Eigentlich waren 26 Paletten Glasflaschen bestellt, geliefert hat der Hersteller nur sechs – die Lieferketten sind wegen Corona kräftig durcheinandergeraten. Jetzt steht Julià Puig an der Reinigungsmaschine und füllt frisch gelieferte Flaschen darin ein, damit sie bei 80 bis 90 Grad mit Natriumhydroxid gereinigt werden. Die Maschine aus der Schweiz ist eigentlich für zurückgegebenes Pfandgut gedacht, das so von Etikett und Verunreinigungen befreit wird. Aber die Traditionsfirma Begudes Puig investiert derzeit – und setzt dabei voll auf Glas.

„Plastikflaschen bekommt man leicht auf dem Markt, solche aus Glas dagegen nicht“, sagt der 29-Jährige. Er stellt die vierte Generation des 1927 gegründeten Betriebs. Die Fabrik in Palmas Viertel Son Fusteret ging erst vor einem Jahr in Betrieb, seitdem sind Plastikflaschen aus dem Sortiment verbannt. Man habe anstrengende Jahre hinter sich, mit neuen Konzepten für Produkte und Marketing, aber auch mit Rückschlägen, nicht zuletzt wegen Corona. Jetzt stehen die Zeichen auf Expansion: Die Jahresproduktion von rund 500.000 Flaschen soll nach Möglichkeit verdreifacht werden, so Puig.

Sein Optimismus hat in der Branche der lokalen Hersteller von Erfrischungsgetränken auf den Balearen Seltenheitswert. Gab es bis Mitte des 20. Jahrhunderts praktisch in jedem größeren Ort sifoneries, die die Bevölkerung mit Sprudel aller Art versorgten, haben nur fünf Fabriken auf den Inseln den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel in Form von Tourismusboom und Globalisierung überlebt. Auf Mallorca behaupten sich drei gegen die Übermacht der globalen Konzerne, die Einzelhandel und Gastronomie fest im Griff haben.

War vier Jahre zu haben: Pep Lemón.

War vier Jahre zu haben: Pep Lemón. Frank Feldmeier

Die verbliebenen Lokalmatadore verfolgen dabei ganz unterschiedliche Strategien. Und nicht minder schwer haben es Start-ups für Insel-Limonaden. Am bekanntesten wurde Pep Lemón, ersonnen von einem Deutschen und zwei Mallorquinern. Aktuell am Start sind auch ein deutscher Bio-Brausen-Investor, der mit den Fallstricken der Bürokratie kämpft, und eine Destillerie, die eine Marktnische entdeckt hat.

Die Durchstarter

In der Fabrik von Begudes Puig läuft gerade Llima-Llimona vom Band – die gereinigten Flaschen werden automatisch befüllt, verschlossen und etikettiert. In die gebraucht gekauften Maschinen hat die Firma insgesamt rund 230.000 Euro investiert. Neben Limette-Zitrone sind Pinya (Ananas), Taronjada (Orange), Llimonada (Zitrone) und Cola im Programm, außerdem Soda Clàssica, Tònica Marina und Ginger Beer, die beiden Letzteren mit Alleinstellungsmerkmal in der Insel-Produktion, wie Puig erklärt. Weitere Anwärter fürs Sortiment: Cola Zero, Ice Tea, ein isotonisches Getränk sowie auch Bio-Limonade. Zudem sollen die verwendeten Früchte in Zukunft von der Insel kommen. Bislang beziehe man Saft und Konzentrat vom Festland, da das auf Mallorca derzeit noch zu teuer käme.

Sucfrut ist die Eigenmarke des Traditionsbetriebs La Paduana im Dörfchen Petra. FOTO: PADUANA Frank Feldmeier

Begudes Puig beliefert Gastronomie und Einzelhandel. Einige Bars habe man nach dem Wechsel von Plastik zu Glas als Kunden verloren – das Argument lautete: fehlender Platz für das Leergut. Dafür habe man mit den neuen, kleineren Flaschen in der Gastronomie zugelegt. Generell seien Wirte und Gäste seit Corona offener für lokale Produkte, stellt Puig fest – nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil besonders einer der großen Getränkekonzerne während des Lockdowns keinerlei Flexibilität mit seinen Kunden gezeigt haben soll, als diese ihre Lokale coronabedingt schließen mussten.

