Als erfahrener Verkehrsteilnehmer auf Mallorca wissen Sie das: Früh morgens und am späten Nachmittag sind es die Berufspendler, die den Verkehr lahmlegen. Weiter gilt es zwischen 8 und 9 Uhr sowie zwischen 14 und 16 Uhr alle Straßen und Wohnviertel zu vermeiden, in denen eine der über 500 Schulen auf Mallorca liegt. Und bei jedem heftigen Regen bricht der Autoverkehr vollständig zusammen. Und auf der Via Cintura - der Ringautobahn rund um Palma - dauert die Hauptverkehrszeit gefühlte 24 Stunden.

Shopping und Schauer

Diese Stressfaktoren legten in der vergangenen Woche den Verkehr endgültig lahm: Der Ansturm auf das neue Einkaufszentrum FAN Mallorca verwandelte die Flughafenautobahn tagelang in einen langgezogenen Parkplatz. Die Autoschlangen erreichten teilweise eine Länge von acht Kilometern. Und die heftigen Gewitterregen setzten zahlreiche Landstraßen im Umland außer Gefecht: Überschwemmungen, Straßensperren und Bauarbeiten machten aus dem dichten Straßennetz ein unberechenbares Glücksspiel. Ein Wasserrohrbruch an Palmas Avenida Argentina legte am Dienstag (27.9.) zwölf Stunden lang eine der Hauptadern des Stadtverkehrs lahm.

Jeden Tag 170.000 Autos

Und das sind nur die akuten Probleme. Der Verkehr auf Mallorca platzt aus allen Nähten, wie das Zahlenwerk des Inselrats beweist. Auf Teilstrecken der Via Cintura sind jeden Tag rund 170.000 Fahrzeuge unterwegs. Das ist der Tagesdurchschnitt des Jahres 2015. Zwei Jahre zuvor waren es noch 12.000 Fahrzeuge weniger. Für 2016 geht die Verkehrsbehörde von einer Steigerung um 6 oder 7 Prozent aus. Also täglich noch mal fast 12.000 Fahrzeuge mehr. Palmas Ringautobahn gehört damit zu den meist befahrenen Verkehrsadern Spaniens, wie die Statistiken des Straßenamts belegen.

Umfrage: Nehmen die Staus in Palma überhand?

Zum Glück finden Politiker tröstende Worte für alle diejenigen, die im Stau stehen, und sehen auch die positiven Aspekte der Zahlen- und Autokolonnen. So führt die für Raumordnung zuständige Dezernentin im Inselrat, Mercedes Garrido, den wachsenden Verkehr vor allem auf den Konjunkturaufschwung zurück: „Vor drei Jahren befanden wir uns noch mitten in der Wirtschaftskrise. Viel weniger Menschen hatten Arbeit. In diesem Jahr hingegen spüren wir den Aufschwung."

Mehr Berufstätige, mehr Konsum, mehr Warenlieferungen. Das Argument scheint einleuchtend. Zudem erlebte die Insel bekanntlich eine Rekordsaison im Tourismus. Will heißen: mehr Urlauber in mehr Mietwagen. Auf der Via Cintura treffen sie täglich aufei­nander: Lastwagen, Touri-Busse, Berufspendler, Mietwagen und Schulverkehr.

Erst mal kein zweiter Ring

Garrido wäre wohl eine schlechte Politikerin, hätte sie nicht vielversprechende Zukunftspläne parat: Abhilfe schaffen soll der (von der Linksregierung abgespeckte) zweite Autobahnring. Insbesondere von dem Teilstück, das die Flughafenautobahn in Höhe des neuen Shoppingcenters mit dem Kreisel am Kraftstofflager CLH verbinden und damit die Weiterfahrt zur Inca-Autobahn ermöglichen soll, verspricht man sich große Linderung.

Doch genau hier stehen nicht nur der Verkehr, sondern auch die Bauarbeiten seit Monaten still. Das Teilstück sollte eigentlich schon im Frühjahr 2016 fertig sein. Aber das beauftragte Konsortium und der Inselrat trennten sich im Streit. Grund seien schwere Planungsfehler gewesen. Eine vorgesehene Brücke konnte nicht gebaut werden, weil man bei der Planung Strom- und Gasleitungen sowie Glasfaserkabel außer Acht gelassen hatte. Der Bau einer Unterführung scheiterte an einer Ölleitung, die man übersehen hatte. Vergangene Woche wurde der Vertrag aufgelöst, die Arbeiten müssen nun erst einmal neu ausgeschrieben werden - es wird Monate dauern, bis hier die Arbeiter wieder anrücken.

Fahrgemeinschaften

Weitere Projekte, die den Autoverkehr lindern sollen, sind eine bereits geplante Verbreiterung der Inca-Autobahn zwischen dem Einkaufszentrum Alcampo und dem Festival Park sowie eine noch nicht konkretisierte alternative Anfahrtsroute für Palmas Gewerbegebiet Son Castelló. Gleichzeitig will man immer mehr Berufspendler davon überzeugen, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. Dafür verhandelt der Inselrat mit den Rathäusern in Calvià, Marratxí, Llucmajor und Palma. Ziel ist ein gemeinsames Konzept, das Bus- und Bahnlinien besser aufeinander abstimmen und zugleich private Fahrgemeinschaften fördern soll.