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Jesús Manuel González Pérez Geografieprofessor an der Balearen-Universität

"Das Wort Qualitätstourismus ist mir wirklich zuwider"

Mallorca als Reiseziel für die Wohlhabenden dieser Welt? Was Politik und die Tourismusbranche auf der Insel anstreben, könnte auch nach hinten losgehen, warnt Geografieprofessor Jesús Manuel González

Geografieprofessor Jesús Manuel González hält Tourismus für eine „soziale Errungenschaft“ – und fordert doch weniger davon. Guillem Bosch

Qualitätstourismus ist ein Wort, das Jesús Manuel González Pérez auf die Palme bringt. Der Lehrstuhlinhaber für Geografie an der Balearen-Universität (UIB) untersucht die Auswirkungen des Luxustourismus auf die Insel und sieht in der Ausrichtung auf Urlauber mit viel Geld sowohl ein soziales als auch ein ökologisches Problem, wie er im Interview erklärt.

Mallorca wird mehr und mehr zum Ziel von sehr wohlhabenden Urlaubern. Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?

Das kann man nicht so pauschal beantworten. Diese Urlauber geben mehr aus, kommen in teureren Hotels unter und lassen mehr Geld auf der Insel. Das ist natürlich erst einmal positiv. Allerdings ist der Luxustourismus für gewöhnlich weniger nachhaltig. Er verbraucht viel mehr Fläche, mehr Energie und zerstört deutlich mehr die Umwelt als herkömmlicher Tourismus. Man denke nur an die Privatjets, aber auch an die Yachten und die Zweithäuser im ländlichen Raum. Hinzu kommt, dass mir das Wort Qualitätstourismus wirklich zuwider ist. Jemand, der mehr Geld ausgeben kann, ist von höherer Qualität als jemand, der weniger Geld zur Verfügung hat? Diese Bezeichnung ist völlig daneben.

Trotzdem: Dem preiswerten Tourismus und dem Tourismus der Exzesse auf Mallorca wird der Kampf angesagt.

Damit bin ich – und nicht nur ich – absolut nicht einverstanden. Der Tourismus ist auch eine soziale Errungenschaft, mehr und mehr Menschen können sich heute glücklicherweise Urlaub leisten. Und jetzt soll auf einmal der, der im Restaurant nicht 100 Euro für ein Gericht oder 300 Euro pro Nacht im Hotel ausgeben kann, verachtenswert sein? Das ist ein fatales Zeichen sowohl der Tourismusbranche als auch der Politik. Das ist ein riesiger Irrtum.

"Nicht jeder Urlauber, der wenig bezahlt, sorgt für Probleme oder ist ein Sauftourist."

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Massentourismus als Konzept ist nicht nachhaltig. Wir werden in Zukunft nicht so weiterreisen können wie bisher.

Das ist zwar richtig, aber viel schädlicher für das Klima ist doch der Luxustourismus. Und man darf Massentourismus nicht immer mit Exzesstourismus gleichsetzen. Nicht jeder Urlauber, der wenig bezahlt, sorgt für Probleme oder ist ein Sauftourist.

Gleichzeitig ist es aber so, dass der Tourismus der Wohlhabenden für deutlich besser bezahlte Jobs sorgt als der Massentourismus.

Das kann ich nicht bestätigen, weil mir Zahlen fehlen, die das belegen würden. Sicher ist es so, dass etwa Yachteigner ihre Angestellten gut bezahlen und somit für eine höhere Wertschöpfung sorgen. Aber man darf neben den ökologischen Folgen auch etwa die Auswirkungen des Luxustourismus auf den einheimischen Immobilienmarkt nicht aus den Augen lassen. Inzwischen ist das gesamte Territorium der Insel interessant für Zweithausbesitzer: die Küste, die schönen Dörfer im Inselinneren, die Stadt. Die Europäer sind zwei Stunden weg von Mallorca, die Insel funktioniert ein wenig wie ein Teil des Speckgürtels der deutschen Großstädte. Man ist in der selben Zeit von München aus auf Mallorca wie in einem anderen schönen Teil Bayerns.

Es ist deutlich feststellbar, dass die Stadt Palma immer beliebter wird als Ziel für Kurztrips wie für Zweitimmobilien. Welche Folgen hat das?

Die Innenstadt wird nach und nach gentrifiziert, immer neue Hotels schießen wie Pilze aus dem Boden. Die Stadt leert sich, die unteren und mittleren Bevölkerungsschichten verschwinden. Wir haben einen interessanten Wandel festgestellt: In den vergangenen zehn Jahren waren im Zentrum immer weniger Südamerikaner gemeldet, dafür aber mehr Deutsche und Italiener. In den vergangenen zwei Jahren allerdings nehmen wir wahr, dass die Italiener und Deutschen weniger werden. Und ich glaube, das hat vor allem mit den Touristenmassen in der Altstadt zu tun.

"Zwar gibt es jetzt ein Limit im Hafen von Palma, aber auch das könnte ambitionierter sein."

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Sie würden also nicht weiter auf die Reichen als Urlauber setzen. Was würden Sie stattdessen tun?

Wir müssen den Tourismus insgesamt zurückfahren. Es muss weniger Gästebetten geben, weniger Fläche, die bebaut werden darf. Unter Wissenschaftlern auf der Insel herrscht da eine große Einigkeit, in der Bevölkerung überwiegt inzwischen auch diese Einsicht, und selbst in der Tourismusbranche werden die Stimmen immer lauter, die Limits fordern. Verantwortliche von großen Hotelketten sehen selbst, dass ein Weiter-so schädlich für ihre Interessen ist.

Die Regierung handelt ja hier bereits, wie etwa beim Moratorium für neue Gästebetten.

In dieser Linie muss es weitergehen. Da wäre noch viel mehr möglich. Gerade auch, was Bautätigkeit angeht. Oder Kreuzfahrtschiffe. Zwar gibt es jetzt ein Limit im Hafen von Palma, aber auch das könnte ambitionierter sein.

Was würde denn passieren, wenn nicht stärker begrenzt wird?

Ich bin mir nicht sicher, ob uns das nicht alles entgleitet. Reiche haben jederzeit die Möglichkeit, woanders hinzugehen, wenn es ihnen an einem Ort zu voll wird oder nicht mehr gefällt. Der gewöhnliche Arbeiter, der jeden Sommer nach Mallorca an den Strand kommt, hat nicht viele andere Optionen. Vielleicht noch die Türkei oder Bulgarien. Aber die Reichen haben die ganze Welt als Ausweichmöglichkeit. Das heißt, wir müssen dringend Limits setzen, wenn wir weiterhin ein attraktives Reiseziel sein möchten. Die einzige Möglichkeit ist zu schrumpfen, und zwar bei Massentourismus wie Luxustourismus.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der viel diskutierten Beschränkung der Immobilienverkäufe auf den Balearen an Nicht-Residenten?

Ich bin kein Jurist und kann daher nicht beurteilen, ob man das durchziehen kann oder nicht. Das Problem sind meiner Meinung nach nicht die Nicht-Residenten oder Ausländer an sich. Man assoziiert Ausländer zwar gemeinhin mit hoher Kaufkraft, ich glaube aber vielmehr, man will vor allem Spekulantentum verhindern. Im Prinzip bin ich mit der Beschränkung einverstanden, glaube aber nicht, dass sie durchsetzbar ist. Man muss andere Maßnahmen gegen Immobilienspekulation anwenden oder beispielsweise gegen den Leerstand vorgehen. Wenn Wohnungen leer stehen, muss man sie steuerlich hoch belasten. Das funktioniert normalerweise.

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