Die Ausgebremsten

Auch Felix Hanika glaubt fest daran, dass der Zeitpunkt für lokal produzierte Getränke ideal ist. Das Projekt des deutschen Unternehmers heißt ¡Cambia!. Die Idee der in Palma gegründeten Firma: eine Bio-Brause mit Früchten aus spanischem Anbau. Zunächst habe man testweise 5.000 Flaschen der Sorten Zitrone, Mandarine und Kräuter abgefüllt und mit diesem Qualitätsprodukt mit lokaler Wertschöpfungskette bei vielen Lokalen auf Mallorca offene Türen eingerannt, so der studierte Betriebswirt und Investmentbanker, der mit einer Halbmallorquinerin verheiratet ist. Zwar sollte ursprünglich auf Mallorca geerntet und abgefüllt werden, doch wegen fehlender Kapazitäten sei man aufs Festland ausgewichen – woraus man auch nie einen Hehl gemacht habe.

Die Bio-Brause ¡Cambia! sollte in drei Geschmacksrichtungen auf den Markt kommen. FOTO: ¡CAMBIA!

Doch dann kamen blaue Briefe der Behörden. Zunächst sei bemängelt worden, dass ein offizielles Bio-Zertifikat fehle, so Hanika – ein Versäumnis, dass man nachholen wollte. Doch die Behörden hätten mit nicht nachvollziehbaren Argumenten weitere Angaben des Etiketts bemängelt. Die Glasflaschen seien gar als nicht nachhaltig eingestuft worden. Auch das Prädikat „natürlich“ sei trotz der Bio-Zutaten infrage gestellt worden. Nach der Verhängung einer Strafe von knapp 10.000 Euro – bei Sofortzahlung gibt es Nachlass – seien die Investoren verschreckt und hätten das Vertrauen in den Markt verloren. Das Projekt ist auf Eis gelegt.

Gab es vielleicht eine Anzeige von Konkurrenten? „Solche Gedanken haben wir uns schon gemacht, aber wir haben keine Beweise dafür“, so der Unternehmer. Im Endeffekt spiele das aber auch keine Rolle, da man sowieso irgendwann den Behörden aufgefallen wäre. Es sei unverständlich, dass man einerseits etwa Kaffee aus Äthiopien kaufen, hier rösten und dann als lokales Produkt verkaufen könne. Andererseits aber bekomme man Probleme, wenn man spanischen Saft auf dem Festland abfülle und ihn als lokales oder regionales Produkt bezeichne. „Ziemlich absurd alles. Wir wollten gerade einen mittleren sechsstelligen Betrag investieren. Nun sagen wir alles wieder ab, schreiben keine Jobs mehr aus und stellen auch die Gespräche mit dem Direktor für strategische Investitionen auf den Balearen ein.“

Die Idealisten

„Der Druck ist ziemlich groß“, sagt Christoph Hafner. Der Deutsche hatte im Jahr 2014 zusammen mit zwei Geschäftspartnern die Limonade Pep Lemón auf den Markt gebracht, 2018 dann aber eine „kreative Pause“ eingelegt, die zum vorläufigen Abschied wurde. Dabei war das Konzept ein Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit: Die Insel-Zitronen wurden in der Behindertenwerkstatt Amadip gepresst, die in Petra mit Kohlensäure versetzte Limo dann in Pfandflaschen aus Glas vertrieben.

Zum Verhängnis wurde dem Projekt ein Markenstreit, den der Konzern Pepsi vom Zaun brach – dass „Pep“ ein mallorquinischer Vorname ist, zählte nicht als Argument. Aber Hafner listet eine ganze Reihe von weiteren entscheidenden Problemen auf, etwa den Verdrängungswettbewerb in Gastronomie und Einzelhandel. In vielen Supermärkten seien lokale Produkte nur eine Art Feigenblatt, die neben den globalen Marken kaum wahrgenommen würden. Hinzu kam, dass Pep Lemón mit einem Fruchtsaftanteil von 64 Prozent im Gegensatz zu globalen Aromastoff-Produkten deutlich teurer in der Produktion war.

In das Angebot von Bars aufgenommen zu werden, sei ebenfalls schwierig, bekämen diese doch von den Konzernen Getränke und Marketingmaterial geschenkt. Und auch die Gäste wollen überzeugt werden. „Die letzten Meter sind die schwierigsten, die von der Theke bis zum Tisch.“ Aber vielleicht sei man auch einfach zu früh dran gewesen mit einem lokalen Produkt, meint der Deutsche – das Bewusstsein dafür habe erst zuletzt merklich zugenommen.

Ganz neu auf dem Markt ist Kombutxa K’Bios.

Ganz neu auf dem Markt ist Kombutxa K’Bios. Frank Feldmeier

Die Traditionalisten

„Ich fände es schön, wenn es eine zweite Chance für die Marke gibt, vielleicht mit einem anderen Namen“, sagt Toni Gibert vom Betrieb La Paduana, wo Pep Lemón abgefüllt wurde. „Es war unglaublich, welchen Boom sie in so kurzer Zeit erlebte.“ Der Familienbetrieb in Petra besteht seit 1945, mit Toni Gibert ist die dritte Generation aktiv. Paduana vertreibt weiterhin eigene Getränke, zum einen Pinya Mallorquina – die legendäre Insel-Cola mit Ananas-Note –, zum anderen die Marke Sucfrut in fünf Geschmacksrichtungen. Die Produktion beläuft sich auf rund 1,5 Millionen Flaschen im Jahr.

