Mallorca - die Insel der Carsharing-Muffel. Während in größeren Städten in Deutschland, den Niederlanden, Skandinavien oder Großbritannien an vielen Ecken Autos stehen, die man sich stunden- oder tageweise ausleihen kann, steckt das Thema auf der Insel noch nicht einmal in den Kinderschuhen. Und das trotz Verkehrskollaps rund um Palma de Mallorca, vor allem in den Sommermonaten.

Soeben hat die Balearen-Regierung ermittelt, wie die Inselbewohner ihre täglichen Wege zurücklegen. Das Ergebnis, das aus Anlass der Woche der Europäischen Mobilität vorgestellt wurde, überrascht nicht: 55 Prozent werden mit dem eigenen Auto bewältigt. Dazu kommt, dass 34 Prozent der Fahrten, die Urlauber auf der Insel unternehmen, mit dem Mietwagen zurückgelegt werden. Zum Vergleich Zahlen aus der Welt-Carsharing-Hauptstadt Berlin: Dort werden lediglich 25 Prozent der Wege im eigenen Pkw gefahren.

Was ist also auf Mallorca los? „Kein Wunder, dass das Thema hier so unterentwickelt ist", sagt Andreas Knie, Mobilitätsexperte aus Berlin, der unter anderem das Car- und Bike-Sharing der Deutschen Bahn in Deutschland eingeführt hat und eine Wohnung in Port d'Andratx besitzt. „Es fehlt hier an Professionalität", sagt Knie. „Und es gibt kein politisches Interesse am Thema shared mobility." Ein weiterer Stolperstein sei die auf Mallorca noch immer weitverbreitete Schattenwirtschaft. Aufgrund dieser würde kein ausländischer Großkonzern in Carsharing auf der Insel investieren. Zu viel Geld verschwinde in dunklen Kanälen.

Schwieriges Umdenken

Jaume Mateu, zuständiger Generaldirektor des balearischen Verkehrsministeriums, sieht die Pro­bleme woanders. Es sei ungeheuer schwierig, die Menschen zum Umdenken zu bewegen: „Die ­Nutzung des eigenen Autos ist auf den ­Balearen immer noch tief in den meisten Menschen verwurzelt", so Mateu. „Da müssen wir beim Bewusstsein ansetzen und den Leuten Alternativen aufzeigen." Das dauere nun mal seine Zeit. Zwar sei Carsharing für die Landes­regierung durchaus interessant. Doch sehen sich Mateu und sein Ministerium außerstande, ein so großes Thema alleine anzugehen. „Wir sehen unsere Aufgabe als Landesregierung zuerst darin, den öffentlichen Nahverkehr zu verbessern."

Nur eine Privatinitiative

Carsharing müsse von Privatunternehmen oder Kooperativen in Angriff genommen werden. Doch gerade mal eine Initiative dieser Art gibt es auf der Insel. Sie nennt sich Ecotxe und vereint Carsharing mit Elektroantrieb. Ecotxe ist eine Kooperative, die der Mallorquiner Alex Duran gegründet hat. Der junge Mann sammelte mehrere Jahre lang Geld für ein Auto. Seit diesem April besitzt die Kooperative endlich ihr erstes Fahrzeug, einen zu 100 Prozent elektrisch betriebenen Renault Zoë. Auf der Website ecotxe.coop berichtet Duran über die Aktivitäten der Kooperative. Dort können Inte­ressierte auch Mitglied werden.

Die Initiative gefällt dem Generaldirektor Mateu: „Ich finde Carsharing dann besonders positiv, wenn gleichzeitig ein Elektroauto zum Einsatz kommt." Und auch Mobilitätsexperte Knie hält große Stücke auf den Elektroantrieb. Hier ändere sich immerhin ganz langsam etwas auf der Insel. Immer mehr Ladestationen würden eingerichtet, und inzwischen sei der ein oder andere elektrische Mietwagen auf den Inselstraßen sichtbar.

Abgabe für grüne Mobilität?

Um die Elektromobilität besser zu fördern, hat Knie einen Vorschlag: „Jeder, der in Palma landet und auf der Insel Urlaub macht, sollte eine Pauschale von 10 Euro für den Ausbau grüner Mobilität und Stromerzeugung zahlen. Ich bin mir sicher, die meisten würden das gerne tun." Eine Studie habe große Bereitschaft dafür ergeben, sagt Knie. Dann könne die balearische Landesregierung ein großes Carsharing-Projekt ausschreiben und mit verschiedenen Anreizen die internationalen Unternehmen anlocken: „Die Regierung sollte grünen Strom anbieten, die Infrastruktur bereitstellen und Ausgleichs­pauschalen bereithalten für den Fall, dass das Geschäft im Winter defizitär sein sollte."

Dann fände sich garantiert der ein oder andere Konzern, der das Projekt auf Mallorca in die Hand nehme, glaubt der Mobilitätsexperte. „Die Insel war und ist weiterhin sehr interessant, auch für die großen deutschen Anbieter."