Keine Frage: Der zweite Corona-Sommer auf Mallorca ist deutlich besser verlaufen als erwartet. Die Urlauberzahlen – vor allem im Juli und August – haben beinahe für eine gewisse Glückseligkeit gesorgt. Doch die heiße Phase der Hochsaison ist vorbei, der Herbst ist da. Und die Belebung der Nebensaison, über die seit Jahren gesprochen wird, bleibt eine Herausforderung. Dabei könnte die Pandemie-Situation das große Projekt sogar begünstigen. Doch ist Mallorca inzwischen dafür gerüstet?

Flüge und Unterkünfte

Betrachtet man die nackten Zahlen, sieht es tatsächlich so aus, als könnte die Saison um einige Wochen verlängert werden. Die Nachfrage nach den Balearen ist derzeit hoch – und in mehreren deutschen Bundesländern starten in wenigen Tagen die Herbstferien. Die Anzahl der deutschen Urlauber dürfte also in den kommenden Wochen und bis Ende Oktober noch einmal deutlich steigen.

Darauf deuten auch die programmierten Sitzplätze der Airlines hin. Zwischen dem 15. September und dem 15. Oktober sind laut einer Studie der Agentur für Tourismusstrategie auf den Balearen AETIB genau 466.400 Sitzplätze zwischen Deutschland und Mallorca geplant, 32 Prozent der gesamten Flugkapazität der Inseln in diesem Zeitraum. Zu keinem anderen sogenannten Quellmarkt gibt es so viele Flugverbindungen. Bei Reiseveranstaltern wie der Tui liegt Mallorca derzeit auf Rang zwei der Ziele für Flugreisen in den Herbstferien. Die Buchungen gingen inzwischen besser als für Antalya, das (noch) auf Rang eins lag, wie es heißt.

Flieger im Landeanflug auf Mallorca. Bendgens

Allerdings werden nicht überall auf der Insel Urlauber unterkommen. Denn manche Touristenhochburgen wie etwa Magaluf und Palmanova motten dieser Tage die meisten ihrer Hotels für den Winter ein. Im benachbarten Peguera dagegen will die örtliche Hoteliersvereinigung bis Dezember durchhalten.

Ausflugsbranche

Die meisten Ausflugsschiffe verkehren im Herbst nicht mehr. Barcos Azules

Dass eine Saisonverlängerung in der Praxis an vielen Stellen noch Wunschdenken ist, zeigt sich in der Ausflugsbranche. „Nach dem Sommer verzeichnen wir immer einen deutlichen Rückgang der Verkäufe, auch dieses Mal. Schon allein deshalb, weil viele Veranstalter ihre Aktivitäten dann einstellen“, berichtet Toni aus dem Gründungsteam der Veranstaltungsagentur click-mallorca.com. Vor acht Jahren baute der Mallorquiner die Website auf, auf der Urlauber wie Residenten Führungen, Expeditionen oder Ausflüge buchen können.

Im Sommer sind rund 200 verschiedene Aktivitäten im Programm, im Herbst und Winter gerade einmal 50. „Vor allem die Anbieter der Bootsausflüge machen außerhalb der Hauptsaison dicht. Was weiterhin gut läuft, sind Attraktionen wie Heißluftballonfahrten, Hubschrauberflüge und Weinkellerei-Besichtigungen sowie private Führungen durch Palma, die kulturell geprägt sind und nicht nur die typischen Hauptattraktionen zeigen.“

Toni ist davon überzeugt, dass Mallorca Potenzial hat, auch im Herbst mehr Urlauber anzulocken. „In dieser Jahreszeit kommen vor allem Leute, die an der Insel interessiert sind, viel entdecken wollen und auch bereit sind, dafür angemessen zu zahlen. Leider wird bei der Vermarktung die Gastronomie oft vergessen, dabei gibt es hochklassige Restaurants, die ganzjährig aufhaben.“

Teilweise hat das Click-Mallorca-Team, das aus einem Gros an Angeboten die attraktivsten herausfiltert und anpreist, auch selbst versucht, örtliche Firmen davon zu überzeugen, Aktivitäten für Besucher zu veranstalten. „Leider redet man da oft gegen eine Wand, so sind wir Mallorquiner nun einmal.“

