Am Sonntag (19.2.) ist es genau 20 Jahre her, dass der Tunnel von Sóller im Norden von Mallorca eingeweiht wurde und Einheimische wie Urlauber erstmals mit dem Auto ins Orangental fahren konnten, ohne die Passstraße überqueren zu müssen. Der Tunnel ist einerseits ein Stück Ingenieurskunst, das 1997 das bis dahin abgeschiedene Sóller-Tal an den Rest Mallorcas anband. Er ist aber auch ein Stück Korruptionsgeschichte auf Mallorca sowie ein Dauer­ärgernis wegen seiner hohen Mautgebühren, von denen sich die Landesregierung jetzt freikaufen will.

Der Tunnel war dabei zu keiner Zeit als Geschenk an die Inselbewohner geplant. Im Hintergrund machten vielmehr große Hotelkomplexe in Port de Sóller Druck. Der Tunnel sollte eine schnelle Verbindung für die Touristenströme schaffen.

Tunnel mit deutsch-mallorquinischem Ingenieur

Bei den vierjährigen Bauarbeiten war der Deutsch-Mallorquiner Juan José Lemm der Bauleiter. Drei Kilometer Tunnel, komplexe Bauarbeiten mit Sprengungen alle zwei Tage, die Pleite der Konzessions­firma - wenn man so etwas durchgestanden hat, könne einen eigentlich kein Projekt mehr schrecken, erzählte der MZ der Ingenieur mit deutschen Wurzeln, der sich anschließend Mallorcas Häfen widmete.

Der Schatten der Korruption

Der PP-Politiker Gabriel Cañellas regierte Mallorca bereits seit sechs Jahren, als er 1989 den Auftrag zum Tunnelbau - die bis dato größte öffentliche Investition auf Mallorca - an den Unternehmer Antoni Cuart vergab. Doch im Jahr der Tunnel-Eröffnung 1997 kamen die Richter zum Schluss, dass Millionenbeträge der Investition in die Taschen von Cañellas und in den Wahlkampf zu seiner Wiederwahl gewandert waren.

Ministerpräsident Cañellas trat auf Druck seiner Parteizentrale in Madrid zurück. Die Richter erklärten die Korruption für erwiesen - aber verjährt. Cañellas blieb straffrei. Und so ist sein Anwesen in unmittelbarer Nähe zum Tunnel vielen Mallorquinern ein Dorn im Auge. Und dieser Dorn schmerzt sie immer dann besonders, wenn sie beim Passieren des Tunnels die Brieftasche zücken.

Der Maut-Ärger

Die drei Kilometer lange Unterführung durch das Tramuntana-Gebirge kostet bislang 5 Euro pro Durchfahrt. Ein Pkw-Besuch im Orangen-Tal schlägt also - mit Hin- und Rückfahrt - mit 10 Euro zu Buche. Für Busse und Lkw beträgt die Maut derzeit 7 und 9 Euro pro Durchquerung.

Der Tunnel wurde somit Jahr für Jahr zur teuersten Mautstrecke Spaniens ernannt - 1,65 Euro pro Kilometer. Eine vergleichbare Durchfahrt in Galicien koste nur 5 Cent pro Kilometer, rechnete ein Mietwagenportal vor. Die Preise legt der Tunnel-Betreiber Globalvia fest, dessen 25-jährige Konzession eigentlich noch bis 2022 läuft.

Der Inselrat von Mallorca will Sóller nun sechs Jahre früher aus der Isolierung befreien. Die Durchfahrt soll ab September dieses Jahres kostenlos sein - das haben die balearische Landesregierung und der Inselrat von Mallorca beschlossen. Für die vorzeitige Beendigung der Konzession erhalte die Betreiberfirma 15,4 Millionen Euro vom Inselrat, hieß es Anfang Februar. Die Landesregierung steuere weitere 4,1 Millionen Euro für Wartungsarbeiten bei. Die Betreiberfirma Globalvía, deren 25-jährige Konzession eigentlich noch bis 2022 läuft, hatte ursprünglich 33 Millionen Euro Entschädigung gefordert.

"Mehr Einkäufer" verspricht sich der Einzelhändlerverband der Fußgängerzone, von einer „großartigen Nachricht" schwärmt der Nachbarschaftsverband in Port de Sóller und auf „zusätzliche Besucher in der Nebensaison" hofft Bürgermeister Jaume Servera. „Im Sommer werden sicher nicht mehr kommen, die hätten ja gar keinen Platz mehr", fügt er hinzu. Und genau dort beginnt die Sorge mancher sollerics, die der Sprecher des örtlichen Hotelierverbands, Lluís Rullan, so ausdrückt: „Man muss abwarten, welche Probleme sich für Sóller ergeben. Die bestehende Parkplatznot könnte sich jedenfalls verschlimmern."

Auch die Einwohnerzahl der Tramuntana-Orte Sóller und Fornalutx könnte sich drastisch verringern. Denn wer dort gemeldet ist, hatte auch schon in den vergangenen Jahren kostenlose oder stark subventionierte Durchfahrt durch den Tunnel. Manche schätzen, dass jeder dritte gemeldete Einwohner plötzlich aus der Statistik verschwindet, wenn diese Vorteile wegfielen. /ff/tg