Auf Mallorca wünscht sich dieser Tage mehr als einer die nächtliche Ausgangssperre zurück, um die exponentiell angestiegenen Corona-Ansteckungszahlen wieder in den Griff zu bekommen. Für die Wiedereinführung plädierten etwa Bürgermeister, die sich außerstande sehen, die Trinkgelage in ihren Gemeinden zu unterbinden, Krankenhausdirektoren, die sich über die steigende Zahl der Covid-Patienten sorgen, und Gastronomen, die der Ansicht sind, dass nur in ihren Lokalen ein coronasicheres Nachtleben möglich ist.

Es darf unterstellt werden, dass auch die Landesregierung sich eine Ausgangssperre zurückwünscht, zumal sie ihre Bedeutung für die Pandemie-Bekämpfung ein ums andere Mal hervorgehoben und diese ja auch noch aufrechterhalten hatte, als sie anderswo in Spanien schon längst aufgehoben worden war. Jetzt führen andere Regionen in Spanien, wo die Inzidenz ebenfalls wieder in die Höhe geschossen ist, die Ausgangssperre wieder ein und hoffen darauf, dass das vor Gericht Bestand haben wird.

Die Balearen allerdings sind diesbezüglich ein gebranntes Kind: Anfang Juni hatte Spaniens Oberstes Gericht die Aufhebung der zuvor vom balearischen Oberlandesgericht genehmigten Ausgangssperre angeordnet, weil diese Einschränkung nicht mehr durch den von der Madrider Zentralregierung bereits zuvor aufgehobenen Alarmzustand gedeckt worden war. In der Folge geschah das, was sich jetzt in den rasant gestiegenen Ansteckungszahlen widerspiegelt: Schon Stunden danach strömten vor allem junge Einheimische und Urlauber auf Straßen und Strände, um ausgiebig zu feiern. Die Party hat seither nicht mehr aufgehört.

Was nun tun? Die Balearen-Regierung wirkt ratlos. Noch vor einer Woche war Ministerpräsidentin Francina Armengol auf den internationalen Trend umgeschwenkt, den Inzidenzzahlen nicht mehr so eine große Bedeutung zuzumessen, um auf den Fortschritt der Impfkampagne und die entspannte Lage in den Krankenhäusern zu vertrauen. Weitere Corona-Restriktionen seien nicht nötig, hieß es noch vor ein paar Tagen.

Diese Linie ist angesichts der schieren Ausmaße der Ansteckungen und der zunehmend angespannten Lage im Gesundheitssektor jedoch nicht mehr haltbar. An der Ausgangssperre will man sich offenbar nicht noch einmal die Finger verbrennen, stattdessen werden laut einem Bericht in der Zeitung "Última Hora" mal wieder die kleinen Stellschrauben durchgegangen: Wie viele Leute an einem Tisch sitzen dürfen, ob man an der Theke bedient werden darf, solche Sachen.

Reichen wird das nicht. Das wissen auch die Verantwortlichen. Man müsse erst einmal in Ruhe überlegen, so heißt es in der Landesregierung. Sie wirkt wie vorzeitig in den Urlaubsmodus abgetaucht. Doch spätestens wenn in Berlin doch jemand auf die Idee kommt, Mallorca als Hochinzidenzgebiet einzustufen, wird es mit der Ruhe vorbei sein. Allerdings muss dann, wenn es schlecht läuft und die Quarantäne-Auflagen tatsächlich zu einem Buchungsrückgang führen, bei den Restriktionen womöglich auf die Urlauber auch nicht mehr so viel Rücksicht genommen werden.