Ja, jeder Mensch ist ein Individuum. Ja, mit Klischees sollte man sparsam umgehen. Und überhaupt gibt es für alles Ausnahmen – keine Frage. Und doch haben die Akteure der Tourismusbranche auf Mallorca ein klares Bild der Urlauber im Kopf, das nicht selten an die Nationalität der Gäste gekoppelt ist.

Feiern die Engländer wirklich ausgelassener als die Deutschen? Warum sind Festlandspanier nicht gerade die beliebtesten Gäste? Und weigern sich Franzosen tatsächlich, Fremdsprachen zu sprechen? Die MZ lässt diejenigen lästern, die tagtäglich mit Inselgästen aus der ganzen Welt zu tun haben.

Magaluf gilt als Engländer-Hochburg. Foto: Fernandez

Exzessiv und Pünktlich: Die Briten

Engländer auf Mallorca? Da dauert es nicht lange, bis das Stichwort Magaluf fällt. Die britische Urlauberhochburg ist bekannt für exzessive Partys. „Es hängt weniger von der Nationalität ab, als von der Altersklasse“, meint ein Hotelier der Gegend. Typisch britisch sei auf jeden Fall, seinen nackten Oberkörper zu präsentieren. „Der Brite zeigt gern seine Tattoos, was nicht zu selten zu starkem Sonnenbrand führt.“ Der Engländer ist im Urlaub eher faul. Er bewegt sich hauptsächlich zwischen Hotel, Strand und Bar hin und her. „Wenn überhaupt, geht er mal in Freizeit- oder Wasserparks“, so ein Reiseveranstalter. „Und der Brite hat keine Hemmungen, viel Geld auszugeben, um Spaß zu haben“, sagt der Hotelier. In Sachen Verkehrsmittel greifen die Briten selbst bei kurzen Strecken lieber auf das Taxi zurück. „Manche sind regelrecht Stammkunden. Dafür zahlen sie aber ordentlich Trinkgeld“, berichtet eine Taxifahrerin.

Besonders im Juli wird Magaluf zur britischen Urlauberhochburg. Dann verlaufen sich nur noch selten Deutsche in das Gebiet im Westen. „Die Engländer regen sich immer über die Deutschen auf“, sagt der Hotelier. Es kommt zum klassischen Handtuchkrieg und dem Wettrennen um den ersten Platz im Speiseraum. „Ich habe britischen Stammgästen von uns nach 30 Jahren mal symbolisch die deutsche Ehrenstaatsbürgerschaft verliehen, weil sie immer die Ersten beim Abendessen sind“, sagt der Hotelier. Umgekehrt wagen sich auch immer mal wieder Briten nach El Arenal. „Die Briten machen beim Essen deutlich mehr Dreck als die Deutschen. Und sie sind lauter“, so ein Hotelmitarbeiter an der Playa de Palma. „Junge, feierwillige Engländer kann niemand kontrollieren, noch weniger als junge Deutsche.“ Nach Cala Ratjada verirren sich nur wenige Briten. „Aber häufig sind sie bei allem, was sie tun, exzessiver als die Deutschen. Tatsächlich auch beim Alkoholkonsum, obwohl die Deutschen sich da wahrlich auch nicht lumpen lassen“, so der Kellner einer Diskothek.

Deutsche an der Playa de Palma: Feiern mit Fahne am Strand vom Ballermann. Manu Mielniezuk

Korrekt und Stur: Die Deutschen

Nein, als Saubermann schlechthin gilt der deutsche Mallorca-Urlauber wahrlich nicht. Mit Adiletten und Tennissocken gekleidet, den Stadtplan in der Hand – so kennt man ihn. Und seien wir ehrlich: Nicht allzu selten ist dieses Vorurteil zutreffend. Doch auch die Deutschen haben längst entdeckt, dass Mallorca mehr als den Ballermann zu bieten hat – und das verändert auch ihr Image auf der Insel. „Urlauber aus Deutschland sind aktiv, gehen wandern und erkunden die Insel“, sagt ein Unternehmer. Dabei planen sie die Schritte oft im Voraus. „Der Preis wird erst als Letztes gefragt. Viel wichtiger ist dem Urlauber, was er für sein Geld bekommt.“ Dieser Drang nach Qualität war nicht immer so. „Vor zehn, 15 Jahren galt noch das Motto ‚Geiz ist geil‘ “, erzählt ein Radverleiher. „Heute schaut der Deutsche, dass er hochwertige Sachen bekommt.“ Zumal der Urlaub an sich für sie schon ein Statussymbol sei. „Sie brauchen die Ferien. Sonst können sie sich vor dem Nachbarn nicht mehr blicken lassen.“

