Die spanische Regierung rudert in Sachen Küstenschutz zurück - und das noch bevor sich das EU-Parlament mit dem Thema auseinandersetzt. Erst wurde Umweltministerin Cristina Narbona mit dem Amtsantritt der zweiten Regierung Zapatero auf die Straße gesetzt und ihr Ressort dem Landwirtschaftsministerium zugeschasst, nun handelt ihre Nachfolgerin Elena Espinosa. Ein Gesetzestrick soll jetzt doch den Verkauf von Grundstücken und Immobilien in unmittelbarer Strand­nähe ermöglichen.

Der nächste Schritt dürfte sein, den Regionen die Entscheidungshoheit darüber einzuräumen, was nun auf dem geschützten Streifen (dominio público marítimo terrestre) stehen bleiben darf und was nicht. Das birgt einmal die Chance, offensichtliche Willkür zu verhindern: ein jetzt von "El País" durchexerziertes Beispiel dafür ist ein pittoreskes galicisches Fischer­dörfchen, dessen Häuser vor über 100 Jahren am Strand gebaut wurden - und nun in Anwendung des Küstenschutzgesetzes erst in öffentlichen Besitz übergehen und dann abgerissen werden müssten.

Gleichzeitig sind aber auch die Gefahren einer solchen Kompetenzverschiebung offensichtlich: Angesichts der auf lokaler und regionaler Ebene engen Interessenverflechtungen von Politik, Bau- und Immobilienwirtschaft dürfte in den allermeisten Fällen auf Privat­eigentum und Erhalt der Bausubstanz entschieden werden. Das wäre zwar für alle betroffenen Eigentümer eine gute Nachricht, nicht aber für die Allgemeinheit. Denn die Hotelburg im andalusischen Naturschutzgebiet, die Reihenhäuschen bzw. Kaninchenställe an der valencianischen Mittelmeerküste und auch die eine oder andere mallorquinische Bausünde sind keine pittoresken Fischer­dörfchen, sondern Verbrechen an der Umwelt. Sie müssten zurückgebaut werden.

Madrid aber schreckt vor seiner eigenen Courage zurück und kann wohl auch angesichts der Dimensionen dieser Herausforderung - es geht hier um 7.800 Kilometer Küste und Zehntausende von betroffenen Eigentümern - gar nicht anders.