Es wurden in letzter Zeit viele Parallelen gezogen zwischen der von der Pandemie verursachten Wirtschaftskrise und der Rezession nach der Finanzkrise 2008. Klar ist bereits, dass die politisch Verantwortlichen diesmal eine völlig andere Antwort auf das Problem gewählt haben, in Spanien wie in ganz Europa. Statt massiver Ausgabenkürzungen, meist von der im Süden verhassten Troika diktiert, schöpfen die Staaten diesmal aus dem Vollen, um die Konjunktur in Schwung zu bringen.

Die spanische Koalitionsregierung aus Sozialisten (PSOE) und dem Linksbündnis Unidas Podemos reichte am Mittwoch (13.10.) den Haushaltsplan für 2022 im Parlament ein, der den Untertitel „für eine sozial gerechte Wirtschaftserholung“ trägt. Anders als vor zehn Jahren soll diesmal niemand auf der Strecke bleiben. Der Haushalt sieht daher die höchsten Ausgaben aller Zeiten vor, ganze 196 Milliarden Euro. Der Löwenanteil entfällt auf die Sozialausgaben, doch es wird auch reichlich in Technologie, Umwelt und Energiewende investiert. Dazu hat Finanzministerin María Jesús Montero schon 27 Milliarden Euro eingeplant, die Spanien als erste Zahlung aus dem europäischen Aufbaufonds erhalten hat.

Das Ziel ist es, die Wirtschaft zu modernisieren und wettbewerbsfähiger zu machen. „Es geht nicht darum, wieder dort hinzukommen, wo wir vorher standen“, sagte Premier Pedro Sánchez Ende vergangener Woche, nachdem eine außergewöhnliche Kabinettssitzung den Entwurf verabschiedet hatte.

Der Plan sieht 6,8 Milliarden Euro für Gebäudesanierung und andere Maßnahmen zum Energiesparen vor. So können Wohnungseigentümer bis zu 40 Prozent der Kosten für Wärmeisolierung und ähnliche Initiativen erstattet bekommen, Hausgemeinschaften sogar bis 80 Prozent.

Die Regierung beschloss eine Erhöhung der Gehälter der Angestellten im öffentlichen Dienst von zwei Prozent, was den Gewerkschaften angesichts der derzeit massiv steigenden Preise zu wenig erschien. Die Pensionen werden gemäß dem kürzlich beschlossenen ersten Schritt zur Reform des Rentensystems an die Inflationsrate angepasst.

Ein besonderer Schwerpunkt der Ausgabenpläne liegt auf jungen Menschen, wie die Regierung eifrig betonte. Für Projekte dieser Zielgruppe werden mehr als zwölf Milliarden Euro bereitgestellt. Davon fließen 2,2 Milliarden Euro in Stipendien. Personen, die 2022 das 18. Lebensjahr vollenden, bekommen einen Gutschein über 400 Euro für Ausgaben im Kulturbereich. Spanien orientiert sich dabei an ähnlichen Initiativen in Frankreich und Italien. Die konservative Opposition und rechte Medien zeigten sich jedoch empört darüber, dass der Besuch von Stierkämpfen nicht in dem Paket enthalten ist.

Wichtiger noch ist ein neuer Zuschuss von 250 Euro pro Monat zu den Mietkosten für Menschen von 18 bis 35 Jahre, die ein Bruttoeinkommen von maximal 23.725 Euro im Jahr haben. Damit reagiert Madrid auf eines der gegenwärtig größten Probleme des Landes. Denn in den spanischen Städten und einigen Mittelmeerregionen sind Mietwohnungen zu einem halbwegs vernünftigen Preis selbst für Normalverdiener fast außer Reichweite.

Damit ist es aber noch nicht getan. Lange hatten die Sozialisten von Sánchez und Montero mit dem linken Koalitionspartner über ein neues Gesetz zur Regulierung der Mieten gerungen. Durchsetzen konnte sich am Ende Unidas Podemos unter Führung der Arbeitsministerin Yolanda Díaz, einer von drei stellvertretenden Ministerpräsidentinnen. Das Gesetz sieht vor, dass Eigentümer von zehn oder mehr Immobilien die Mieten in besonders betroffenen Gebieten an einen Preisspiegel anpassen müssen. Diese beiden Kriterien werden von den Autonomen Regionen festgelegt. Da liegt die Krux. Der spanische Arbeitgeberverband CEOE nannte das Wohnungsgesetz einen „Angriff auf das Privateigentum“, ebenso die konservative Volkspartei (PP). Sie kündigte umgehend an, dass sie die Mietpreisbremse in den von ihr regierten Regionen und Gemeinden, darunter Madrid, nicht anwenden werde. Außerdem wollen die Konserva- tiven das Gesetz vor dem Verfassungsgericht anfechten.

Eigentümer von weniger als zehn Immobilien sollen durch Steueranreize dazu bewogen werden, die Mieten zu senken. PSOE und Unidas Podemos wissen natürlich auch, dass das Problem im Wesentlichen durch Schaffung von mehr Wohnraum zu lösen ist. Der soziale Wohnungsbau soll daher kräftig angeschoben werden. Bei Neubauprojekten müssen 30 Prozent für Sozialwohnungen reserviert sein, was auf heftige Proteste der Bau- und Immobilienbranche stieß. Die Immobilien in öffentlicher Hand sollen künftig zudem besser geschützt werden. Im Zuge der Finanzkrise hatten nämlich viele Gemeinden ihre Sozialwohnungen an Finanzinvestoren verkauft, was sich nun rächt. Spanien hat einen in Europa unterdurchschnittlichen Bestand an sozialem Wohnraum.

Auf der Einnahmeseite sticht die Einführung eines Mindeststeuersatzes von 15 Prozent für Großkonzerne heraus, so wie es auch auf internationaler Ebene angestrebt wird. Betroffen sind nach Angaben des Finanzministeriums rund tausend Unternehmen, es werden Mehreinnahmen von 400 Millionen Euro erwartet. Die geplante, große Reform des Steuersystems, mit höheren Sätzen für Besserverdienende, wurde erst einmal verschoben.

So weit die Pläne. Die Minderheitsregierung muss in den kommenden Tagen und Wochen jedoch noch die Unterstützung anderer Parteien im Parlament für den Haushalt aushandeln.