Und der Umgang mit dem Personal? Hier gehen die Meinungen auseinander – von Standort zu Standort. „Deutsche sind oft unverschämt, versetzen sich nicht in die Lage der Angestellten, beschweren sich, sind in ihren Erwartungen überkorrekt, werden aber gleichzeitig ausfallend“, sagt ein Hotelmitarbeiter an der Playa de Palma. „Deutsche, Schweizer und Österreicher sind die höflichsten und angenehmsten Gäste und geben auch am meisten Trinkgeld“, hält die Mitarbeiterin eines Golfclubs entgegen. Ein Kellner aus dem Nachtleben in Cala Ratjada bestätigt: „Wenn ein Deutscher nervt, dann so richtig, sie sind halt Quadratschädel. Aber meist sind Deutsche leicht zu handhaben, weil sie so strukturiert und korrekt sind.“ Beispiel: Eine Gruppe Deutscher bestellt zehn Bier. Meist als Sammelbestellung. Und fertig. Ohne Extrawünsche und Gerede wie bei den Spaniern. Nur beim Abkassieren dauere es bei den Deutschen länger – schließlich zahlen alle getrennt. „Aber das heißt in der Regel auch: mehr Trinkgeld“, so der Kellner.

Einig sind sich alle Befragten in puncto Sauberkeit: Sowohl am Restauranttisch als auch in den Hotelzimmern der Deutschen herrsche meist vergleichsweise Ordnung. „Nur für Sand haben sie ein Faible. Es ist erstaunlich, wie sie die Betten jeden Tag mit Sand füllen, viel mehr als andere Nationalitäten“, berichtet ein Zimmermädchen aus Cala Ratjada. „Ich glaube, sie bauen sich ihre eigene Cala Agulla im Hotelzimmer. Und das gilt für Alte und Junge.“ Auf das Taxi verzichtet der Deutsche. „Die Deutschen sind ein gutes öffentliches Nahverkehrssystem gewohnt und fahren lieber Bus“, sagt eine Taxifahrerin.

Chaos und Co.: Die Festlandspanier

Keine Verständigungsprobleme, ähnliche Kultur – man könnte meinen, die Landsleute von der península sind Mallorcas liebste Gäste. Weit gefehlt! Gerade die – im Freizeitbereich auch unter Mallorquinern verbreitete – Unstrukturiertheit der Urlauber ist es, die vielen Arbeitern im Gastgewerbe auf die Nerven geht. „Spanier fragen zuerst, was es kostet, ohne überhaupt zu wissen, worum es sich handelt“, sagt ein Unternehmer. „Im Zweifelsfall buchen sie lieber über Online-Portale, weil sie denken, dass es günstiger sei. Dabei lesen sie das Kleingedruckte nicht und wundern sich dann, dass die Hälfte fehlt.“ Und sie sind laut und machen viel Arbeit. „Erst kommen sie viel zu spät in den Speisesaal des Hotels und wollen kurz vor Schließung noch essen. Dann brauchen sie ewig und beschmutzen Tisch und Boden so stark, dass man eine Grundreinigung vornehmen muss“, so ein Hotelkellner.

Hinzu komme die ausgeprägte Beschwerdekultur: „Spanier sind wie eine Mischung aus Italienern und Deutschen: einerseits unzuverlässig, andererseits immer am Meckern.“ Auch im Nachtleben. „Wenn man eine Gruppe von Spaniern bedienen muss, muss man sich einen halben Roman auf den Notizblock kritzeln. Der eine will ein besonderes Glas, der andere mit crushed ice, der dritte mit Würfeln und ausgepresster Zitrone. Fürchterlich“, so ein Diskothekenmitarbeiter. Zudem sei die Gewaltbereitschaft – ähnlich wie bei Briten – hoch. „Sie prügeln sich ganz schnell. Oft bewundere ich, dass die Deutschen trotz hohen Alkoholpegels meist friedlich bleiben.“

Allerdings, so die einhellige Meinung, sind Spanier die Urlauber, die sich am meisten für die Kultur auf der Insel interessieren. „Die brauchen nicht nur sol y playa, sondern kommen auch außerhalb der Saison und erkunden das Inselinnere“, so ein Reiseveranstalter.

Russen fahren gerne Yacht. Dounia Sbai

Dezent bis protzig: Osteuropäer

In den vergangenen Jahren kamen immer mehr Urlauber aus Osteuropa. „Das Hotel Alcúdia Garden ist ein Treffpunkt für Polen, Tschechen und Ungarn. Es sind besser betuchte Touristen, die Geld auf der Insel lassen“, sagt ein Radverleiher. „Dabei fliegen die Osteuropäer ein wenig unter dem Radar. Sie fallen weder negativ noch positiv auf.“ Das bestätigt auch ein Unternehmer. „Die Polen sind sehr bescheiden. Die meisten sprechen Englisch oder Deutsch. Manch einer auch Russisch, wobei er das nicht zugeben will.“ Russische Urlauber täten sich aber häufig durch ihr großes Portemonnaie hervor. „Sie fühlen sich wie etwas Besseres, legen viel Wert auf Protz und lassen einen das auch spüren“, so ein Hotelrezeptionist. Auch im Nachtleben. „Die Russen trinken das Teuerste und Hochprozentigste, was vorrätig ist“, so ein Discomitarbeiter. Bei Unternehmungen gehe die Exklusivität weiter. Besonders beliebt sind bei Russen Helikopterflüge und Yachtcharter.

