Warum stundenlang vor dem Flug am Airport herumsitzen, warum sich mit knapp 200 anderen Menschen mit Mundschutz in einen Airbus quetschen und warum dann wieder ­zusammengequetscht in einem Bus zum Terminal fahren? Diese Fragen stellen sich in Pandemiezeiten immer mehr Fluggäste. Die ­einen verzichten dann lieber ganz aufs Fliegen, andere - die, die es sich leisten können - steigen in Privatflugzeuge ein. Auf Mallorca wächst der Markt nicht erst seit der Pandemie.

Wobei allerdings der Luftverkehr mit dem Lockdown zwischen März und Mai auch in diesem Segment fast komplett zum Erliegen kam. Die Zahlen des staatlichen Flughafen­betreibers Aena dokumentieren die Entwicklung eindrucksvoll. Hatte es im Januar mit 15 Prozent mehr Flugbewegungen im Vergleich zum Vorjahresmonat - und im Februar sogar plus 53 Prozent - nach einem weiteren Boomjahr ausgesehen, brach die Zahl im April und Mai mit lediglich 22 sowie 28 Starts und Landungen ein - ein Minus von jeweils gut 97 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Erst im Juni erholte sich das Verkehrsaufkommen wieder, stellte mit 843 Flugbewegungen aber immer noch nur ein Viertel der Zahl der Operationen aus dem Vorjahr dar. Die Juli-Zahlen, die noch nicht vorliegen, dürften sich wieder deutlich denen aus dem vergangenen Jahr angleichen.

Den Nachfrage-Schub hat man beim ­Anbieter Deutsche-Privatjet mit Sitz in Wuppertal zu spüren bekommen. „Wir können ­bestätigen, dass die Anfragen drastisch zugenommen haben", erklärt eine Mitarbeiterin des Unternehmens auf Nachfrage. Die Sorge, sich auf einem Flug mit dem Coronavirus zu infizieren, sei in den Köpfen der Menschen verankert, weshalb sie Alternativen zum klassischen Passagierflugzeug suchten. „Allerdings machen sich die Leute kein Bild davon, was so ein Flug mit einem Privatjet tatsächlich kostet." In Fällen, in denen Passagiere für ­einen Linienflug vielleicht 200 Euro zahlen würden, rechneten viele mit einem Preis von rund 500 Euro in einem eigenen Jet. „Ein Flug nach Mallorca mit unserer kleinsten Maschine kostet allerdings rund 25.000 Euro." In den Jet passen maximal vier Personen, macht also 6.250 Euro pro Nase. „Wenn die Leute das hören, dann springen sie auch ganz schnell wieder ab", heißt es von der Deutsche-Privatjet.

Die tatsächlichen Buchungen seien deshalb nur geringfügig gestiegen. Für diesen Preis gebe es außerdem lediglich den Flug. Wer eine Stewardess und Bord-Service dazubuchen will, der müsse noch tiefer in die Tasche greifen. „Die Koffer laden unsere Piloten ein, darum muss sich der Kunde nicht kümmern", so die Mitarbeiterin.

50 Stellplätze am Airport

Die verstärkte Nachfrage nach der Privatfliegerei ist eine stetige Entwicklung auf Mallorca. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der kleinen Jets, die auf einem eigenen Teil des Rollfelds nahe der Globalia-Firmenzentrale geparkt werden, stetig gewachsen. Allein zwischen den Jahren 2010 und 2017 verdoppelte sich das Verkehrsaufkommen in diesem Bereich auf Son Sant Joan, und zwar von 5.500 Flugbewegungen auf knapp über 10.000. Inzwischen stehen nach Angaben von Aena rund 50 Stellplätze für Privatjets auf dem Rollfeld zur Verfügung.

Mal abgesehen von Covid-19, liegen die langfristigen Gründe für den Boom auf der Hand: In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche neue Fünf-Sterne-Hotels auf der Insel eingeweiht, und auch das Immobilienangebot spricht gerade im Südwesten Personen an, die sich einen Flug im Privatjet leisten können.

Und es sind inzwischen nicht mehr nur die Ausländer, die für einen Abstecher zu ihrer Ferienfinca auf der Insel auf die kleinen Jets zurückgreifen. Mehr und mehr setzt sich diese Art des Reisens auch unter spanischen Geschäftsleuten durch, wie der spanische Anbieter Gestair berichtet. Das Unternehmen mit Sitz in Madrid bietet 35 verschiedene Maschinen an und hat derzeit eine Rabattaktion für Flüge von Madrid und Barcelona auf die Balearen im Angebot. Ab 532 Euro pro Person, so heißt es auf der Website, sei ein Platz in einem solchen Jet derzeit schon zu haben. „Die ­Kunden haben von uns ein solches Angebot verlangt, und es wird sehr gut angenommen", erklärt der Direktor von Gestair, Carlos Gericó, der MZ. Die Flexibilität, ein Flugzeug innerhalb von wenigen Stunden zum gewünschten Zeitpunkt zu chartern, sei ausschlaggebend für die hohe Nachfrage.

Bei der Ankunft am Flughafen Son Sant Joan können sich die exklusiven Kunden auf einen exklusiven Empfang einstellen. Es gibt ein eigenes Terminal für Privatflieger. Un die Sicherheitsmaßnahmen wie etwa Fiebermessen würden dort genauso wie in den anderen Terminals durchgeführt, heißt es von Aena.

Der Boom hat aber auch seine Schattenseiten. Umweltschützer sehen die Zunahme des privaten Flugverkehrs kritisch. Erst im vergangenen Herbst flammte in Großbritannien eine Debatte auf, als Prinz Henry mehrfach ­einen Jet für Urlaubsflüge nutzte. Die Labour-Partei brachte daraufhin ein Verbot der ­Privatfliegerei. Nach einer Studie der Umweltorganisation A Free Ride verursachen Privatjets in Großbritannien den CO2-Ausstoß von 450.000 Autos. Ein Problem sind vor allem die zahlreichen Leerflüge, die bei den Privatjets anfallen, wenn sie Kunden zu einem Zielort bringen und dann wieder zur Basis zurück­fliegen. Das schlägt auf die Klimabilanz - zumal im Fall einer Insel, die in erster Linie per Flugzeug angesteuert wird.