Seit Samstag (24.4.) gilt in deutschen Landkreisen mit einer Corona-Inzidenz von über 100 eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 22 und 5 Uhr. Wie es sich mit Flugreisen während dieser Ausgangssperre verhält, ist auch mehrere Tage nach Inkrafttreten der Regelungen zumindest nicht völlig geklärt.

Bei den Airlines vertritt man mehrheitlich die Meinung, Anreisen zum Flughafen oder Reisen vom Flughafen nach Hause seien auch während der Ausgangssperre möglich und gälten als triftiger Grund. In der Branche wird darüber spekuliert, dass die Bundespolizei die Anweisung bekommen haben soll, bei Fluggästen, die die Ausgangssperre missachten, ein Auge zuzudrücken. Der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) forderte bereits Ausnahmen für spät oder früh ankommende oder abreisende Fluggäste.

Das Bundesinnenministerium kommt allerdings zu einem anderen Schluss. Eine Sprecherin schreibt der MZ: "Das Infektionsschutzgesetz enthält Ausgangsbeschränkungen in der Zeit zwischen 22 Uhr und 5 Uhr und sieht von diesen nur wenige zwingende Ausnahmen vor, etwa zur Berufsausübung, zur Betreuung von Angehörigen, zur Tierpflege, zur Ausübung des Sorgerechts und Ähnliches. Andere Fälle, die nicht in diesem Katalog enthalten sind, sind von diesen Ausgangsbeschränkungen vollständig erfasst. Das betrifft nicht nur ein stationäres Verhalten, sondern auch ein Reisen von A nach B."

Die MZ hat bei Rechtsanwalt Kay Rodegra aus Würzburg nachgefragt. Rodegra ist neben seiner Anwaltstätigkeit auch als Experte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland im Einsatz und ist unter anderem auf die Rechtsgebiete Luftverkehrsrecht und Fluggastrechte sowie Reisevertrags- und Individualreiserecht spezialisiert.

Aus Ihrer Sicht, Herr Rodegra: Wie ist die Rechtslage für Urlauber, die nach der Ausgangssperre vom oder zum Flughafen müssen?

Bei der nach dem Infektionsschutzgesetz verhängten Ausgangssperre sind einige Ausnahmen zulässig. Neben konkret beschriebenen Ausnahmen, zum Beispiel wegen der Berufsausübung oder Wahrnehmung des Sorge-oder Umgangsrechts, ist geregelt, dass aus ähnlich gewichtigen und unabweisbaren Zwecken die Ausgangssperre nicht gilt. Nach meiner Meinung ist der Urlaubsantritt, der an eine feste Uhrzeit geknüpft ist, von der Ausnahme umfasst, ebenso bei der Rückreise. Aber einige Juristen sehen das auch anders.

Kann es sein, dass die Politik das Thema gar nicht abschließend regulieren kann und deshalb mit Aussagen bisher so vage bleibt?

Die Formulierung in den Ausnahmen von der Ausgangssperre ist in der Tat vage, denn wer weiß schon, was alles unter gewichtige und unabweisbare Zwecke fällt. Eine abschließende Aufzählung hat man nicht vorgenommen, da es Situationen geben kann, die eine weitere noch nicht im Gesetz aufgezählte Ausnahme erfordert und auch, um den Gegnern der Ausgangssperre nicht noch weitere Argumente für ein gerichtliches Vorgehen zu geben.

Was müssen Urlauber aus Ihrer Sicht befürchten, wenn sie während der Ausgangssperre erwischt werden? Haben sie überhaupt etwas zu befürchten?

Wer gegen die Ausgangssperre verstößt, dem droht ein empfindliches Bußgeld. Aber, wer sich zu unrecht bestraft fühlt, kann sich gegen einen entsprechenden Bußgeldbescheid wehren. In einem anschließenden Verfahren wird dann geprüft, ob der Urlaubsantritt bzw. die Rückkehr aus dem Urlaub zur Nachtzeit von den Ausnahmenregelungen der Ausgangssperre umfasst war oder nicht.

Wird ein Unterschied gemacht bei Reisen, die bis zum Inkrafttreten der Notbremse gebucht wurden und denen, die erst danach gebucht wurden bzw. werden?

Das könnte sein, indem argumentiert wird: Wenn man eine Reise bucht und zu diesem Zeitpunkt von der Ausgangssperre bereits Kenntnis hat, muss man einen Flug oder Zug so wählen, dass man seine Wohnung erst nach der Ausgangssperre verlässt beziehungsweise rechtzeitig wieder zurückkommt. Ich halte das für unzulässig, aber die Meinungen gehen bei der Problematik auseinander.