Mallorca Zeitung

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Pop-Thriller auf Mallorca: Wo ist der Mann, der Oasis und Guns N'Roses auf die Insel brachte?

Er schaffte Dinge, die keinem anderen gelangen - und hinterließ vor allem Unordnung. Die Geschichte von Toni Pla bewegt noch heute die Kulturszene Mallorcas

Würden Sie mit diesem Mann ein Konzert organisieren? Toni Pla im Jahr 2001. Torrelló

Es ist das Jahr 2018. Die mallorquinische Band The Wheels ist eine der aufregendsten Gruppen der Insel. Und steht kurz vor dem Durchbruch. Vor der versammelten Inselpresse kündigt die Gruppe eine Tournee an, die durch zehn Länder führen soll. Gleichzeitig wird bekannt, dass in Palmas Stadtteil Gomila ein neuer Club eröffnen soll, in dem internationale Bands auftreten sollen – geleitet von der legendären internationalen Agentur Coda. Es scheint eine neue Zeit für die mallorquinische Popszene anzubrechen. Und dann: nichts.

Es ist der letzte Coup von Toni Pla, einem der wohl umstrittensten Akteure, die die Kulturszene auf der Insel hervorgebracht hat. Der Mann, der unter anderem Oasis und Guns N’ Roses nach Mallorca holte, verlässt die Insel, ohne jemandem ein Wort zu sagen. Soweit bekannt, ist er nie zurückgekehrt. Dabei hat er einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

The Wheels in ihrem Proberaum in Palma. Nele Bendgens

Abenteuerliche Reise durch die vergangenen drei Jahrzehnte

Jetzt hat sich der preisgekrönte Journalist Joan Cabot in seinem fünfteiligen Podcast „Campeón“ dieser Figur angenommen. Es ist eine abenteuerliche Reise durch die vergangenen 30 Jahre Mallorca. Und trägt nicht zu Unrecht den Untertitel „Ein Pop-Thriller“.

Toni Pla kommt relativ spät zur Musik. Sein Bruder Pere ist in den 80er-Jahren mit der Band Furnish Time erfolgreich, Pla hingegen eiert einige Jahre herum, übernimmt dann die familieneigene Bar Can Toni an der Costa de Santa Creu in Palma. Dort macht er sich schnell einen Namen als hervorragender Gastgeber und Unterhalter, der die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringen kann. Die Bar wird zum Treffpunkt für die Boheme und die alternative Szene der 90er-Jahre.

Die Karriere eines Späteinsteigers

Pla ist breits Mitte 30, als er anfängt, in die Musikszene einzusteigen. Er gründet ein Plattenlabel, auf dem er Bands der Insel produziert. Ab 1995 organisiert er drei Jahre lang – gemeinsam mit Mitstreitern wie Peter Terrassa vom Plattenladen Runaway – ein kleines Straßenfestival vor seiner Bar. Gemeinsam holen sie bekannte spanische Bands jener Zeit wie Doctor Explosion auf die Insel.

Doch das ist nur der Anfang. Pla ist auf den Geschmack gekommen. Auf das Festival folgt die Eröffnung des alternativen Clubs Sonotone, später folgt ein weiterer Laden namens Casino Royal. Sie verwandeln sich in Orte, die die die alternative Szene einer Generation prägen. Der Tatendrang Plas scheint unerschöpflich. Im Juli 2001 schießt er endgültig den Vogel ab: Er organisiert das Festival Isladencanta, das erste große Musikfestival der Insel.

Als Oasis nach Calvià kam

Neben Größen wie Thievery Corporation, Sterolab und Jon Spencer Blues Explosion steht bei dem Festival eine Band auf der Bühne, die zwei Monate später mit ihrem ersten Album die Rockszene umkrempeln wird: The Strokes. Im Jahr darauf zieht das Festival nach Calvià um. Der Headliner: Oasis. Doch es ist das vorläufige Ende des kometenhaften Aufstiegs von Toni Pla. Im darauffolgenden Jahr darf er das von ihm gegründete Festival nicht mehr organisieren. Und sein nächster großer Coup findet erst zehn Jahre später statt, als er Guns N’ Roses auf die Insel holt.

Guns N'Roses in Madrid. 2011 trat die Band auch auf Mallorca auf. ALBERTO MARTÍN

Das System war darauf aufgebaut, dass es kein System gibt

Dass ihm der Stecker gezogen wird, hat Gründe. Denn dort, wo Toni Pla agiert, herrscht Chaos. Der Selfmade-Kulturunternehmer hat zu keinem Zeitpunkt die Finanzen unter Kontrolle. Immer wieder verprellt er Kooperationspartner und Mitarbeiter. Von Anfang an ist das System Toni Pla darauf aufgebaut, dass es kein System gibt. Und doch funktioniert es jahrelang, obwohl alle über die Missstände Bescheid wissen. Warum das so ist, das ist eine der wesentlichen Fragen, die der Podcast stellt.

