Knapp zwei Monate lang war es während des Lockdowns auf Palmas Straßen sehr, sehr ­ruhig. Ginge es nach Palmas Stadtrat für ­nachhaltige Mobilität Francesc Dalmau (39), könnte das auch so bleiben.

Wie hat sich die Pandemie auf den Verkehr in Palma ausgewirkt?

In der ersten Aprilwoche, als auch in der Bauwirtschaft und in der Industrie die Arbeit ruhte, waren zum Teil 83 Prozent weniger Autos als vor dem Alarmzustand unterwegs. Danach betrug der Rückgang bis zur Phase 0 Anfang Mai etwa 70 bis 75 Prozent. Seit der Phase 1 fahren zwar wieder mehr Autos, es gibt aber noch 40 Prozent weniger Straßenverkehr.

Gibt es einen dauerhaften Wandel oder kehren die Zahlen zum Zustand davor zurück?

Ich hoffe darauf, dass die Leute nach der Krise den Wagen öfter stehen lassen. Die Autofahrer sind nicht mehr die wichtigsten Verkehrsteilnehmer, es sind die Fußgänger. Autofahrer werden es in Zukunft immer schwerer haben. Stattdessen empfiehlt etwa das Gesundheitsministerium das Rad, da es automatisch für den Mindestabstand sorgt. Auch wir wollen das Radfahren immer attraktiver machen und bauen die Radwege weiter aus. Anfang Mai ­kamen zwei Kilometer zwischen den Straßen ­Andreu Torrens und Andrea Doria hinzu. Das Radnetz umfasst nun 82 Kilometer. Unser Ziel ist es, die 100-Kilometer-Marke zu knacken.

Sind diese Pläne Auswirkungen der Krise?

Wir hatten wegen des Klimawandels schon zuvor daran gearbeitet. Die Gesundheitskrise beschleunigt viele Entscheidungsprozesse. Die Arbeiten bleiben aber die gleichen.

Ist das Fahrrad in Palma also das Fortbewegungsmittel der Zukunft?

Es ist eher das Fortbewegungsmittel der Gegenwart. In den vergangenen Jahren sind die Elektro-Roller immer populärer geworden. Mit denen ist man schnell und flexibel unterwegs. Ich hoffe, dass ihre Anzahl zunimmt.

Vor der Pandemie gab es Debatten über die Roller. Es kam immer wieder zum Streit zwischen den Verkehrsteilnehmern, da auch die Regeln lange Zeit unklar waren. Wie geht es jetzt weiter?

Es ist eine gewisse Akzeptanz aller Beteiligten nötig, sowohl von den Fußgängern als auch von den Rollerfahrern. Die Roller dürfen nicht auf dem Fußweg fahren. Gibt es keinen Radweg, können die Roller auf Straßen fahren, in denen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h gilt. Deswegen wollen wir in Palma auch mehr 30er-Zonen einführen, damit wir für die Roller Platz schaffen. Bisher gilt auf 20 Prozent der 2.731 Straßen Palmas die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Bald sollen es 90 Prozent sein. Das klingt aber ein­facher, als es ist. Es reicht nicht aus, neue Schilder aufzustellen. Die Straßen müssen mit der ­neuen Geschwindigkeit beschriftet, Fußgängerüberwege geschaffen und der Bürgersteig ­verbreitert werden. Das ist eine Menge Arbeit.

Die Stadt sperrt derzeit abends und am Wochenende 15 Kilometer Straße, besonders am Meer entlang, damit spazieren gegangen oder Sport getrieben werden kann.

Nicht nur das. Wir haben den Bars auch erlaubt, Parkplätze mit Tischen zuzustellen, um mehr Kunden bedienen zu können. Knapp 700 Bars haben das in den vergangenen zwei Wochen beim Rathaus beantragt. Das ist ein Zeichen, dass Autos kein Vorrecht im öffent­lichen Raum haben. Der gehört allen. Die ­Straßensperrungen haben in erster Linie mit der Pandemie zu tun, damit die Leute den ­Sicherheitsabstand beim Spazierengehen einhalten können. Das begünstigt aber auch ­einen sozialen Wandel. Die Leute sehen, dass es gut ist, wenn der Autoverkehr reduziert wird. ­Vielleicht bitten die Bürger in Zukunft die Stadt darum, ihre Straße für die Autos zu sperren. Dann kann ich mir auch nach dieser Krise Straßensperrungen vorstellen.

Ist es nicht ungerecht, dass die Autofahrer, die einen Residentenparkausweis bezahlt haben, nun keinen Parkplatz mehr finden?

Das betrifft nur die zentrumsnahen ORA-Bereiche. Mit dem Parkausweis erkauft man sich die Möglichkeit, seinen Wagen in der Nähe der Wohnung abzustellen. Man hat aber kein Recht darauf, dauerhaft öffentlichen Raum zu blockieren. Die Bars dürfen nur so viele Parkplätze einnehmen, wie die Fassade des Lokals lang ist. Das sind meist nur ein oder zwei. Zudem machen nicht alle Bars davon Gebrauch, da sie auf den Bürgersteig ausweichen können. Es geht uns darum, die Betriebe zu unterstützen, was am Ende einen positiven Effekt für das ganze Stadtviertel hat.

Auf Teilen der Avenidas hat die Stadt eine Busspur eingeführt und den Autofahrern auf einer staugefährdeten Straße eine Spur genommen. Soll das den öffentlichen Nahverkehr fördern?

Das ist Teil der Revolution, die wir mit dem neuen Linienplan im Dezember in Gang gesetzt haben. Damit der Busverkehr funktioniert, müssen die Busse Vorrang haben. Das soll die Autofahrer zum Umdenken bewegen, wenn sie an der Ampel im Stau stehen und ­sehen, wie der Bus vorbeifährt.

Ein weiteres großes Projekt ist der Umbau des Paseo Marítimo. Wie sieht es damit aus?

Die krisenbedingte Straßensperrung hat uns gezeigt, dass die Verkehrsberuhigung bei der Bevölkerung gut ankommt. Es gab keine ­Probleme mit dem Verkehr, der auf die Ringautobahn umgeleitet wurde. Das beflügelt uns, das Projekt voranzutreiben. Noch fehlt uns ein Abkommen mit der Hafenbehörde. Ende des Jahres dürften die Arbeiten beginnen.

Seit Jahren träumt man in Palma von einer Straßenbahn zum Flughafen. Wird es die ­jemals geben?

Wir wollen immer in die Infrastruktur investieren. Eine Straßenbahn sollte stets Teil der Mobilitätspläne von Palma sein. Eine andere Sache ist aber, ob wir das ­finanzieren können. Wir sprechen hier von ­einem 300 Millionen Euro teuren Projekt. Ohne Unterstützung der Zentralregierung können wir uns das nicht leisten. Kurz- oder mittelfristig wird es wohl keine Straßenbahn zum Flughafen geben.