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Sympathische „Schlägertruppe“: Die Auswanderer-Familie eint die Leidenschaft für Hockey.Nele Bendgens

MZ-Serie "Die anderen Auswanderer": Wie eine Hockey-verrückte Familie aus Argentinien auf Mallorca den Neustart wagte

Mit Kind und Schläger im Gepäck: Matías Nicolás Vargas hatte mit seinen Lieben einen ziemlich holprigen Start in Palma. Doch er blieb am Ball – und bringt nun als Profi im Feldhockey mit Herzblut den Club HC Mallorca voran

Das stärkste Team hat der Profi-Hockeyspieler Matías Nicolás Vargas (36) in seinen eigenen vier Wänden. In der hellen, aufgeräumten Wohnung in Palmas Viertel Nou Llevant – cremefarbenes Sofa, Körbe mit Spielsachen, die obligatorische Mate-Kalebasse auf der Küchenanrichte – bekommt der Argentinier beim Fotoshooting für die MZ tatkräftige Unterstützung: Seine sechsjährige Tochter Juana schwingt als Nachwuchsspielerin ihren neon-pinken Schläger schon wie ein echter Profi.

Die kleine Amalia (2), vom Vater liebevoll „Ama“ gerufen, wuselt derweil umher und spielt begeistert mit dem Ball und mit einem Schläger, der ungefähr so groß ist wie sie selbst. „Aber der am stärksten abgenutzte ist natürlich meiner“, sagt Vargas und lächelt.

Vor dem Hockey kam der Fußball

Dass der Hockeyschläger quasi der Taktstock seines Lebens ist, war nicht immer so. Der Sportler, der in La Plata, der Hauptstadt der Provinz Buenos Aires, geboren wurde und als Kind mit der Familie in die Provinz Salta im Norden von Argentinien umzog, hatte sich zunächst für Fußball begeistert. „Aber meinen Eltern gefiel die Art nicht, wie die Vereine mit dem Sport und mit den Spielern umgingen. Deshalb wollten sie nicht, dass ich weitermache“, erklärt er.

Im Feldhockey habe er mit zwölf Jahren eine ähnliche Sportart gefunden, für die er schnell dieselbe Leidenschaft entwickelte – und das, obwohl Männer dabei in der Unterzahl sind. „Das ist bei uns die Sportart par excellence für Frauen“, sagt Vargas.

Mit 18 zog er für sein Sportstudium wieder zurück nach La Plata. 2008 wurde er für eine Saison bei einem Club in Bilbao engagiert. „Das war meine erste Erfahrung als Profi-Spieler, und ich habe mit Olympia-Teams gespielt“, so der 36-Jährige. 2014 ging er für eine halbe Saison zu einem Club nach Brüssel, danach spielte er wieder beim Santa Barbara Hockey Club in seiner Heimat und trainierte auch dort Teams – bis vergangenes Jahr.

Zukunftsperspektiven für die Töchter

Denn mit seiner Frau Augustina (35), Sportlehrerin und ebenfalls begeisterte Hockeyspielerin, traf er die Entscheidung auszuwandern. Eine sehr schwierige, wie er sagt. „Es fiel uns schwer, alles zurückzulassen: das Haus, die Autos, unsere sicheren Jobs. Aber mit der wirtschaftlichen und vor allem der gesellschaftlichen Situation und Lebensqualität in Argentinien steht es heute nicht zum Besten“, sagt Vargas. Bei dem Entschluss dachte das Paar vor allem an die Töchter, denen es mehr Zukunftsperspektiven sichern wollte.

Matías‘ Frau Augustina (rechts) 2021.

„Die beste Möglichkeit, um auszuwandern, bot uns der Sport. Er war wie eine Eintrittskarte“, sagt Vargas. Er hatte Angebote aus Italien und Frankreich, doch am Ende sollte es der Sprache wegen nach Spanien gehen. Er nahm Kontakt zu Fernanda Ruffini auf: Die Landsfrau hatte in Palma den Feldhockeyclub Mallorca HC gegründet und suchte Verstärkung, um den Club mit mehr Trainern weiter aufzubauen und zu professionalisieren.

Doch dem Ehepaar war neben dem Hockey auch wichtig, die Sicherheit einer Stelle zu haben: Augustina ist in einem Fitnessstudio tätig, und sein eigener Lohn- und Brot-Job ist gänzlich unsportlicher Natur: „Ich arbeite für ei Beratungsunternehmen, das mich wiederum bei der Hotelkette Riu im IT-Bereich einsetzt“, erklärt Vargas.

Argentinier haben es oft leichter

Zwar wanderte die Familie Mitte August 2022 nicht völlig ins Blaue hinein aus, doch waren sie blauäugig, weil sie die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt unterschätzten. Ebenso die Bürokratie. „Für alles braucht man das empadronamiento. Dafür aber einen Mietvertrag, und für diesen einen Arbeitsvertrag. Für eine Stelle benötigt man wieder die anderen beiden Dinge“, sagt der Sportler. Die Katze beiße sich in den Schwanz.

Immerhin: Viele Argentinier haben es bei der Auswanderung vergleichsweise leicht, wenn sie italienische Ahnen und damit die italienische Staatsbürgerschaft haben. Das trifft auch auf Vargas‘ Frau zu. Auf ihn selbst zwar nicht – seine Urgroßmutter stammt aus Valencia und floh vor der Franco-Diktatur nach Argentinien – doch profitiert er davon, dass er mit einer Bürgerin der EU verheiratet ist. Zudem beantragt seine Mutter gerade die spanische Staatsbürgerschaft, die dann auch auf ihn übergehen wird.

Nomadenleben in der Anfangszeit

An der Wohnungsfront suchte das Paar Hilfe beim Club: Für die ersten zwei Wochen kamen sie in einer Privatwohnung unter. „Wir sagten uns: In dieser Zeit schaffen wir es, eine feste Bleibe in Palma zu finden. Aber so war es nicht“, erzählt Vargas. Sie gaben die Schlüssel zurück, ohne eine Alternative zu haben, verbrachten einige Tage in einem Hotel, dann wieder eine Woche im Haus der Mutter eines Clubmitglieds. „Juana sagte am Ende: Können wir bitte irgendwo bleiben, anstatt von einem Ort zum anderen zu ziehen? Es war schwierig. Wir waren sogar kurz vor dem Punkt, wieder nach Argentinien zurückzugehen“, gesteht Vargas. Mitte September hatten sie es dann endlich geschafft, eine Wohnung zu finden.

Für die Töchter ist der Club schon wie ein zweites Zuhause. „Sie spielen dort gerne mit anderen Kindern. Wir alle genießen das Club-Leben“, sagt Vargas. Der Alltag ist freilich durchgetaktet: Er kommt gegen 17.30 Uhr nach Hause, Montag bis Donnerstag geht es danach in den Club, auch seine Frau verbringt dort viel Zeit. Am Wochenende jettet Vargas nach Valencia, wo er auch noch in einem Team spielt. All das empfindet der Sportler jedoch nicht als Belastung: „Hockey erdet mich, lässt mich entspannen und macht den Kopf frei.

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