Kleiner Raum, viel Nostalgie - das gibt es im neuen Tourismusmuseum auf Mallorca zu sehen

Der Sitz des Fremdenverkehrsverbands wird zum Saal Nr. 98 des weltweiten Netzwerks "Museum of Tourism“

In den Räumen des Fomento ausgestellte Werbeplakate.   | QUELLE: FOMENTO DEL TURISMO

In den Räumen des Fomento ausgestellte Werbeplakate. | QUELLE: FOMENTO DEL TURISMO / Fomento del Turismo

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Es ist kein Band, das Toni Gómez-Cerdá durchschneidet, es wird auch kein Vorhang zur Seite geschoben. Stattdessen befestigt der Geschäftsführer von Mallorcas Fremdenverkehrsverband Fomento del Turismo mit ein paar schnellen Handgriffen eine Tafel an der Wand. „Sala 98“ steht darauf. Seit Ende vergangener Woche ist der Sitz des Fomento del Turismo am Borne-Boulevard in Palmas Innenstadt Saal Nr. 98 des weltweiten „Museum of Tourism“. Die private Netzwerk-Initiative, die bislang in 24 Ländern vertreten ist, soll das reiche Erbe des Tourismus zeigen.

Und das ist auf Mallorca bekanntlich umfassend vorhanden. Bereits im Jahr 1905 wurde der Fomento del Turismo gegründet, und der Fundus an Werbeplakaten, Gemälden und vor allem Büchern ist in der langen Zeit gewuchert. Rahmen an Rahmen hängen hier auf engem Raum nostalgische und schwärmerische Zeugnisse aus Jahrzehnten des Insel-Marketings. Schmuckstück ist das Gemälde „Sol de Mallorca“ (Mallorca-Sonne) von Joan Miró, das der Avantgarde-Künstler 1973 schuf. Zahlreiche weitere Werke landeten dank eines Wettbewerbs zur Gestaltung eines Kalenders alljährlich im Fundus des Fomento. „Es ist unverständlich, dass es bislang kein offizielles Tourismusmuseum auf Mallorca gibt“, so Eduardo Gamero, Präsident des Fremdenverkehrsverbands, bei der Vorstellung Ende vergangener Woche – nicht nur mit Verweis auf die gesammelten Schätze, sondern auch auf die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus.

Seit langem geplant

Streng genommen gab es die Ausstellung auch bislang schon, nur dass sie nicht als Museum deklariert war. Nach einer Umstrukturierung der Räumlichkeiten vor gut zehn Jahren habe man diese neu dekoriert und die schönsten Stücke seitdem ausgestellt, erklärt Gómez-Cerdá. Der Sitz fungiert als Touristen-Info, auch Touristikstudenten schauen vorbei, um sich mit Literatur zu versorgen.

Ein eigenes Museum sollte eigentlich schon viel früher eingerichtet werden – über derlei Pläne berichtete die MZ schon vor 15 Jahren. Dass es nicht früher geklappt hat, erklärt Präsident Gamero mit einer Reihe von Gründen. Ursprünglich war ein Museum geplant, das die Seefahrts- und die Tourismusgeschichte kombiniert. Dafür wären aber die Räumlichkeiten des Fomento zu klein gewesen. Hinzu kommt, dass die Institution, die früher einmal in Zeiten vor Gründung des balearischen Tourismusministeriums weitgehend die Wahrnehmung der Insel im Ausland bestimmte, immer weniger offizielle Kompetenzen haben sollte. Das letzte Abkommen mit der Landesregierung lief im Jahr 2009 aus, inzwischen wurde die Zuständigkeit für Tourismuswerbung an den Inselrat abgegeben. Die Option, dass die öffentliche Hand Räumlichkeiten stellt, rückte in weite Ferne.

Da passte es bestens, dass Alberto Bosque an den Fomento herantrat. Der Tourismusmanager aus Valladolid, der das Projekt des „Museum of Tourism“ vor fünf Jahren zusammen mit Gleichgesinnten aus der Taufe hob, kennt das Problem: Ein klassisches Museum verschlinge durch den anfallenden Unterhalt nun einmal jährlich viel Geld. Es sei auch in keiner Weise interaktiv. Deswegen habe er sich von diesem Konzept schnell verabschiedet, nachdem ihm ein in die Hände gefallener Michelin-Guide von 1929 auf die Idee mit dem Museum gebracht hatte.

Brasilien, Japan, Indien

Stattdessen wächst dieses nun dezentral wie ein Netzwerk, mehrere Hundert Helfer seien mit dabei, die ehrenamtlich zum Aufbau beitrügen. „Vorgestern wurde ein Raum in Brasilien eröffnet“, so Bosque. „Wir sind das größte Tourismusmuseum weltweit, solange bis jemand das Gegenteil beweist.“ Bei den Stand-orten handelt es sich vor allem um Hotels, Restaurants oder Touristen-Infos, die einen Bereich mit ausgestellten Objekten bereithalten. Viele davon befinden sich in Spanien, es gibt aber auch bereits Standorte in Mexiko, Russland, Indien oder Japan. Deutschland ist noch nicht vertreten, aber mehrere neue Säle seien in Vorbereitung, sagt Bosque. Er setzt ohnehin darauf, dass mit dem Wachstum des Netzwerks weitere Stellen auf den Geschmack kommen.

Angesichts des Umstands, dass in erster Linie Tourismus-Fans, -Förderer und -Geschäftstreibende mit an Bord sind, geht es auch weniger um eine wissenschaftliche Aufarbeitung, als um eine Hommage, konkret auch schlicht darum, alte Reiseführer und andere Objekte vor dem Müll zu retten. Die Overtourism- Debatte thematisieren? Aus diesem polemischen Thema halte man sich lieber heraus, meint Bosque. Ohnehin machten die negativen Aspekte des Phänomens Tourismus nur einen verschwindend geringen Anteil aus.

Plakate als Einnahmequelle

Zum Thema Nostalgie passt dann auch bestens die Zusammenarbeit zwischen dem Fomento einerseits und dem Posterfachgeschäft Stick No Bills andererseits. Die auf Vintage-Poster spezialisierte Engländerin Meg Gage Williams vertreibt die früheren Werbemotive mit der Lizenz des Fremdenverkehrsverbands, in einem Geschäft in Palma sowie online. Die Nachfrage nach den Motiven sei enorm, berichtet die Unternehmerin, die zur Eröffnung des Museums eigens neue Nachdrucke dabeihat – Motive eines Musikfestivals, das ab 1964 auf Mallorca stattfand und internationale Stars anzog. Gedruckt werden die Plakate in La Nueva Balear, einer traditionellen Druckerei neben dem Kaufhaus El Corte Inglés an Palmas Innenstadtring, die auch schon – zwei Generationen früher – die Originalplakate produziert habe, berichtet Meg Gage Williams.

Dank der Lizenzen kann der Verband neben den Mitgliedsbeiträgen Einnahmen generieren. Öffentliche Gelder fließen schon lange keine mehr – und das sei auch gut so, sagt Präsident Gamera. Vertreter der Linksregierung waren übrigens nicht beim Eröffnungstermin des Museums erschienen.

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