Die Debatte um das Phänomen Overtourism ist zurück – und wird in diesen Tagen in den sozialen Medien wie auch in der mallorquinischen Lokalpresse praktisch täglich ausgetragen. Nach zwei von der Corona-Pandemie geprägten Sommern machen Einheimische jetzt wieder ihrem Ärger darüber Luft, dass Urlauber in nahezu jedem Winkel der Insel anzutreffen seien.

Die Hotspots laufen dabei dieser Tage häufig über – und auch in der politischen Debatte findet das Thema starken Widerhall. Am Dienstag (23.8.) meldete sich auch die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol in der Debatte zu Wort: „Wir wollen beim Tourismus nicht weiter wachsen.“ Die Regierung habe eigens ein Tourismusgesetz auf den Weg gebracht, um die Zahl der Gästebetten zu begrenzen.

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Overtourism auf Mallorca: Wenn es mal wieder richtig eng wird auf der Insel MZ

Hunderte Urlauber mit Mietwagen in Palma

Das hilft in der aktuellen Situation aber nur bedingt. Am Mittwoch (17.8.) etwa war es bewölkt, sodass hunderte Urlauber mit Mietwagen einen Ausflug in die Innenstadt von Palma unternahmen. Die Einfallstraßen in die Stadt kollabierten zeitweise komplett. Nur einen Tag später wand sich zwischen Palma und Valldemossa ein nicht enden wollender Autokorso die Serpentinenstraße nach oben.

Der Bürgermeister von Deià, Llúis Apesteguía von der ohnehin tourismuskritischen Regionalpartei Més, fühlte sich einmal mehr in seiner Haltung bestätigt und teilte das Video von der Kolonne in den sozialen Netzwerken. Und zum Wochenende dann gab es wieder einmal Verkehrschaos auf der Zufahrtsstraße zum Naturstrand Es Trenc in der Gemeinde Campos. Auch in diesem Fall zeigen Fotos und Videos eine kilometerlange Autoschlange.

"Tourism kills the city" abgelöst

Der Frust schlägt sich auch in neuen Slogans nieder. Nach den „Tourism kills the city“-Aufklebern und den „Tourists go home“-Graffiti in den Jahren 2017 bis 2019 ist nun ein neues Symbol des Widerstands aufgetaucht: Die Umweltschutzorganisation Terraferida hat das Logo SOS Turismo, mit dem während der Pandemie auf die Notsituation der Tourismusbranche auf der Insel aufmerksam gemacht werden sollte, zweckentfremdet und daraus den Slogan „SOS Residents“ gemacht.

Die Organisation kommentiere unter anderem bei Twitter über die Urlauber: Man könne über das wie und wo sprechen. „Aber wenn wir nicht fähig sind, uns auf ein Limit zu verständigen, sind wir am Ende.“ Auf Instagram prangte unterdessen eine Montage mit der Botschaft „SOS gent d’aquí. Volem estar bé a ca nostra“, was so viel bedeutet wie: „SOS Leute von hier. Wir wollen uns zu Hause wohlfühlen.“ Innerhalb von sechs Stunden hatte der Beitrag über 4.000 Likes.

Hotels zu 95 Prozent belegt

Dass die Insel brummt, zeigt sich an vielen Stellen, nicht nur auf der Straße. Beispiel Hotels: Speziell die Unterkünfte in der Stadt Palma haben die Belegungszahlen des Sommers 2019 übertroffen. Nach Angaben des Präsidenten der Hoteliersvereinigung von Palma, Javier Vich, waren die Häuser am vergangenen Wochenende praktisch ausgebucht, freie Zimmer habe es keine mehr gegeben. Im Juli betrug die Auslastung 93 Prozent, fünf Punkte mehr als 2019. Auch die Nachfrage nach ländlichen Unterkünften ist enorm. Die Vereinigung der agroturismos, der kleinen Landhotels, gab bekannt, dass ihre Unterkünfte in diesen Wochen zu 95 Prozent belegt seien.

Am Flughafen ist seit Wochen Hochbetrieb. Am Wochenende 19. bis 21. August wurden auf Son Sant Joan 2.860 Flugbewegungen registriert – lediglich 17 Starts und Landungen weniger als zur gleichen Zeit vor drei Jahren. In der Woche zwischen 11. und 17. August lag Palmas Flughafen beim Verkehrsaufkommen europaweit auf Platz 8 – vor Barcelona. Und auch im Hafen von Palma laufen wieder viele Kreuzfahrtschiffe ein, zuletzt am Samstag wieder fünf gleichzeitig. Das ist eigentlich seit einer Einigung der Reedereien vom Frühjahr nicht mehr erlaubt. In diesem Jahr gibt es allerdings noch Ausnahmen von dieser Regel.

Energieverbrauch schießt nach oben

Der selbst für viele Vertreter der Branche überraschend hohe Zustrom an Urlaubern führt auch dazu, dass der Energieverbrauch auf den Inseln nach oben getrieben wird. Spanienweit hatte er nach Beginn der Energiespar-Maßnahmen (S. 12) abgenommen, auf den Balearen allerdings nahm er weiter zu.

Vertreter der Tourismusbranche mahnen unterdessen zu einem differenzierten Bild. So seien in diesem Jahr die Buchungen von 2020 und 2021, die in vielen Fällen aufgrund der Pandemie verschoben werden mussten, mit den Neubuchungen dieses Sommers zusammengefallen. Der balearische Tourismus- und Arbeitsminister Iago Negueruela verweist zudem auch auf die extrem gute Lage auf dem Arbeitsmarkt. Man müsse versuchen, die Balance zu halten, meint etwa Inés Batle, die Präsidentin der Hoteliersvereinigung von Cala Millor. Dennoch: Bilder wie die vom Verkehrskollaps in der Tramuntana „dürfen nicht sein“.