Die Debatte in Deutschland war so richtig hochgekocht, und wie so oft stand Mallorca einmal mehr (ungewollt) im Fokus. Sollten Kurzstreckenflüge tatsächlich verboten werden? Oder soll es vor allem den Billigflügen an den Kragen gehen? Vorstöße von zwei Kanzlerkandidaten erhitzten im Mai die Gemüter der deutschen Urlauber und der Mallorca-Residenten, von denen viele schließlich auf eine engmaschige Flugverbindung in ihre alte Heimat angewiesen sind. Jetzt, knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl, spricht niemand mehr über das Thema. Die MZ hat sich die Programme der sechs großen Parteien zur Bundestagswahl darauf hin angeschaut, was von der Flugdebatte übrig geblieben ist.

Breite Debatte

Den Anfang machte in der Diskussion übrigens nicht Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock, sondern der Bewerber der SPD, Olaf Scholz. Der Osnabrücker sprach sich für eine Preisgrenze für innereuropäische Flüge aus. Kein Flug dürfe günstiger sein als die Flughafengebühren und alle anderen Gebühren, die dafür anfallen, sagte Scholz am 12. Mai in der Sendung „ProSieben Spezial Live“. Eine MZ-Rechnung ergab einen Mindestpreis von rund 50 Euro pro Strecke bei Mallorca-Flügen.

Nur vier Tage später sprang Scholz Annalena Baerbock zur Seite. Nachdem sie sich bereits kurz zuvor eher allgemein dafür ausgesprochen hatte, den globalen Flugverkehr zu beschränken, forderte sie in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ höhere Flugpreise. Es sei „nicht fair, dass mit unser aller Steuergeld das Kerosin subventioniert wird, während Fernfahrten mit der Bahn gerade zu Stoßzeiten teuer sind“. Allgemein wolle Baerbock im Fall einer Machtübernahme Kurzstreckenflügen den Kampf ansagen.

Leidtragende wären darunter wohl hauptsächlich die Kurzurlauber oder pendelnde Residenten. „Übrigens fliegt kaum eine Familie für 29 Euro nach Mallorca. In Ferienzeiten liegen die Ticketpreise deutlich drüber. Die Schnäppchen gibt es für Wochenendkurztrips, da sitzt wohl kaum die Familie mit zwei schulpflichtigen Kindern im Flieger“, sagte Baerbock in dem Interview weiter.

Die Antwort der Union ließ nicht auf sich warten. Nur einen Tag nach dem Baerbock-Interview meldete sich Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, zu Wort und sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Flüge würden für Durchschnittsverdiener nahezu unbezahlbar, zudem wären Tausende Arbeitsplätze am Luftverkehrsstandort Deutschland gefährdet, wenn die Menschen bei steigenden Preisen auf grenznahe Flughäfen im Ausland ausweichen.“

Baerbocks Forderung würde nicht nur innerdeutsche Ziele, sondern alle Flüge bis 1.500 Kilometer Flugstrecke betreffen, sagte Steiger. „Der bei den Deutschen beliebte Urlaub auf den Balearen wäre also für viele Arbeitnehmer finanziell bald nicht mehr drin.“

Baerbocks Forderung zielte tatsächlich vorrangig auf Kurzstreckenflüge ab. Im Fall von Mallorca trifft diese Kategorisierung für einen erheblichen Teil der Verbindungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu. Alle Flughäfen in der Schweiz, in Österreich sowie in Süd- und Westdeutschland liegen weniger als 1.500 Kilometer Luftlinie von Son Sant Joan entfernt. Verbindungen aus Ost- und Norddeutschland nach Mallorca gelten hingegen als Mittelstreckenflüge, weil sie zwischen 1.500 und 3.000 Kilometer lang sind.

Auch SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze und CSU-Chef Markus Söder mischten sich in die Diskussion ein und lehnten eine Abschaffung von Kurzstreckenflügen ab. „Das Verbot von Kurzstreckenflügen wäre Unsinn und auch wirtschaftlich ein Problem für unser Land“, sagte Söder der „Ausgburger Allgemeinen“. Und brachte dann auch wieder Mallorca ins Spiel. „Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass sich auch noch die breite Bevölkerung einen Flug nach Mallorca leisten können muss.“ Statt Verboten solle der Bahnverkehr attraktiver gemacht werden. Schulze ihrerseits hielt ein Verbot in Deutschland auch deshalb für unnötig, weil es aus ihrer Sicht kaum noch „extreme Kurzstreckenflüge wie in anderen Ländern“ gebe.

