Wenn ein deutscher Bodybuilder auf Mallorca davon träumt, einen Muscle-Strand aufzubauen wie ihn einst Arnold Schwarzenegger in Kalifornien vorfand, ist das noch nichts Ungewöhnliches. Spannend wird es, wenn dieser Muskelprotztraum bei einem eher kopflastigen mallorquinischen Uni-Professor auf fruchtbaren Boden fällt und plötzlich ungeahnte Synergien freilegt. Dies ist die Geschichte einer Idee, die auch aufgrund der besonderen Corona-Lage auf der Insel auf einmal sehr viel Rückenwind bekommen könnte.

Die starken Träumer

Das schräge Bodybuilder-Paar Caro und Andreas Robens ist vielen deutschen Fernsehzuschauern bestens bekannt – als Auswanderer in der Vox-Sendung „Goodbye Deutschland“, als Gewinner des RTL-Contests „Das Sommerhaus der Stars“ und nicht zuletzt als erfolgreiche Betreiber von Fitnessstudios und Restaurants auf Mallorca. Ihren lang gehegten Traum von einem Bodybuilder-Strand an der Playa de Palma kennen dagegen noch wenige: „Wir brauchen hier so etwas wie den Muscle-Beach in Kalifornien. Davon träume ich schon, seit ich hier bin, seit zwölf Jahren“, schwärmt der muskelbepackte Andreas Robens.

Der Muscle Beach Venice in Los Angeles, wo braun gebrannte Körper in aller Öffentlichkeit und von vielen Schaulustigen bewundert ihre Muskeln trainieren, gilt als Ursprungsort des Bodybuilding- und Fitnessbooms. Besondere Bekanntheit erhielt er durch Arnold Schwarzenegger, der dort nach wie vor als Idol vergöttert wird. „Und in Europa haben wir so etwas nicht“, erklärt Andreas weiter. „Die Leute warten nur darauf, dass es so etwas hier gibt. Das würde die Insel überschwemmen mit Bodybuildern“, ist sich Andreas sicher.

. l Gute Ideen brauchen auch gute Bilder. Diese Grafik fertigte die Illustratorin Joanna Hegemann an, die selbst gern auf Mallorca ist. | ILLUSTRATION: JOANNA HEGEMANN

Andreas und seine Frau Caro haben bereits alles startbereit: „Etwa 15 bis 20 Outdoor-Maschinen für den ganzen Körper, dazu ein paar Kurzhanteln und Bänke, ein kleiner Zaun darum und eine Nachtwache für die Sicherheit.“ Die Sponsoren Gorillasports (Fitnessgeräte) und Engel (Sportnahrung) würden Werbung machen. Die TV-Sender Vox und RTL würden das Thema sofort groß in die Medien bringen. Und sogar der Schauspieler und Bodybuilder-Star Ralf Moeller habe zugesagt, vorbeizukommen, wann immer er in Europa sei.

„Wir haben auch schon mit den Behörden gesprochen. Der Bürgermeister der Gemeinde Llucmajor findet die Idee super“, erklärt Caro. Selbst mit der Hafenbehörde in Palma könne man sich vermutlich über ein ungenutztes Grundstück einigen. Nur die für die notwendige Sondergenehmigung zuständige Küstenbehörde in Madrid mauert bislang beharrlich. „Wir haben schon alles probiert.“

Die Kuppler

Zwei Deutsche aus dem Umfeld der MZ ließen sich von dem Enthusiasmus des sympathischen Paares begeistern. Zunächst war es der Anzeigenverkäufer Miguel Cao, der sich die Träume von Caro und Andreas genau anhörte und plötzlich spitze Ohren bekam. Cao kam selbst ins Grübeln: Und wenn nicht nur Bodybuilder nach Mallorca kämen? Wenn an jedem Balneario eine andere Outdoor-Aktivität angeboten würde? Gemeinsam mit seinem Freund Sebastián Terrassa, einem ehemaligen MZ-Fotografen, spann er die Idee weiter. Yoga und Mindfulness an den Balnearios bei Can Pastilla. Tanzkurse in Höhe der großen Diskotheken an den Balnearios 5 und 6, Skateparks an den Flächen in Richtung Llucmajor. „Wir haben uns die Gegend genau angeschaut und festgestellt, dass es in der Nähe zu den Balnearios eher verwahrloste Grünflächen gibt, die sich ideal nutzen ließen“, erzählt Terrassa.

