Glaubt man Fluggasthelfer-Portalen, ist der September ein schwarzer Monat für Passagiere in Spanien. Einer der Anbieter hat im Kalender die verschiedenen Streiks eingezeichnet, die drohen: Iberia, Renfe, Ryanair-Kabinenpersonal, Ryanair-Piloten, und dann wären da noch die Angestellten der Passkontrolle an Palmas Flughafen, die bereits Ende August in den Ausstand traten. Die Sorge auch unter MZ-Lesern um den gebuchten Mallorca-Flug nimmt zu: Auf was müsse man sich denn nun einstellen, lautet eine häufige Frage an die Redaktion in diesen Tagen.

Der Eindruck, dass eine Streikwelle über die Insel rollt, täuscht. Im Gegenteil: Selten wurden so viele Tarifkonflikte auf dem Verhandlungsweg beigelegt, und in den wichtigsten Branchen auf Mallorca herrscht sozialer Friede. Nur an Palmas Airport, da sind die Fronten in vielen Bereichen weiterhin verhärtet. „Viele Menschen am Flughafen arbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen", erklärt José García von der Gewerkschaft UGT. Das gelte etwa für die Handlingfirmen, die sich ums Gepäck kümmern, für Reinigung, Transport oder Sicherheitspersonal. Und natürlich auch für den Billigflieger Ryanair, bei dem wieder das seit vergangenem Jahr rebellierende Personal gegen die Konzernleitung aufbegehrt.

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Vorneweg: Auch wenn Streiktage festgelegt werden, heißt das noch lange nicht, dass Streiks auch stattfinden oder es zu Ausfällen kommt. Vielmehr werden sie oft in letzter Sekunde abgeblasen. Dazu muss man die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Strategien der Tarifpartner in Spanien kennen. Der Streikaufruf ist nach Einschätzung von Gewerkschafter García in insgesamt zwei Dritteln aller Tarifverhandlungen notwendig, um Forderungen durchzusetzen. So bauen die Arbeitnehmervertreter eine wirksame Drohkulisse auf. Es gilt eine Mindestfrist von fünf Tagen, wenn Mitarbeiter einer Firma streiken, sowie von zehn Tagen, wenn eine ganze Branche oder der öffentliche Sektor betroffen ist. Benachrichtigt werden müssen das balearische Arbeitsministerium, das Schiedsgericht (Tamib), der Branchenverband sowie auch die Delegation der Zentralregierung auf den Balearen, wenn Kundgebungen geplant sind.

Jetzt ist die Drohung publik, und der Druck auf die Arbeitgeber wächst. „Wer steht schon gerne als knausrig in der Öffentlichkeit?", so García. Wenn zudem vor dem Schiedsgericht keine Einigung zustande kommt, vermittelt auch das balearische Arbeitsministerium. Hier kamen zuletzt wichtige Rahmentarifverträge zustande, beispielsweise für die Hotellerie - 17 Prozent in vier Jahren -, die Reinigungsbranche - 12 Prozent in vier Jahren - oder den Einzelhandel - 11 Prozent in vier Jahren. Auch im Transportwesen sieht es gut aus: Derzeit läuft für die Fahrer der Überlandbusse noch ein dreijähriger Tarifvertrag, der 10 Prozent mehr Gehalt beinhaltet, und für den Touristen-Transfer wurde gerade ein vierjähriger Tarifvertrag mit 12 Prozent mehr Gehalt vereinbart. Bei den Müllmännern könnte im September Ähnliches gelingen. Den Erfolg erklärt García unter anderem mit einer Zermürbungstaktik des sozialistischen Arbeitsministers Iago Negueruela. „Er lässt uns so lange sitzen, bis wir uns einigen. Zur Not im August ohne Klimaanlage oder auch mal bis 3 Uhr nachts."

Palmas Flughafen dagegen ist eine Welt für sich. Dass es hier regelmäßig kracht, erklärt Miguel Pardo von der Gewerkschaft CCOO mit dem Geschäftsmodell von Aena, dem halbstaatlichen Flughafenbetreiber in ganz Spanien. Alle Dienstleistungen werden öffentlich ausgeschrieben, und im harten Wettbewerb kommt dann der günstigste Anbieter zum Zug. Im Gegensatz zu Ausschreibungen der balearischen Linksregierung würden dabei allerdings keine Sozialklauseln zur Bedingung gemacht. Somit blieben bei den Konzessionen die Arbeitsbedingungen auf der Strecke, was sich dann in Form häufiger Streiks räche. Und wenn diese in der Hauptsaison angesetzt werden, lasse sich nun mal mehr Druck aufbauen.

Ein aktuelles Beispiel ist der Streik der Mitarbeiter bei der Passkontrolle am Airport. Trotz 35-Stunden-Wochen bekämen sie von der Konzessionsfirma am Monatsende weniger als 800 Euro überwiesen, beklagt Pardo. Die überwiegende Mehrheit der zumeist sehr jungen Angestellten sei zudem nicht festangestellt, und so einige hätten zwei oder drei Jobs am Airport, um über die Runden zu kommen.

Dass deutsche Urlauber wenig von dem Streik mitbekamen, liegt nicht nur daran, dass sie nun mal im Schengen-Raum reisen, wo kein Pass gezeigt werden muss, sondern auch daran, dass großzügig Mindestbetrieb angeordnet wird - ein Prozentsatz, den die spanische Regierung bei Ausständen im öffentlichen Dienst vorschreibt. 62 Prozent seien viel zu viel, kritisiert Pardo, zumal Aena acht Polizisten zur Verstärkung abstellen habe lassen. Angesichts der verhärteten Fronten vermittelte schließlich auch hier das Arbeitsministerium - und konnte am Mittwoch (4.9.) einen Erfolg vermelden: Der Streik ist abgeblasen.

Nicht nur am Terminal, auch in der Luft ist der Wettbewerb hart - und auch im Fall des Billigfliegers Ryanair räche sich jetzt die Unternehmenspolitik, kritisieren die Insel-Gewerkschafter. Die Schlacht um die Arbeitsbedingungen von Kabinenpersonal und Piloten wird allerdings nicht an Palmas Airport, sondern in Madrid geschlagen.

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