen, dass diese nicht überall ohne Weiteres stehen bleiben können.

Dabei hat dieser die Zeitmesser keineswegs ohne Genehmigung aufgestellt. Mit einem detaillierten Projektentwurf ist er im Herbst 2013 in den Rathäusern von Selva, Escorca und Algaida vorstellig geworden. Alle drei Bürgermeister waren begeistert und gaben ihren Segen.

„In Caimari war der Bürgermeister sogar bei den Bauarbeiten zum Aufstellen der Geräte vor Ort." Und an einigen Stationen, etwa am Puig Randa und an der Tankstelle am Coll de Sa Batalla stehen die Kästen ohnehin auf Privatgrund­stücken, sodass Wirth auf Anraten der Gemeinden lediglich einen Vertrag mit den Eigentümern schloss. Einer davon ist der Besitzer des Hotels Santuario de Cura auf dem Berg Randa, der im Gegenzug Werbung auf der Bergzeithelden-Homepage bekommt.

Als sich der Inselrat insbesondere wegen der Zeitmesser in Caimari und an der Straße nach Sa Calobra zu Wort meldete, präsentierte Wirth sein Vorhaben - inklusive der von den Gemeinden erteilten Genehmigungen - auch dort. Allerdings schickte ihn die Straßenbaubehörde zur balearischen Tourismusagentur ATB, weil zum Aufstellen der Geräte ein „öffentliches Interesse" bescheinigt werden müsste - das unter anderem besteht, wenn eine Maßnahme zur Belebung der Nebensaison beiträgt.

Die ATB aber verwies Wirth wiederum an die Gemeinden. „Da biss sich die Katze in den Schwanz", sagt der Schwabe. In Caimari werde man den Apparat jetzt wohl einfach einige Meter verrücken, damit er innerhalb des Ortes stehe, wo nur die Gemeinde zuständig ist. Und im Falle von Sa Calobra will Wirth nun mit den Eigentümern des Restaurants oder ehemaligen Hotels verhandeln, ob das Gerät auf deren Grund stehen dürfte. „Zudem handelt es sich aber um Naturschutzgebiet und deshalb reicht allein die Erlaubnis des Grundstücksbesitzers möglicherweise nicht aus", sagt Wirth und schüttelt ratlos mit dem Kopf. „Der Inselrat prüft das jetzt noch mal." Bis auf Weiteres können die Radler aber Gas geben - die „Blitzer" bleiben erst mal stehen.

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