Den beiden Freunden wurde schnell klar, was für ein Potenzial hinter diesem zunächst spinnert klingenden Brainstorming schlummerte. Gerade in einem Moment, in dem der Sauftourismus an der Playa de Palma ohnehin Pause hatte. „Und jetzt, wo die Welt gemerkt hat, dass es viel mehr Aktivitäten im Freien braucht“, erklärt Cao. Den beiden war jedoch auch bewusst, dass weder das Bodybuilder-Paar Robens noch sie selbst bis zu den letztlich politisch Verantwortlichen vordringen dürften. Sie entschlossen sich, einen Mann der Balearen-Universität (UIB) zu kontaktieren, von dem sie in der Zeitung „Diario de Mallorca“ gelesen hatten.

Der Ideen-Profi von der Uni

Schon beim ersten Gespräch wurde klar, dass die Ideen bei Julio Batle auf fruchtbaren Boden fielen. Auf den ersten Blick könnte man denken, dass den Uni-Professor wenig mit den Bodybuildern an der Playa de Palma verbinden könnte. Aber im Wunsch, das Sauf-Image am Ballermann endgültig abzustreifen und die Bucht der Balearen-Hauptstadt stattdessen für einen zeitgemäßen Tourismus vorzubereiten, sind sich die Fitnessstudio-Betreiber, die MZ-Mitarbeiter und der BWL-Professor einig. Und noch viele Menschen mehr, wie sich bald herausstellen sollte.

Aber bleiben wir zunächst noch bei Batle, der alles andere ist, als ein typischer Akademiker. Viele seiner BWL-Studenten an der Balearen-Universität verzweifeln beim Mitschreiben in den Vorlesungen, weil Batle gern von einem Konzept zum anderen springt und immer neue Ideen aus ihm hervorsprudeln. Nicht umsonst ist Batle neben seiner Lehrtätigkeit an der UIB Leiter des Labors für Unternehmensgründungen und gesellschaftliche Innovation an der UIB, Verantwortlicher für neue Projekte am Observatorium für Start-ups in Spanien und Mitgründer von GlobalCEN, einem mallorquinischen Unternehmen, dass angewandte Forschung für den besseren Umgang mit der Natur anbietet. Batles Gehirn arbeitet permanent auf Hochtouren und verknüpft die Ideen, die andere vortragen, sofort mit dem bei ihm angehäuften Wissen aus dem Bereich der Unternehmensgründung.

Für Batle war schnell klar, dass es sich bei den Bodybuilder-Schwärmereien um eine ernst zu nehmende Idee mit revolutionärem Potenzial für die Playa de Palma handelt, die schließlich seit Jahrzehnten vom Image des Sauftourismus wegkommen möchte und dabei schon Millionensummen verschlungen hat, ohne das Ziel wirklich zu erreichen. Batle verfasste ein Konzept.

Aus dem Munde eines Uni-Gelehrten klingen die Ideen freilich ganz anders und werden mit so einigen englischen Fachwörtern ausgeschmückt. Aus dem Fitnessstudio im Freien wird schnell ein GymHub, das sich in eine Landschaft verschiedener thematischer SportHubs einfügt. Die Idee wächst. Mallorca und die anderen Balearen-Inseln könnten sich mit diesen Plänen – so steht es wörtlich in Batles Projektentwurf – „zur Avantgarde im Post- Covid-Tourismus“ aufschwingen. „Der Moment ist ausgesprochen günstig, und der Wunsch nach Neuerfindung und Anpassung des Sektors war noch nie so groß. Den Balearen könnte eine goldene Ära der touristischen Innovation bevorstehen“, heißt es im Vorwort zum Projekt „FreizeitHubs an der Playa de Palma“.

In Bezug auf den bisherigen Widerstand der Behörden – insbesondere der mauernden Küstenbehörde der spanischen Zentralregierung in Madrid –, schreibt Julio Batle: „Die private Nutzung der Strände ist a priori problematisch. Aber nicht, wenn es sich um ein Projekt handelt, das von den öffentlichen und privaten Schlüsselinstitutionen unterstützt wird. Es könnte sich zu einem Projekt mit Vorbildcharakter entwickeln, bei dem viele Beteiligte aneinem Strang ziehen.“

"Nicht aufzuhalten"

Und weiter: „Die Zuständigkeit der Küstenbehörde verhindert, dass die Balearen-Regierung selbst die Initiative ergreifen kann. Aber wir gehen davon aus, dass ein klar definiertes und ausgereiftes innovatives Projekt, das von gesellschaftlichen und unternehmerischen Kollektiven mitgetragen wird (idealerweise von Unternehmervereinigungen der Playa de Palma, der Stiftung Impulsa, den Branchenverbänden, der Balearen-Universität UIB sowie der Landesregierung) nicht aufzuhalten wäre.“ Das klingt auf einmal überhaupt nicht mehr nach unrealistischen Bodybuilder-Träumereien. „Nicht aufzuhalten“ – so steht es im Dokument des BWL-Professors.

