„Wir sind ein bisschen wie die Guerrilla", sagt Kommandant Francisco José Domingo. „Wir können jederzeit und überall auftauchen." Sei es mit mobilen Radargeräten oder Laserferngläsern - die Fahrer auf Mallorca sollen sich niemals unbeobachtet fühlen. Domingo bestätigt das Gefühl vieler Autofahrer, dass die Kontrollen verschärft worden sind - vor allem auf den Nebenstraßen, wo sich die mit Abstand meisten Unfälle ereigneten.

Domingo befehligt die Einheit der Guardia Civil auf den Balearen, die als Verkehrspolizei außerhalb geschlossener Ortschaften fungiert. Da Raserei als eine der Haupt­ursachen für Verkehrsunfälle gilt, widmen die Beamten den Geschwindigkeitskontrollen immer mehr Zeit. In diesem Jahr fanden auf Mallorca bereits zwei Schwerpunktkampagnen statt, die nächste ist für den Zeitraum 18. bis 24. August angesetzt.

Verkehrsbehörde und Guardia Civil verfolgen beim Kampf gegen die Raserei eine doppelte Strategie. Einerseits steht Abschreckung im Vordergrund: Die fest installierten Radarfallen auf Mallorca, die ab 2008 auf den Hauptstrecken und 2011 auf den Nebenstrecken in Stellung gebracht wurden, sind keine Geheimsache - jeder soll wissen, wo er geblitzt werden kann. Die balearische Verkehrsbehörde überlässt der MZ denn auch bereitwillig eine Karte mit allen Standorten inklusive genauer Kilometer-Angaben. Andererseits lässt sich die Guardia Civil bei ihrer „Guerrilla-Taktik" nicht in die Karten schauen: Die Zahl zuständiger Mitarbeiter und der mobilen Messgeräte oder auch die Orte, wo sie vor allem in Stellung gebracht werden - all das ist geheim.

Deswegen ist Domingo auch auf die Facebook-Seite „Radares Baleares" schlecht zu sprechen, wo sich rund 14.000 Fans in Echtzeit die Standorte der Blitzer verraten. „Fotograf hinter Büschen vor dem Kreisel Manacor-Algaida", steht da zum Beispiel. Und gleich darunter der Kommentar: „Jetzt nicht mehr. Die Sonne blendet, er ist weg." Die Facebook-Seite sei zum einen wenig nützlich, da die Beamten vor Ort ohnehin sofort reagierten und den Standort wechselten, meint Domingo. Zum anderen verstießen die Autofahrer gegen die Verkehrsregeln, wenn sie bei der Fahrt das Handy zückten, um ein Blitzgerät zu fotografieren.

Auch wenn die Bußgelder zuletzt ordentlich angehoben wurden - fällig werden laut der Anfang April in Kraft getretenen neuen spanischen Verkehrsordnung 90 bis 600 Euro sowie zwei bis sechs Punkte - gehe es keinesfalls darum, in Zeiten knapper Haushalte neue Einnahmen zu erschließen, beteuert Domingo ungefragt. „Ich habe niemals Vorgaben für eine bestimmte Zahl von Anzeigen bekommen." Abzocke sei mit der Polizistenehre nicht vereinbar. Einziges Ziel sei es, die Zahl der Unfälle zu reduzieren - eine Strategie, die aufgeht: In Folge härterer Strafen, Punkte-Führerschein, Aufklärung und mehr Kontrolle ist die Zahl der Verkehrstoten auf den Balearen in zehn Jahren um zwei Drittel auf 43 im vergangenen Jahr gesunken.

Beim Kampf gegen die Verkehrssünder müssen Verkehrsbehörde und Guardia Civil Hand in Hand arbeiten: Die Behörde entwickelt die Zielvorgaben, verschickt die Strafbescheide und erfasst die Statistik. Kommandant Domingo und seine Leute setzen die Zielvorgaben um, legen aber Wert darauf, keine nachgeordnete Behörde zu sein - die Guardia Civil ist schließlich eine eigene organisatorische Einheit.

So habe man auch keinen Einfluss darauf, wie lange die Zustellung der Bußgeldbescheide brauche, meint Domingo. Denn immer wieder kommt es vor, dass Autofahrer mehrere Tage oder Wochen hintereinander derselben Radarfalle zum Opfer fallen - und ihren Fehler erst merken, wenn Monate später ein Stapel Bußgeldbescheide zugestellt wird. Dabei läuft der Prozess weitgehend automatisch ab: Die geschossenen Fotos werden inzwischen direkt in die Zentrale in León übertragen, wo dann die Knöllchen ausgestellt werden.

Stets direkt kassiert wird dagegen bei ausländischen Urlaubern, die Opfer mobiler Radargeräte werden. Begleiteten die Beamten früher den Autofahrer bis zum nächsten Geldautomaten oder zum Hotel, um an Bargeld zu kommen, und drohten mit der Stilllegung des Fahrzeugs, können Verkehrssünder jetzt ihre Kreditkarte zücken. „Das erspart auch uns viel Zeit", sagt Domingo. „Die Leute sollen zahlen und weiterfahren."

Der Kommandant geht zudem davon aus, dass in den kommenden Wochen die Ausführungsbestimmungen für die neue Verkehrsordnung stehen, die das Kassieren von Bußgeldbescheiden im EU-Ausland ermöglichen. Die zugrunde liegende EU-Richtlinie von 2011 sieht den grenzüberschreitenden Datenaustausch für acht Verkehrsdelikte vor, und überhöhte Geschwindigkeit ist eine davon. So sollen in Zukunft auch die Urlauber belangt werden, die Opfer der festinstallierten Radarfallen werden - und bislang mangels Wohnsitz in Spanien ungeschoren

davonkamen.

Auch in Sachen Technik rüstet die Verkehrsbehörde weiter auf: Seit April dieses Jahres ist spanienweit ein zweiter Hubschrauber in der Luft. „Pegasus", wie das 160.000 Euro teure Fluggerät heißt, erfasst die Verkehrssünder noch aus 300 Metern Höhe und in einer Distanz von bis zu einem Kilometer. Wie oft er über Mallorca im Einsatz ist, verrät die Verkehrsbehörde natürlich nicht.

Zwei weitere Methoden jedenfalls kommen auf der Insel nicht zum Einsatz. So verfügt die Guardia Civil laut Domingo über keine Laserpistolen. Zudem stellt die balearische Verkehrsbehörde klar, dass die etwa auf der Ringautobahn von Palma installierten Induktionsschleifen im Asphalt nicht der Geschwindigkeitskontrolle dienen, sondern dazu da sind, die Fahrzeuge zu zählen.

Und in einem Fall drücken die Verkehrshüter sogar offiziell ein Auge zu: Autos und Motorräder dürfen laut der spanischen Verkehrsordnung beim Überholen auf konventionellen Landstraßen bis zu 20 Stundenkilometer schneller fahren, als auf den Verkehrs­schildern steht.