Die Figur von Adolfo Suárez ist symbolüberladen bis zum Schluss: So wie der am Sonntag verstorbene frühere Ministerpräsident Spaniens am Ende nach und nach das Gedächtnis verlor, so scheint Spanien die Spielregeln einer gesunden Demokratie vergessen zu haben. Das politische Wirken des „Vaters der spanischen Demokratie" - oder das Bild, das in der nachträglichen Mystifizierung von ihm gezeichnet wird - steht in einem so großen Kontrast zu dem, was die Menschen an ihren heutigen Politikern verzweifeln lässt, dass ein seit Langem aus der aktiven Politik ausgeschiedener Regierungschef zu einer Art Volksheld mit aktueller Botschaft wird.

Auch wenn die Situation von vor bald 40 Jahren - Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie - kaum mit den heutigen Problemen - Verdruss über Krise, Korruption, Parteienklüngel und Demokratiedefizit - zu vergleichen ist, können Spaniens Politiker von Suárez lernen. Da wäre zum einen die Suche nach Konsens, die zwar in aller Munde ist, aber wohl von den Wenigsten betrieben wird. Die konkrete Umsetzung hieße zum Beispiel zu betonen, in welchen Punkten man mit dem politischen Gegner auf einer Linie ist. Regierungschefs wie Oppositionsführern fällt kein Zacken aus der Krone, wenn sie Kompromissbereitschaft signalisieren, statt routinemäßig zum Angriff überzugehen.

Eine zweite Lehre von Suárez hieße, mehr Demokratie zu wagen. Die Reformen, die er in der transición einleitete, müssen vollendet werden - das betrifft das ungerechte Wahlgesetz genauso wie die Schieflage im Föderalismus.

Eine dritte Lehre ist fast noch schwerer umzusetzen: Sie liegt im Charakter von Suárez, seiner Empathie und Überzeugungskraft. Politiker sollten sich nicht wie derzeit bei vielen zu beobachten als Manager verstehen, die einen Betrieb am Laufen halten, sondern als Kapitäne, die wissen, wohin die Reise geht und wie man die Mannschaft auf den Kurs einschwört.