Genügsam abseits: US-Amerikaner

Früher waren die Touristen aus den USA gewissermaßen Sexurlauber. Wenn die Flugzeugträger vor Mallorca ankerten, vergnügte sich die Besatzung in Palma. Jugendliche verdienten sich ein paar Groschen hinzu, indem sie die Matrosen zu den Prostituierten führten. Das ist heutzutage Geschichte. „Es sind sehr exklusive Kunden“, sagt ein Unternehmer. „Sie wollen allein sein, abseits des Massentourismus.“

Wenn man die lange Reise schon antritt, dann kann man sich auch etwas gönnen. „Sie suchen Hotels mit vier Sternen und aufwärts“, sagt eine Taxifahrerin. Der Geldbeutel sitze entsprechend locker. „Viele US-Amerikaner sind auch im Selfie-Rausch. Ihnen ist das Foto für Instagram fast wichtiger als die Aktivität selbst“, meint der Unternehmer. Dabei sind die US-Amerikaner auch nicht zu anspruchsvoll. „Sie nehmen klaglos, was kommt. Koste es, was es eben kostet“, sagt ein Radverleiher. „Sie fallen nicht unangenehm auf, sind genügsam und diskret“, bestätigt ein Rezeptionist. Mit der neuen Direktverbindung Palma–New York dürften in diesem Sommer mehr US-Amerikaner als sonst auf der Insel zu erwarten sein.

Franzosen sprechen am liebsten ihre eigene Sprache. Foto: Nele Bendgens

Eigenwillig und Frei: Franzosen

„Die Franzosen sind Sonderlinge mit einem eigenartigen Charakter“, findet eine Taxifahrerin, die ausgesprochen wenig von ihnen hält. Franzosen seien ständig am Kritisieren, immer erscheine ihnen alles schlecht und zu teuer. Die Meinungen gehen bei diesem Thema aber auseinander. „Ich kann das nicht bestätigen“, sagt ein Unternehmer. „Natürlich muss man manche Sachen wie das Frühstück an ihren Geschmack anpassen. Aber sind halt einfach nur sehr anspruchsvoll.“ Und eigenwillig. „Fremdsprachen sind einfach nicht ihre Sache. Man spricht mit ihnen Französisch – oder Französisch, etwas anderes kommt bei ihnen nicht infrage“, so ein Hotelmitarbeiter. Auch Pauschalreisen liegen den Franzosen weniger. „Sie machen lieber ihr eigenes Ding, häufig auch mit dem eigenen Auto. Und sie finden sich oft erstaunlich gut ohne Hilfe auf der Insel zurecht und erkunden auch weniger frequentierte Orte“, sagt ein Reiseveranstalter.

Diskret überlegen: Skandinavier

„Früher haben die Schweden ständig über den Preis gefeilscht und diskutiert, ob es denn nicht doch günstiger geht“, sagt ein Radverleiher. „Heute ist es quasi das Gegenteil. Geld spielt keine Rolle. Sie decken sich mit Markenkleidung auf der Insel ein. Was es kostet, ist egal.“ Manchmal haben sie die Nase dabei ziemlich weit oben. „Schweden und Dänen halten sich häufig für überlegen, auch wenn sie das meist recht diskret zum Ausdruck bringen“, so eine Golfclub-Mitarbeiterin. „Und sie geben weniger Trinkgeld, als man von ihnen erwarten würde.“ Oft sind es große Gruppen, die von Reiseagenturen nach Mallorca gebracht werden. „Die jungen Leute schätzen das Nachtleben und den Strand“, sagt ein Hotelier.

Sparsam und laut: Italiener

Der typische Italiener hat es erst einmal auf Formentera abgesehen. Dort ein Moped mieten und über die Insel düsen, so sieht der ideale Urlaub aus. Die Südeuropäer gelten als sparsam. „Es kann schon mal vorkommen, dass sich ein Pärchen einen Kaffee teilt. Dabei haben sie im Vergleich zu den Urlauber aus anderen Ländern eine ähnliche Reisekasse“, sagt ein Hotelier. Mit ihrem Temperament ecken sie auf Mallorca an. „Sie sind noch lauter und unzuverlässiger als wir Spanier, und dabei oft arrogant“, findet ein Hotelrezeptionist. Und fallen im Nachtleben auf: nicht durch Masse, sondern durch ihre extrovertierte Art – positiv wie negativ.