Nun hat sich auch die Politik eingeschaltet: Berlin und Brandenburg ist das Chaos am gemeinsamen Flughafen BER, wo es besonders am Wochenende zu stundenlangen Wartezeiten kam, ganz offensichtlich peinlich. „Die Abwicklung des operativen Betriebs am BER ist zwar Sache der Flughafengesellschaft selbst. Die aktuellen Bilder und Eindrücke vom Betrieb am BER sind allerdings kurz gesagt nicht das, was wir uns von unserem Flughafen erwarten“, sagte Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD) gegenüber der „Berliner Morgenpost“ (online).„Auch andere Flughäfen stehen vor schwierigen Problemen, aber von keinem kenne ich Bilder wie derzeit von unserem BER.“

Ähnlich äußerte sich die Berliner Senatsfinanzverwaltung. "Bei allem Verständnis für die Auswirkungen der Corona-Pandemie erwartet das Land Berlin einen regulären Flughafenbetrieb“, sagte ein Sprecher der Zeitung. "Die Vorgänge am Terminal 1 dürfen sich nicht wiederholen."

Lufthansa: Besser vier Stunden vor Abflug erscheinen

Verärgerte und frustrierte Fluggäste, darunter viele Mallorca-Urlauber, mussten etwa am Samstag zum Teil mehr als zwei Stunden auf das Einchecken warten oder verpassten sogar ihre Maschinen. Die Situation war so angespannt, dass die Lufthansa ihren Kunden in einer E-Mail empfahl, in der laufenden Woche vier Stunden vor Abflug vor Ort zu sein, wie ebenfalls die "Berliner Morgenpost" als Erste berichtete.

Am Dienstagnachmittag nahm die Lufthansa diese derart präzise Empfehlung zurück. "Wir haben unsere Kundenkommunikation in diesem Punkt korrigiert“, zitiert "Die Welt" einen Flughafensprecher. "Nach wie vor bitten wir unsere Gäste, frühzeitig zum BER anzureisen, insbesondere bei Abflügen am Vormittag, da in dieser Zeit das Passagieraufkommen besonders hoch ist.“

Zu Beginn der Herbstferien in Berlin und Brandenburg reisten allein am Freitag nach Angaben eines Flughafensprechers erstmals in der Pandemie wieder rund 67.000 Passagiere über den BER. Am Samstag waren es demnach 55.000 und am Sonntag 66.000. Vom Vorkrisen-Niveau sind solche Zahlen noch weit entfernt. Für den Flughafen waren es in dieser Phase dennoch schon zu viele.

Schuldfrage bislang ungeklärt

Die Schuld dafür suchen alle Beteiligten beim jeweils anderen. So wies die Lufthansa auf fehlende Abfertigungskapazitäten hin. Die Fluggesellschaft habe beim Check-in die maximal mögliche Zahl von zwölf Schaltern geöffnet und zusätzliches Personal im Wartebereich eingesetzt, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Derzeit ist der Check-in besonders aufwendig, weil aufgrund der Pandemie die meisten Reisenden dort Corona-Tests oder Impfnachweise vorlegen müssen, um ihre Reise antreten zu können.

Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg schob die Probleme am Wochenende deshalb vor allem auf Personalengpässe an den Schaltern, die am BER von den Fluggesellschaften besetzt werden. Vor allem wegen Krankmeldungen habe die Personaldecke dort «unter den Planungen» gelegen. So sei es vor allem am Samstag zu deutlich verlängerten Wartezeiten gekommen, obwohl an dem Tag weniger Menschen als am Freitag und Sonntag unterwegs waren. Auch bei den Bodenverkehrsdienstleistern fehlte es aufgrund von Krankheit demnach an Personal.

Nur eines von drei Terminals geöffnet

Am BER ist derzeit aus Kostengründen nur eines von drei Passagierterminals geöffnet: das Hauptterminal T1. Nach wie vor gehen die Verantwortlichen aber davon aus, dass die Kapazitäten dort ausreichen, solange die Personaldecke nicht zu dünn wird. Eine kurzfristige Öffnung des im vergangenen Jahr fertiggestellten Terminals T2 sei derzeit nicht geplant.

Tatsächlich ist es vor allem der Personalmangel, der die gesamte Luftfahrtbranche in Deutschland vor Herausforderungen stellt. "Durch Kurzarbeitszeitregelungen an den Flughafenstandorten wegen des mehrmaligen Lockdowns haben viele Beschäftigte das Arbeitsverhältnis gelöst oder stehen durch ausgelaufene Verträge nicht mehr zur Verfügung", stellt der Flughafenverband ADV fest. "Neueinstellungen für Unternehmen mit Kurzarbeit sind zumeist nicht möglich." Zu angespannt sei die wirtschaftliche Lage der Unternehmen.

Überall zu wenig Leute

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sieht ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. "Wir haben beim Neustart in allen Bereichen zu wenig Leute", sagt Verdi-Luftfahrtexpertin Mira Neumaier. Sie hatte schon zum Sommerbeginn gewarnt: Während der Krise hätten 16 Prozent der Luftverkehrsbeschäftigten die Branche dauerhaft verlassen. Bei den Bodenverkehrsdiensten mit ihren harten und gering bezahlten Jobs sei es sogar fast die Hälfte gewesen. Ein Neustart des Luftverkehrs werde selbst bei nur 50 Prozent des Vorkrisen-Niveaus nicht leistbar sein.

Das könnte Sie interessieren:

"Rattenrennen" um die niedrigsten Kosten und Löhne

Die Gewerkschaft verlangt nun ein Zurückdrehen des aus ihrer Sicht künstlich geschaffenen Wettbewerbs der Abfertiger an den Flughäfen, der zu einem "Rattenrennen" um die niedrigsten Kosten und Löhne geführt habe. "Das System ist kaputt und hat sich als nicht krisenfest erwiesen", sagt Neumaier. An seine Stelle müsse eine nachhaltige Infrastrukturplanung treten. Die Verhandlungen für einen umfassenden Branchentarifvertrag waren im vergangenen Jahr unter dem Eindruck der Corona-Krise abrupt gescheitert. ck/dpa