Die großen Beachclubs an der Südküste von Mallorca sind inselweit bekannt - und werben mit Luxus in privilegierter Lage. Dagegen gibt sich die Bar Sa Cova in Cala Ratjada bescheidener. Statt auf Champagner und Whirlpool setzt der Familienbetrieb direkt am Wasser auf Tapas und Trittleitern ins Meer. Seit nunmehr 50 Jahren herrscht hier ein ganz besonderes Flair.

Wenn man Jaime Ferriol erlebt, dann merkt man gleich, dass er ein bodenständiger Mann ist, der gerne anpackt. Und man merkt, wie stolz er auf sein Lebenswerk ist. „Ich war 19, als ich mit meinem Vater begann, hier den Untergrund zu zementieren", sagt er und deutet um sich. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass hier, in der Bucht Cala Lliteras, knapp einen Kilometer von Cala Ratjadas ursprünglichem Ortszentrum entfernt, früher vom Meer geschliffene Felsen vorherrschten - noch immer ist ein Großteil der kleinen Meereseinbuchtung naturbelassen. Kinder springen von den Felsvorsprüngen ins Wasser, Erwachsene schnorcheln. Es herrscht Sommerfeeling pur.

Nur auf etwa 750 Quadratmetern, direkt zwischen der kleinen Felshöhle und dem Ministrand, ist der Boden geebnet, sind Geländer angebracht, Einstiege ins kristallklare Wasser installiert und Treppen zum Abstieg befestigt. Und dann sind da natürlich die zwei kleinen Gebäude, die Ferriols Vater einst in den Stein baute. „Nicht unbedingt schön, aber rechteckig und praktisch", kommentiert Ferriol. Damals, 1969, habe es so gut wie keine Naturschutzbestimmungen gegeben. Ganz im Gegensatz zu heute. „Niemals würde man hier noch so etwas errichten dürfen. Bauliche Veränderungen sind strengstens untersagt. Wir können froh sein, dass wir wenigstens renovieren dürfen", sagt Ferriol.

Im Volksmund wird die Cala Lliteras nur Taucherbucht genannt. Auch das ist Ferriols Verdienst. Er war es, der damals neben der Sa-Cova-Bar - die anfangs nicht viel mehr als eine Getränkebox und eine Kaffeemaschine zu bieten hatte - auch die Tauchschule Mero Diving eröffnete. Noch immer liegen die beiden Betriebe Wand an Wand in den Fels gehauen da, noch immer sind sie in Familienhand.

„Tauchen ist mein Leben, und war es immer", sagt Jaime Ferriol. Bis heute geht der 69-Jährige im Sommer jeden Tag auf Tauchgang, kann es nicht lassen, das Geschäft zu führen. „Wir sind die älteste Tauchschule mit dem gleichen Besitzer in ganz Spanien", sagt er zufrieden.

Als er damals begann, habe er vor allem Touristen aus dem einzigen Hotel in der Nähe, dem Hotel Cala Lliteras, in die vielfältige Unterwasserwelt geführt. „Damals war hier sonst nichts, nur ein unbeleuchteter Schotterweg führte durch einen Kiefernwald zum Dorf", erinnert er sich. Mittlerweile sind die Straßen geteert, der Wald ist Hotels und Apartments gewichen, die Cala Lliteras an den Ort angeschlossen.

Über zu wenig Kunden konnte sich Ferriol aber auch anfangs nie beschweren - Arbeit gab es immer. „Die ersten zwölf Jahre hatte ich nicht ein Mal Urlaub. Im Winter, wenn hier die Saison zu Ende ging, arbeitete ich als Tauchlehrer auf den Malediven und sonstwo auf der Welt, um Geld zu verdienen." Viele Fotos von damals hat er nicht. „Die meisten sind bei dem schweren Unwetter 2001 weggespült worden", sagt er bedauernd. Genau wie das Mobiliar. „Das ist eben das Risiko, wenn man sich direkt auf Höhe des Meeresspiegels ansiedelt. Da zahlt auch keine Versicherung."

Wie stark die Naturgewalten das Geschäft beeinflussen, weiß mittlerweile auch Ferriols Tochter Lisa nur allzu gut. Seit 2016 leitet die 26-Jährige die Bar Sa Cova, die lange an andere Betreiber vermietet war. „An Tagen mit starkem Wellengang servieren wir mit Gummistiefeln. Die Gäste heben bei jeder Welle die Füße und finden es aufregend. Wir haben dann sogar mehr Kunden als bei ruhiger See", erzählt sie. Trotzdem ist für sie der Blick auf den Wetterbericht jeden Morgen der erste Schritt. „Wenn es zu stürmisch ist, wird es zu gefährlich, dann können wir nicht öffnen", erklärt sie. Und auch bei starkem Regen geht das Tagesgeschäft baden. „Aber diese Verbundenheit zum Meer macht es ja gerade aus", schwärmt Lisa Ferriol. Schon immer habe sie hier arbeiten wollen, studierte nur Grafik-Design, um alle zu beschwichtigen, die sagten, sie müsse doch etwas Richtiges lernen. „Aber jetzt bin ich da, wo ich hinwill", so die Halb-Mallorquinierin in akzentfreiem Deutsch - ihre Mutter ist Österreicherin, nicht zuletzt ihretwegen spricht auch Vater Jaime fließend Deutsch.

Mit einem 20-köpfigen Team serviert Lisa Ferriol den Besuchern alles von Cola über Softeis bis hin zu Tapas-Tellern oder Frühstücksmenüs. Auf praktischen Klapptischen und zu erschwinglichen Preisen. Die meisten Gerichte sind für unter 15 Euro zu haben, wenige kosten mehr als 20. „Wer nur etwas trinken will, ist auch willkommen, vor allem tagsüber geht es hier sehr locker zu", sagt Lisa Ferriol. Dann sitzen die Gäste teilweise in Badehose in Sa Cova, noch nass, weil sie gerade aus dem Wasser gestiegen sind. „Genau das macht es doch aus", bewertet die junge Gastronomin. „Schickimicki machen alle. Ich finde, weniger ist mehr." Abends gibt es je nach Wochentag Grillbuffet, Paella oder Livemusik. „Mehr braucht es nicht bei der Magie dieses Ortes."

Auch Lisa Ferriol erlag dem Zauber vor einigen Jahren. Sie verliebte sich in Cala Lliteras in den Geschäftspartner ihres Vaters, den 23-jährigen Tim Jochems aus Ostfriesland. „Es ist eben eine Liebesbucht", sagt dieser und grinst. Ab nächstem Jahr will er komplett die Führung von Mero Diving übernehmen. Dann, das versichert Jaime Ferriol, wolle er sich endlich aus dem Geschäft zurückziehen und die Füße hochlegen. Die Bürokratie habe ihn ohnehin immer schon genervt, und die werde schließlich nicht weniger. „Wobei ich vermutlich weiter täglich hier tauchen werde", sagt er mit schelmischem Grinsen. Die Betriebsgenehmigung der Küstenbehörde hat er für die kommenden 30 Jahre gesichert - viel schiefgehen kann also nicht, wenn die Nachfolgegeneration in Bar und Tauchschule das Ruder in die Hand nimmt. „Und als Ratgeber im Hintergrund werden sie mich natürlich auch nicht verlieren."

Je tiefer die Sonne sinkt, desto weniger Kinder hört man noch im Wasser plantschen. Dafür brutzeln auf dem Grill bereits Leckereien. Die Türen der Tauschschule sind mittlerweile geschlossen, im Sa Cova kommen die ersten Abendgäste zusammen. Zu einer weiteren magischen Nacht in Cala Lliteras.