„Eigentlich hätte ich gar nicht nach der Gate-Nummer suchen müssen", erzählt eine Mallorca-Besucherin der MZ. „Das 'Ballermann-Gate' hörte man schon von Weitem." Die Stuttgarterin flog an einem Freitagabend im Juni nach Mallorca. Unter ihren Mitreisenden: drei Junggesellinnen­abschiede sowie mehrere feierfreudige Gruppen in Bierkönig-T-Shirts. „Direkt neben dem Gate befand sich ein Duty-Free-Shop. Das war natürlich verheerend."

Viele der Passagiere hätten die Wartezeit genutzt, um schon vor dem Flug mit der Party zu beginnen: laute Ballermann-Hits, dazu jede Menge harter Alkohol. „Auch im Flieger musste ständig Alkohol nachgetankt werden, der Lautstärke-Pegel war unerträglich", berichtet die Stuttgarterin. Bei der Vorführung der Sicherheitsmaßnahmen seien die Bewegungen der Stewardessen bejubelt und beklatscht worden. Das Servicepersonal der Airline verweigerte nach Aussagen der Zeugin niemandem den Alkohol an Bord. Es habe zwar immer wieder Durchsagen gegeben, man solle bitte leiser sein. Der Effekt sei jedoch nur von kurzer Dauer gewesen.

Kein Einzelfall: Wegen eines randalierenden Passagiers auf einem Flug von Paris nach Palma musste am Samstag (30.6.) sogar die Polizei eingreifen. Der Reisende war so betrunken, dass die Crew ihm die Mitreise untersagt hatte. Das passte dem Mann nicht: Er attackierte ein Besatzungsmitglied. Und vor etwa zwei Wochen wurde ein Partyurlauber aus Düsseldorf von der Guardia Civil an Flughafen in Palma festgenommen, weil er eine Stewardess auf dem Flug nach Palma sexuell belästigt haben soll. Auch bei diesem Fall war Alkohol im Spiel.

Wer ist zuständig?

Christian Hinkel vom Flughafen Düsseldorf verweist auf die Zuständigkeit der Fluggesellschaften. Volltrunkene Gäste hätten an Bord nichts zu suchen, so Hinkel. Das bestätigt die EU-Verordnung 965/2012 des Luftfahrt-Bundesamtes: „Die Beförderung eines Fluggastes ist abzulehnen, wenn die Person so stark alkoholisiert ist, dass die Sicherheit des Luftfahrzeugs oder der Insassen wahrscheinlich gefährdet wird." „Letztendlich ist der Kapitän für einen sicheren Flug verantwortlich und hat das letzte Wort an Bord", sagt Carola Scheffler vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Wenn ein betrunkener Passagier nicht mitfliegen könne, liege dies in seiner Verantwortung, und dem Passagier stünden weder Entschädigung noch Ersatzbeförderung zu.

Das sagen die Airlines

Fluggesellschaften geben auf Nachfrage der MZ an, dass ihr Bodenpersonal die Passagiere beim Check-in und im Wartebereich beobachtet und die Crew an Bord notfalls informiert. „Diese sucht dann zumeist auch den direkten Kontakt zu mutmaßlich alkoholisierten Passagieren, um deren Zustand besser einschätzen zu können", sagt Marie Luise Gloystein von der Fluggesellschaft Germania. „Auch wenn das ­Verhalten eines Fluggastes zu unzumutbaren Belastungen für die Passagiere oder die Crew an Bord sorgt, können entsprechende ­Maßnahmen getroffen werden", ergänzt Gloystein. Viel hängt also von der Einschätzung der Crew ab. Sie muss auch medizinische Faktoren abwägen. Denn bei übermäßigem Alkoholgenuss kann es nicht nur zu Übelkeit, sondern auch zu Dehydration oder Kreislaufproblemen kommen, die eine ärztliche Betreuung notwendig machen. „Diese ist während eines Fluges nicht immer, durch einen zufällig mitreisenden Arzt, gewährleistet", so die Germania-Sprecherin.

Der Tipp des Psychologen

Und dennoch: Die Erfahrungen zeigen, dass man sich als nüchterner Fluggast immer wieder mit dem Verhalten von Partyurlaubern herumschlagen muss. „Für die nüchternen Fluggäste ist so ein Flug eine Nervenzerreißprobe. Du kommst da einfach nicht raus und musst es bis zum Schluss aushalten", berichtet die betroffene Reisende aus Stuttgart. Die Störenfriede auf ihrem Flug seien zwar nicht aggressiv gewesen, aber durch das ständige Gegröle wurden die anderen Fluggäste enorm gestört.

Diplom-Psychologe Laszlo A. Pota rät dazu, vor allem höflich zu bleiben, damit die Situation nicht eskaliert. Wenn irgendwie möglich, solle man sich ablenken. „Schlafen, lesen, spielen, stricken, Musik hören oder einfach nur so Ohrstöpsel benutzen kann helfen." Wenn die Anschnallzeichen aus sind, kann ein kurzer Spaziergang durch das Flugzeug guttun. „Entspannungsübungen können Stress und Anspannung minimieren. Zum Beispiel alle Muskeln im Sitzen gleichzeitig anspannen und wieder entspannen."

Bei Betrunkenen, die anfangen zu randalieren oder jemanden belästigen, empfiehlt Pota, die Crew zu alarmieren und sich zu beschweren. Wenn sich mehrere belästigt fühlen, sollte gemeinsam auf die Situation hingewiesen werden. Auch Germania plädiert: „Sollten sich andere Fluggäste durch einen alkoholisierten Passagier gestört fühlen, sollten sie sich umgehend an die zuständige Kabinencrew wenden, die für derartige Situationen geschult ist." Das bestätigt auch die Fluggesellschaft Eurowings. Bei Eurowings darf zumindest nur an Bord gekaufter Alkohol getrunken werden. „Somit hat die Crew die Möglichkeit, den Konsum zu kontrollieren. Sollten Passagiere über die Grenzen hi­naus bestellen, wird dies durch die Crew untersagt und ein weiterer Ausschank abgelehnt", so Eurowings-Sprecherin Raquel Krüggeler. So weit zumindest die Theorie.

Am Flughafen

Ist der Flug überstanden, übernimmt das medizinische Personal am Flughafen die torkelnden Härtefälle. Eine Sprecherin vom Flughafenbetreiber Aena: „Solche Fälle werden dann wie medizinische Notfälle behandelt. Wer Zeuge eines Vorfalls wird, sollte die entsprechenden Stellen kontaktieren. Auch die Polizei kann eingeschaltet werden." Vor den Sicherheitskontrollen sei die Policía Nacional zuständig, danach die Guardia Civil.