Gleichzeitig trage auch die öffentliche Verwaltung Mitschuld daran, dass die angestrebte Saisonverlängerung nicht wirklich funktioniert. „Es wird zu wenig aus Sicht der Kunden gedacht. Es bräuchte eine gut präsentierte, leicht zu überblickende Übersicht im Internet darüber, was ein Urlauber in den jeweiligen Jahreszeiten alles auf Mallorca erleben kann. Das versuchen wir auf unserer Seite, aber es müsste auch im Großen geschehen.“

Tramuntana

Fornalutx ist eines der schönsten Dörfer in der Tramuntana. Balaguer

Mehr Unterstützung durch die Institutionen – das wünscht sich auch Joe Holles, Vorsitzender der gemeinnützigen Vereinigung Tramuntana XXI. Dabei ist sein Fall ganz anders gelagert. „Die Hochsaison in der Tramuntana ist ganz klar der Herbst“, sagt er. Logisch: Dann wandert es sich angenehmer als im heißen Hochsommer. Auch bei den Workshops auf landwirtschaftlichen Fincas wie Son Moragues, die Holles verwaltet, sei die Nachfrage in den Herbst hinein ungebrochen. „Im Sommer füllen wir die Plätze auch, einfach, weil so viele Leute auf der Insel sind. Im Herbst steigt dann aber deutlich der Anteil derer, die sich zu uns aufmachen, gemessen an der Gesamtzahl der Touristen.“ Auch geführte Ausflüge lägen im Herbst im Trend.

„Ohne Zweifel sind es immer mehr ausländische Urlauber, die es in dieser Jahreszeit in die Tramuntana zieht. So gesehen funktioniert dort die Saisonverlängerung. Die Frage ist nur: Wollen wir wirklich einen Massentourismus aus Wanderern und Ausflüglern, die oftmals anderswo auf der Insel übernachten, sich ihr Brot mitbringen und nichts für den Erhalt der Tramuntana tun?“

Die Marketingstrategie der öffentlichen Institutionen schaffe es zwar erfolgreich, möglichst viele Menschen in die Tramuntana zu locken, und auch immer mehr Reiseveranstalter sprängen auf den Zug auf. „Aber das hat erst einmal nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Es fehlt an einer wirklichen Strategie und der Kooperation mit den eigentlichen Akteuren in der Tramuntana“, kritisiert Holles.

Auch das Kompetenzgerangel der verschiedenen Verwaltungsorgane sei ein „Desaster“. „Es ist zwar schön, dass mehr Leute die Tramuntana besuchen wollen. Aber solange es nicht eine Institution gibt, die allein dafür zuständig ist, den Tourismus in der Bergregion mit einem durchdachten und nachhaltigen Plan zu koordinieren, und nicht nur auf Massen setzt, ist es kritisch. Wenn wir nicht aufpassen, wird es uns in einigen Jahren in der Tramuntana im Herbst so ergehen wie mit dem Sol-y-Playa-Tourismus im Sommer.“

Noch immer wüssten viele Besucher nicht, dass es sich bei der Tramuntana mitnichten um wilde Landschaft handelt, sondern hinter der Schönheit vor allem aufwendige landwirtschaftliche Bearbeitung steckt. „Wir brauchen Urlauber, die sich dafür interessieren und während ihres Aufenthalts auch gezielt Produkte von hier kaufen“, so Holles. In Sóller laufe das angesichts einer Kooperation der Hoteliers mit dem örtlichen Agrarverbund schon ganz gut.

Shopping

Einkaufen geht nicht nur in Palma. DM

Während die Besucherströme im Herbst also von den Stränden in die Berge abwandern, kehrt in den Küstenorten Ruhe ein. Ganz zum Leidwesen der dortigen Geschäfte. „Ich verstehe wirklich nicht, warum so viele Hotels schon im Oktober oder November schließen“, sagt Miquel Àngel Mateu vom Einzelhandelsverband PIMEM. „Es ist doch so schön, im Herbst an der Küste spazieren zu gehen, die Insel bietet dann eine tolle Kulisse mit ihren Stränden und Dörfern.“

Genau das müsse im großen Stil beworben werden. „Das hilft dann auch uns Einzelhändlern. Kaum jemand kommt nur zum Shopping nach Mallorca, es ist eher etwas, das man zusätzlich zu anderen Aktivitäten in seinen Urlaub einbaut.“ Helfen könnten auch Einkaufsgutscheine, die am besten direkt am Flughafen verteilt werden müssten.

