Verkehrte Welt: Während die bis vergangenes Jahr mit absoluter Mehrheit regierende Volkspartei zu einem beschaulichen Wahlkampfauftritt von Spanien-Premier Mariano Rajoy am Mittwoch nach Port de Sóller einlud, ließ es die Linkspartei Podemos in Palma krachen. Sie stemmt den einzigen Großevent des Wahlkampfs - eine Partei wohlgemerkt, die es erst seit gut zwei Jahren gibt.

Die zwei neuen Parteien Podemos und Ciudadanos sind schnell erwachsen geworden. Wo früher zwei traditionelle Volksparteien - Volkspartei und Sozialisten - den Wahlkampf praktisch unter sich ausmachten, treten nun vier Spitzenkandidaten auf Augenhöhe gegeneinander an. Niemand käme mehr auf die Idee, eine TV-Debatte nur mit den früheren Platzhirschen zu veranstalten. Die Kritik am ­sozialen Ungleichgewicht (Podemos) und an der maßlosen politischen Korruption (Ciudadanos) muss ernst genommen werden, die Wähler sind scharenweise zu den neuen Alternativen übergelaufen. Das politische System Spaniens hat die Verkrustung aufgesprengt und sich im Zeitraffertempo modernisiert.

Der schnelle Erfolg der neuen Parteien hat aber auch seine Schattenseiten. Ein Großteil ihres politischen Lebens bestand aus Wahlkampf. Ihr Erfolg basiert nicht auf Regierungsleistung, sondern deren Kritik. Die Wahlkampfmaschinerie von Podemos und Ciudadanos steht der von PP und PSOE in nichts mehr nach. Auch die Neuen arbeiten mit schmutzigen Tricks, etwa wenn den Hoteliers pauschal der Unfalltod von Arbeitern in die Schuhe geschoben wird, wie in Palma geschehen. Und angesichts der vielen Phrasen würde man schon mal gerne wissen, wie denn ein Podemos-Politiker mit dem Problem leerer Kassen umgeht. Deswegen ist es so wichtig, dass die neuen Parteien endlich Regierungsverantwortung übernehmen - sei es als Junior- oder Seniorpartner. Nichts wäre schlimmer als eine große Koalition der alten Volksparteien. Aber derart aus den Fugen geraten ist das Parteiensystem Spaniens dann doch nicht.