Im Gespräch mit der MZ erklärt Batle seine Einschätzung genauer. Es gehe darum, das konventionelle Konzept von Sonne und Strand mit Sport und aufkommender Jugendkultur zu kombinieren. „Die Aufteilung in Themenbereiche der Playa de Palma ist auch aus Gründen der Markenbildung notwendig“, so Batle. „Es geht nicht darum, einfach Sportler anzulocken. Es geht darum, bestimmte Segmente von Sportlern anzusprechen“, führt er aus und nennt neben den Kraftsportlern, die Radfahrer, Betreiber von Yoga oder Menschen, die Fitness mit Mindfulness kombinieren möchten. Es brauche konkrete sichtbare Angebote am Strand, die wie Hubs wirken und dabei die bereits bestehenden Angebote und Unternehmerstrukturen der Insel einbeziehen. Caro und Andreas Robens seien gute Beispiele dafür. Sie verfügen bereits über ein Fitnessstudio sowie über ein Restaurant, in dem gesundes Fast Food für Sportler angeboten werde. Dahinter stünden weitere Firmen, Marken, Dienstleistungen. Im Bereich Radtourismus etwa seien bereits bekannte Unternehmer wie beispielsweise Max Hürzeler aktiv, die ihre eigenen Zielgruppen ansprechen könnten.

Im Endeffekt gehe es auch darum, moderne „urban tribes“ anzulocken sowie digitale Nomaden, die sich überall auf der Welt niederlassen können, so Batle. Für solche Zielgruppen müsse Mallorca attraktiver werden. Ein echtes Sportangebot an der Playa de Palma sei da eine gute Werbung.

Ein Traum braucht Bilder

Ein auf diese Weise professionell formulierte Projektidee öffnet schon viele Türen. Aber zum Vermitteln von Ideen braucht es auch Bilder. Die zwischen Mallorca und Deutschland pendelnde Illustratorin Joanna Hegemann erklärte sich bereit, zumindest eine erste Zeichnung anzufertigen, die dem Betrachter sofort einen Eindruck vom angestrebten GymHub Palma verschafft. „Generell finde ich die Idee gut“, sagt Hegemann. „Ich weiß aber nicht, in welchem Ausmaß das geplant ist. Und inwieweit das nicht ein bisschen voyeuristisch wird, ist mir auch noch nicht ganz klar“, sagt sie in Bezug auf das Freiluft-Bodybuilder-Studio an der Playa de Palma. Der erste Entwurf gefällt ihr trotzdem. Sobald auch finanzielle Mittel in der Angelegenheit zur Verfügung stünden, würde sie sich über einen bezahlten Auftrag freuen.

Viele offene Türen

Thema Geld: Auch bei dieser Frage hält Batle die aktuelle Lage für ausgesprochen günstig. Den Antrag zu den SportHubs hat er im Rahmen der EU-Fördergelder aus dem Fonds Next Generation eingereicht – jenen Geldern also, die aus Brüssel zur Überwindung der Corona-Krise zur Verfügung gestellt werden. „Allerdings muss das Projekt noch viele Hürden überwinden, um wirklich ausgewählt zu werden“, räumt Batle ein.

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Auch von den Hoteliers an der Playa de Palma habe er positives Feedback auf die Vorschläge erhalten, so der Uni-Professor. „Niemand ist mit der aktuellen Situation zufrieden.“ Und fügt belehrend hinzu: „Für Ideen muss man kämpfen, ohne sich an ihnen festzuklammern.“ Man müsse sie für andere öffnen und schauen, was sich daraus entwickle.

Pläne für mehr Austausch an der Playa de Palma

Erstmals soll es an der Playa de Palma regelmäßige Treffen geben, bei denen sich die beteiligen Unternehmen über gemeinsame Interessen verständigen und Streitigkeiten beilegen können. In einer neuen Plattform innerhalb des Unternehmerverbands CAEB wollen sich die ansässigen Vertreter der Hoteliers, Einzelhändler, Restaurants sowie Betreiber von Diskotheken und Nachtclubs austauschen. Gemeinsame Anliegen sind der Kampf gegen den Drogenhandel sowie gegen Saufgelage und laute Musik auf der Straße. Und auch über den Vorschlag der SportHubs könnte die Runde bald diskutieren.