Doch nicht nur die Politik müsse energischer vorgehen, sondern auch die Branche selbst. „Leider machen viele Einzelhändler vor allem außerhalb von Palma ihre Läden dicht, wenn die Saison vorbei ist.“ Auch, weil die Anzahl der geöffneten Unterkünfte sinkt. Es sei eben ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gelte.

„Die Ladenbesitzer bräuchten mehr Mut und Geduld, zumal viele ja nun auch endlich Corona-Hilfen bekommen haben und der Sommer gut gelaufen ist“, findet Mateu. „Je mehr Geschäfte in einem Ort ganzjährig geöffnet bleiben, desto attraktiver wird er für die Urlauber – aber das dauert eben.“

Dass im Herbst nur Palma bei Einkaufsfragen eine Option ist, will Mateu aber nicht unterschreiben. „Wir haben Manacor und Inca, wo ganzjährig geshoppt werden kann, und auch in Orten wie Cala Ratjada, Pollença, Can Picafort oder Alcúdia sind im Herbst noch Geschäfte offen.“

Radsport

Herrliche Strecken für Radurlaub gibt es auf der Insel, wie hier am Cap Formentor Philipp's Bike Team

Etwas, das in der Nebensaison auf Mallorca eigentlich immer geht, sind Radsportferien. „Speziell auf Mallorca ist die Pandemie-Lage derzeit so entspannt, dass man ohne Probleme auf die Insel kommen kann“, sagt Marcel Iseli, Sportdirektor des Radreiseveranstalters Huerzeler. Und der November ist aus seiner Sicht ohnehin der schönste Monat für einen Radsporturlaub auf Mallorca.

Aber wie das in diesem Jahr klappen könnte, weiß Iseli bisher noch nicht. Viele Hotels, speziell in der bei Radsportlern beliebten Nord- und Nordostecke der Insel, könnten womöglich dann schon geschlossen sein. Iseli fordert daher: „Es ist jetzt wichtig, dass die Hotels endlich Farbe bekennen, was sie machen.“ Es sei schwierig, Radurlauber spontan umzuverteilen, wenn die ursprünglich geplanten Hotels dann plötzlich in der Winterpause seien. Allerdings hat Iseli auch Verständnis für die Unternehmer. „Ein großer Teil der Buchungen kommt durch Corona inzwischen sehr kurzfristig herein.“

Iseli geht davon aus, dass die hohen Buchungszahlen aus dem Jahr 2019 diesen Herbst erreicht werden können. Es gebe gute Angebote. Um noch mehr Sportbegeisterte für einen Inselabstecher zu gewinnen, setzt Huerzeler inzwischen verstärkt auf zielgruppengenaue Werbung wie Newsletter oder Social Media. Und da seien dann auch viele Menschen auf die Insel aufmerksam geworden, die normalerweise exotischere Ziele für ihre Radsportferien auswählen. Beispiel Kuba: „Dort mussten wir einige Reisen absagen, weil man einfach noch nicht einreisen konnte“, berichtet Iseli. Mallorca im Herbst sei da eine Alternative.

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Keine Auskunft

Wenn denn die öffentlichen Stellen auch in die Puschen kommen würden. Die Agentur für Tourismus-Strategie auf den Balearen, AETIB, hat zwar einen 29-seitigen Plan vorgelegt, wie der Tourismus nach der Corona-Krise wieder in Schwung gebracht werden könnte. Aber mit der Presse über konkrete Maßnahmen und die im Artikel geäußerte Kritik zu sprechen, klappt dann doch nicht. Es finde sich kein Verantwortlicher, sagt die Pressesprecherin resigniert.