Cabot hat es geschafft, Dutzende Zeitzeugen vor das Mikro zu bekommen. Unter anderem auch viele, die sich zunächst gesträubt haben. Denn bei dem Gedanken an Toni Pla wird nicht wenigen Menschen auf der Insel schlecht. Scharlatan. Halunke. Sogar Verbrecher. Aber auch Visionär. Leidenschaftlicher Macher. Verführer. Die Liste an Bezeichnungen, die Toni Plas Weggefährten für ihn finden, ist lang. Viele von ihnen haben jahrelang für ihn gearbeitet, die meisten ohne jemals einen Cent dafür zu sehen.

Pla, so wird deutlich, hat ein außerordentliches Talent dafür, Leute zu begeistern. Oft sind es junge Menschen, die ihre ersten Schritte in der Kultur machen. Einige von ihnen bauen sich später einen guten Ruf als Veranstalter und Kulturmanager auf, etwa Tina Codina, die bis vor Kurzem Generaldirektorin für Kultur im Rathaus Palma war. Ebenso Joan Vich, der sich als Booker für das Benicassim-Festival einen Namen machte. Oder die Dokumentarfilmerin Núria Abad.

Vorgelebt, wie man es nicht machen sollte

Vielleicht war Pla in einer Hinsicht hilfreich für diese Karrieren: Er hat vorgelebt, wie man es nicht machen sollte. Der Podcast erzählt haarsträubende Geschichten, wie die vom ersten Islandencanta-Festival. Die Bühnencrew droht kurz vor dem Auftritt des Hauptacts Joan Spencer Blues Explosion, die Arbeit niederzulegen. Daraufhin klappert eine junge Mitarbeiterin alle Kassen der Bierstände ab, um das Geld zusammenzutragen, fleht sogar ihren Vater an, das Geld auszulegen.

Am Ende ist es der Konzertveranstalter Barnaby Bowles, der mit Pla zusammenarbeitete und es spät am Abend schafft, per Telefon einen fünfstelligen Kredit zu bekommen. Das Festival kann weitergehen. Aber Bowles, der seine Firma erst wenige Jahre zuvor gegründet hat, ist deswegen jahrelang in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten. Toni Pla macht derweil unbekümmert weiter, hinterlässt überall verbrannte Erde.

Sein Vermächtnis lässt offene Fragen

Wie tief die Nachwirkungen bis heute sind, zeigt sich Mitte Juni 2023. Nach Veröffentlichung der fünften Folge, in der Toni Pla seine Version der Ereignisse zum Besten gibt, veranstaltet Joan Cabot eine kleine Präsentation mit anschließender Fragerunde im Buchladen Rata Corner auf Mallorca. Rund 50 Personen kommen zusammen. Die meisten von ihnen haben in ihrem Leben mit Toni Pla zu tun gehabt. Die Veranstaltung verwandelt sich in eine Art Gruppentherapie.

Niemand hier zweifelt daran, dass Pla großen Schaden angerichtet hat. Aber ebenso kann man ihm nicht absprechen, Dinge organisiert zu haben, die kein anderer hinbekommen hat. Bewunderung und Ärger. Lob und Verzweiflung. Ein Teilnehmer erklärt, Plas Handlungen hätten sich am Rande der Kriminalität bewegt. Wenige Minuten später sagt derselbe Mann: „Wenn Toni jetzt durch die Tür kommen würde, würde ich ihn zur Begrüßung umarmen.“

Am Ende ging es wohl um Anerkennung

Es bleibt die Frage: Warum? Denn persönlich bereichert hat sich Toni Pla nie. Das ganze Geld, dass er auf mal mehr, häufiger auf weniger ethischer Weise besorgte, gab er – darüber besteht weitgehende Einigkeit – nie für sich selbst aus. Am Ende des Podcasts fragt Joan Cabot Pla, den er außerhalb Mallorcas aufgestöbert hat, ob sich das Ganze gelohnt hat. Pla antwortet, dass es sich für die vielen Zuschauer, die zu den Konzerten kamen, gelohnt habe. Am Ende, so scheint es, ging es ihm wohl um Anerkennung.

„Campeón“, Katalanisch, überall, wo es Podcasts gibt und unter ib3.org/campeon

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