Marketing habe man eigentlich nicht nötig, gerade bei älteren Mallorquinern sei der „Geschmack der Kindheit“ in guter Erinnerung, meint Gibert. Aber bei den Jungen müsse man bekannter werden. Und auch wenn man mit Konzernen wie Coca-Cola eigentlich nicht konkurriere – „wir machen mit viel Hingabe ein Qualitätsprodukt“ –, gibt es in den Supermärkten nicht genug Platz für alle. Während Pinya und Sucfrut bei Eroski, Hipercentro, IFA oder Coaliment zu haben sind, beiße man sich bei großen Ketten und Discountern bislang die Zähne aus. „Dabei sollte doch der Konsument selbst die Wahl treffen können.“

Schluck für Schluck zur Brause von hier

Die Innovativen

Ganz neu auf dem Markt ist dagegen Kombutxa K’Bios. Das süß-saure Erfrischungsgetränk made in Marratxí ist ein Kind der Pandemie. Während des Lockdowns experimentierte Biel Àngel Morey mit der Fermentierung auf der Basis von schwarzem Tee. Das Prinzip sei keine neue Erfindung, sondern habe eine mehr als 2.000 Jahre alte Geschichte mit chinesischem Ursprung, erklärt der Gründer von Fermentats de Mallorca. Mit Inspiration, Lektüre sowie nicht zuletzt der Technik und dem Team der Destillerie Antonio Nadal – dessen Direktor Morey gleichzeitig ist – konnte das probiotische Getränk in der Liter-Glasflasche im November auf den Markt kommen.

Der Startvorteil: die bereits bestehenden Vertriebsstrukturen für die alkoholischen Getränke. Der Markteintritt laufe glatt, man sei bereits in vielen Supermärkten der Insel vertreten und expandiere „exponentiell“, so Morey. Auch die Maschinen in der Destillerie im Gewerbegebiet von Marratxí habe man leicht an die Anforderungen des neuen Getränks anpassen können. Den Tee müsse man leider derzeit importieren, die weiteren Zutaten kämen von der Insel. Die Produktion von bis zu 3.000 Flaschen pro Woche werde schnell zunehmen, so der Unternehmer. Derzeit lege man die Grundlage für den Export ins Ausland, auch in Deutschland soll K’Bios künftig zu bekommen sein. Und die Konkurrenz durch internationale Konzerne? Von deren konventionellen Produkten unterscheide man sich ausreichend.

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Die Flexiblen

Von derartigem Optimismus würde sich Leonor Fuster gern eine Scheibe abschneiden. Die Leiterin des Traditionsbetriebs Fuster Begudes in Capdepera, die auch der Vereinigung der lokalen Getränkehersteller auf den Balearen vorsitzt, beklagt einen ungleichen Wettbewerb mit den Konzernen. Die öffentliche Hand müsse die Nachteile, die man als lokaler Hersteller habe, zumindest ein wenig ausgleichen. Im Gegensatz zu den Big Playern – Coca Cola und Pepsi haben ihre Abfüllanlagen auf Mallorca geschlossen und unterhalten nur noch Vertriebszentren – schaffe man schließlich Jobs auf der Insel.

Die Strategie von Fuster Begudes: Die 1936 gegründete Firma verkauft zum einen eigene Produkte, vor allem Sprudel und Wasserspender für die Gastronomie. Zum anderen vertreibt sie fremde Marken wie Estrella Galicia, Pascual oder Juver. Glas habe man nicht im Sortiment: Als kleiner Betrieb müsse man sich für eines von beiden entscheiden, und für ein Pfandsystem fehle die Infrastruktur, so Fuster.

Bei Begudes Puig dagegen glaubt man fest daran. „Woanders klappt es ja auch“, argumentiert Julià Puig, der eine Zeit lang in Deutschland studiert und gearbeitet hat. Mit der Gastronomie und kleinen Supermärkten habe sich das Pfandsystem bereits eingespielt. Und wo die nötige Infrastruktur fehlt, ist Improvisieren angesagt. So wird die Insel-Limo Puig inzwischen auch bei Carrefour verkauft, statt mit Pfand mit einem Aufschlag. Wer die Flaschen dann im Fabrikladen im Camí Vell de Bunyola, 7, vorbeibringt, bekomme ein „Pfand“ in Höhe von 15 Cent wieder zurück.