Wer erinnert sich noch an die Overtourism-Debatten aus den Jahren 2017 bis 2019? Vor Corona war vielen Einheimischen auf Mallorca zu viel Tourismus. Der Journalist Armando Pomar hat nun im Fach Wirtschaftswissenschaften an der Balearen-Universität eine Doktorarbeit zum Thema "Massifizierung und Tourismuskritik" geschrieben, die kürzlich mit der Höchstnote ausgezeichnet wurde. Das Thema, versichert er, werde schon bald wieder aktuell.

Sie sagen, die Inseln können auf zwei Millionen Urlauber im Jahr verzichten.

Das haben die Medien so herausgelesen. Ich sage, dass zwischen 1,5 und zwei Millionen unzivilisierte Urlauber im Jahr auf die Balearen kommen. Und das sind zum großen Teil Menschen unter 25, die meisten davon Spanier, danach Engländer, dann Deutsche und Holländer und noch ein paar andere. Es gibt also einen Teil von Urlaubern, die hier Spaß haben wollen, wozu sie ein gutes Recht haben. Aber diese Besucher fallen in die Hände von Menschen, die Kneipentouren anbieten, und andere Unternehmer, die diese Urlauber ausnutzen und ihnen auf legale Weise Unmengen von Alkohol verkaufen. Und einen solchen Tourismus will niemand. Man muss ihn erneuern, verändern oder komplett vom Markt nehmen.

Das sind keine neuen Forderungen. Trotzdem finden diese Urlauber hier weiterhin ein Angebot.

Ja, die meisten dieser Urlauber kommen in sehr billigen Hotels oder Herbergen unter. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Man sollte überhaupt keine Hotelzimmer auf Mallorca für unter 60 Euro pro Nacht anbieten dürfen. Bisher haben wir immer danach gehandelt, was der Markt wollte. Uns wurde gesagt: Jetzt kommen die Russen, wir müssen uns auf sie einstellen, dann die Chinesen. Wir sollten stattdessen ein eigenes Angebot schaffen, das sich von anderen unterscheidet und das respektvoll mit den natürlichen Ressourcen und der Umwelt umgeht. Was Zukunft hat, ist der Premium-Urlaub, der den Familienurlaub miteinschließt..

Gegen den Sauftourismus ist die Politik ja schon vor der Pandemie aktiv geworden, etwa mit dem Gesetz gegen Alkoholexzesse.

Und da muss die Politik weitermachen. Es muss Regelungen geben, die dieses Angebot begrenzen und jede Art von Exzess verbieten. Hierher kommen 15 Millionen Urlauber aus ganz Europa, und das Bild, das die Insel gerade in den Medien abgibt, ist beschämend.

Sollen etwa Abifahrten, die ja kürzlich in den Schlagzeilen waren, verboten werden?

Nein, die hat es immer gegeben. Die Schuld haben die Unternehmer, die die billigen Unterkünfte anbieten, die Souvenirläden, in denen vor allem Alkohol verkauft wird.

Wir haben die Pandemie ungenutzt verstreichen lassen.

Haben Sie eine Anti-Haltung der Einheimischen gegen den Sauftourismus oder den Tourismus im Allgemeinen festgestellt?

Nach vielen Interviews mit Tourismuskritikern komme ich zu dem Schluss, dass es keine Ablehnung des Tourismus gibt. Erstens, weil das Wort falsch benutzt wird. Die Medien haben bloß vom ersten Tag an jedes Problem, das mit dem Tourismus zusammenhing, mit Ablehnung betitelt. Auf den Balearen ist niemand gegen den Tourismus an sich. Ich habe zwei Mitglieder der Gruppe Arran interviewt (die mehrfach gegen Urlauber auf Mallorca protestiert haben, die Red.). Nicht einmal sie nennen sich Tourismusgegner. Sie sagen: Wir wollen keine unzivilisierten Urlauber, die unsere Lebensqualität beeinträchtigen. Wir wollen, dass das enorme Geschäft mit den Urlaubern, das pro Jahr Hunderte Millionen von Euro einbringt, besser unter denen verteilt wird, die die Rechnung zahlen. Also wir Residenten, die die höheren Ausgaben für Wasser, Strom, Müll, Infrastruktur oder Sicherheit mit unseren Steuern zahlen. Das Geld, das durch den Tourismus auf den Balearen erwirtschaftet wird, fließt in die Taschen einiger weniger. Da werden die Einheimischen wütend.

Ist die Pandemie zur rechten Zeit gekommen, um die Massifizierung zu stoppen?

Wir haben die Pandemie ungenutzt verstreichen lassen. Es war der perfekte Moment für die öffentliche Verwaltung und die Privatwirtschaft, gemeinsam mit der Gesellschaft ein Modell für den künftigen Tourismus zu erarbeiten. Wenn bisher 16 Millionen Urlauber kamen und jedes Jahr eine Million mehr, dann haben wir in drei Jahren 20 Millionen Urlauber. Werden wir Einheimische das aushalten? Ich glaube nicht. Wir müssen jetzt Grenzen setzen: für den Stromverbrauch, den Wasserverbrauch, die Umweltzerstörung, Mietwagen, Kreuzfahrtschiffe. Wir müssen in der Hochsaison schrumpfen. Das geht nur mit Verboten. Zum Beispiel mit dem des Alkoholverkaufs.

Aber das gibt es ja.

Haben Sie gesehen, dass das irgendwen in den vergangenen Tagen interessiert hat? Die jungen Leute konnten sich dort mit Alkohol versorgen. Und dann heißt es immer: Wir haben nicht genügend Polizei. Das stimmt nicht. Es gibt sie, man muss sie besser verteilen. Und: Gibt es nicht eine Touristensteuer? Haben wir nicht 100 Millionen Euro im Jahr, die man nur so rausgeschleudert hat, um die Umweltschützer zufriedenzustellen? Lasst uns Inspekteure einstellen, Hunderte. Und wenn sie am Ballermann 6 ihre Partys feiern, dann wird eben Anzeige erstattet gegen die Urlauber, aber auch gegen die Strandbar dort. Es muss Strafen hageln. Aber die Rathäuser werden sich nicht trauen, das durchzusetzen.

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Wie also muss Ihrer Meinung nach der Tourismus der Zukunft aussehen?

Wir verkaufen ein Image von Mallorca, das nicht der Wahrheit entspricht. Wir werben mit Fotos vom leeren Es-Trenc-Strand mit klarem Wasser. Aber dann kommen die Leute und finden den Strand überfüllt vor. Das kann man nicht machen. Schon gar nicht mit den Premium-Urlaubern, die hier richtig viel Geld ausgeben. Das müssen wir schleunigst ändern, damit diese Besucher kommen.