Blick in die Parteiprogramme

Dass die Forderungen nach einer Einschränkung des Flugverkehrs im Wahlkampf nicht unbedingt populär sind, merkte speziell Baerbock schnell. Kurz nach ihrem Interview stellte sie klar, dass sie nie ein Verbot von Kurzstreckenflügen in Aussicht gestellt hatte. Auch Anton Hofreiter unterstrich, dass es sich um eine „verquere Debatte“ handle, da nie von einem Verbot der Flüge die Rede gewesen sei. Nach der Aufregung wurde es schnell wieder ruhig. Offensichtlich wollte sich keine der Parteien noch einmal die Finger verbrennen. Darauf deutet auch einiges hin, wenn man sich die Programm der sechs großen Parteien für die Bundestagswahl anschaut.

Die Grünen

Klar thematisiert wird der Abschied von Kurzstreckenflügen nur bei den Grünen und der Linken. Bei den Grünen findet sich ein eigener Absatz im Programm unter dem Titel „Flugverkehr zukunftsfähig ausrichten“. Darin heißt es unter anderem: „Kurzstreckenflüge wollen wir ab sofort Zug um Zug verringern und bis 2030 überflüssig machen, indem wir massiv Bahnangebote – gerade Direkt- und Nachtzugverbindungen – ausweiten und für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsmitteln sorgen, die die ökologischen Kosten widerspiegeln.“ Von einem Verbot ist nicht die Rede. Auch zum Thema Billigflüge steht etwas im Parteiprogramm: „Außerdem setzen wir uns für die Einführung einer europäischen Kerosinsteuer ein. Bis diese in der EU umgesetzt ist, werden wir auf nationaler Ebene eine Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge einführen. Lohndumping durch Billigflüge muss beendet werden.

Die Linke

Auch die Linke hat Ideen in ihrem Programm zu dem Thema formuliert. „Kurzstreckenflüge und große Teile des Güterverkehrs verlagern wir auf die Schiene.“ Die Flugpreise dürften mit der Linken steigen: „Den sozialen und ökologischen Dumpingwettbewerb im Luftverkehr wollen wir unterbinden. Wir wollen eine einheitliche Kerosinsteuer in der EU. Auf Flugtickets ins Ausland soll der volle Mehrwertsteuersatz fällig werden.“

SPD

Bei der SPD findet sich keinerlei Referenz auf Scholz’ Vorstoß eines Mindestpreises für Flugtickets. An zwei Stellen des Programms geht es lediglich allgemeiner um den verstärkten Einsatz von Wasserstoff-Technologien, um den Flugverkehr weniger klimaschädlich zu machen.

CDU/CSU

Weniger überraschend ist, dass sich auch im Wahlprogramm der Union kein Hinweis auf den Umgang mit Kurzstrecken- oder Billigflügen findet. Der CDU/CSU sei lediglich „wichtig, dafür zu sorgen, dass am Standort Deutschland synthetische Kraftstoffe entwickelt und produziert werden. Flüge, bei denen alternative Kraftstoffe eingesetzt werden, wollen wir von der Luftverkehrssteuer befreien“.

FDP

Auch die FDP geht in ihrem Programm nicht auf das Thema der Kurzstrecken- oder Billigflüge ein. Die Liberalen sprechen sich wie die CDU/CSU für „Mehr Tempo beim Wasserstoff“ aus und schreiben: „CO2-neutraler Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe können fossile Brennstoffe in der Industrie ersetzen, Autos, Schiffe sowie Flugzeuge antreiben oder Gebäude heizen.“

AfD

Die AfD möchte am liebsten alles so lassen, wie es ist. Die Rechtspopulisten wollen ohnehin den Klimawandel, den sie für nicht menschengemacht halten, nicht bekämpfen, sondern ihm „positiv begegnen“. Beim Thema Flugverkehr positioniert sich die AfD unmissverständlich: „Der globale Flugverkehr ist von elementarer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland und darf nicht kurzsichtig einer unwissenschaftlichen Klima-Hysterie geopfert werden.“ Zwei Sätze weiter steht: „Die AfD befürwortet die Abschaffung der Luftverkehrssteuer und richtet sich gegen unrealistische CO2-Reduktionsziele der EU.“