Das Walkie-Talkie, das jede Verkäuferin in dem Modegeschäft in Palma bei sich trägt, knackt und knistert, dann ist die Stimme der Geschäftsführerin zu hören: „Chicas, sólo hay alemanes hoy!" (Mädels, heute sind nur Deutsche unterwegs). Die Feststellung, dass die Deutschen an diesem Samstag gefühlte 90 Prozent der Kunden in der Innenstadt ausmachen, kommt in einem erstaunt-beglückten Ton aus dem Äther.

Dass die Urlauber in Scharen nach Palma strömen, bedeutet aber leider nicht, dass viele Touristen auf der Insel sind: Es liegt schlicht daran, dass sonst alles zu ist. Außer Wandern in der Natur, Fahrrad­fahren oder Shoppen in der Inselhauptstadt bieten sich nicht besonders viele Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung: In den wenigen Urlaubsorten, an denen eine überschaubare Zahl von Hotels geöffnet bleibt, sind die Rollläden von Andenken-Läden, Cafés oder Restaurants in der Mehrzahl fest verrammelt.

Ein deprimierender Anblick, berichtet Christine Kondziella, die als Reiseleiterin unter anderem Neckermann-Urlauber auf Tagesausflügen begleitet: „In Orten wie Portopetro ist in diesem Winter einfach gar nichts geöffnet. Die Leute können nicht einmal in die Schaufenster gucken, weil die Scheiben von innen mit Farbe bemalt oder verhängt sind." Auch in Port d´Andratx fänden sich um 10 Uhr, wenn die Urlauberbusse ankommen, gerade einmal zwei offene Cafés. „Die meisten gehen dann in den Supermarkt und verpflegen sich selbst", so die Reiseleiterin.

Die Zahlen bestätigen ihren Eindruck: Während im August 2013 die Zahl der geöffneten Betriebe bei 39.000 lag, waren es im Dezember weniger als 32.000. Auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich für ein Reiseziel mit derart großen Schwankungen zwischen Sommer und Winter. Doch der Blick auf 2007, das letzte Jahr vor der Krise, zeigt, wie schlimm die Entwicklung wirklich ist: Damals ging die Zahl der gemeldeten Firmen von 40.200 im August auf gerade einmal 38.160 im Dezember zurück.

Fast scheint es, als gäbe es auf der Insel nur noch zwei Extreme: Diejenigen, die im Sommer so gut verdienen, dass sie im Winter nichts riskieren müssen und deshalb schließen. Und diejenigen, bei denen der Sommer so schlecht lief, dass sie für den Winter keine Reserven mehr übrig haben - und deshalb ebenfalls schließen. Kein Wunder also, dass selbst langjährige Dauergäste überlegen, im kommenden Jahr wenn überhaupt erst deutlich später anzureisen. Für die Insel wäre das fatal - sie muss erst einmal den Negativrekord aus der zu Ende gehenden Nebensaison verdauen.

Denn so wenige Winter-Touristen wie zuletzt gab es schon lange nicht mehr. Kamen 2007 zwischen November und März 1,08 Millionen

ausländische Besucher nach Mallorca, waren es 2013 nur noch knapp 740.000. Die Insel hat in sechs Jahren also ein Drittel ihrer Urlauber verloren. Hinzu kommt der Rückgang im Inlandstourismus, hier kehrten im gleichen Zeitraum fast 300.000 spanische Urlauber der Insel den Rücken. Insgesamt verzeichnete Mallorca im vergangenen Winter also an die 750.000 Besucher weniger als noch vor sechs Jahren.

Das liegt natürlich auch an den fehlenden Flugverbindungen. Zwischen Oktober und März verringerte sich die Zahl der Flüge um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr, die Zahl der Sitzplätze um fast zehn Prozent. Das bemerkt auch die Zielgruppe, die zumindest Teile von Mallorca im Winter belebt: die Radfahrer. Das Profi-Team Sky, das sich im Norden der Insel mit seiner internationalen Mannschaft auf die Saison vorbereitete, hatte wegen der wenigen Verbindungen nicht nur logistische, sondern auch finanzielle Probleme. Nun überlegt man bereits, das Trainingslager künftig in Südfrankreich stattfinden zu lassen.

Und wer ist nun schuld am Niedergang der Nebensaison? Wie bereits seit Jahren zeigen die einen auf die anderen. Airlines verweisen auf geschlossene Hotels, Hotels auf zu wenige Flüge sowie geschlossene Restaurants und Läden, und die Ladenbesitzer auf zu wenige Besucher wegen geschlossener Hotels und fehlender Flüge.

Dass die wenigen Touristen, die noch kommen, zudem weniger Geld ausgeben - durchschnittlich 86 Euro pro Tag im Januar 2014, das sind zehn Prozent weniger als im Januar 2013-, ist ein weiteres Detail des desaströsen Winters.

Angesichts solcher Zahlen waren die Worte der Verantwortlichen der spanischen Tourismusbüros in München geradezu Balsam auf den Seelen der Tourismusunternehmer: Am Freitag (28.2.) verkündeten die Fachleute bei einer Tagung in Palma Prognosen für die Quellmärkte. Álvaro Blanco, zuständig für das Büro in der bayerischen Landeshauptstadt, bestätigte die schon seit dem Herbst beschworenen positiven Mallorca-Prognosen für die Sommersaison: Die Reisekasse der Deutschen sei genauso prall gefüllt wie im vergangenen Jahr, zudem sei die Zahl der Bundesbürger, die für dieses Jahr feste Reiseabsichten hegten, weiter auf 45 Prozent gestiegen. Auf handfeste Prognosen wollte sich Blanco jedoch nicht festlegen: Zwischen fünf und zehn Prozent mehr deutsche Urlauber könnten auf die Balearen reisen. Die Zahlen basieren auf den bis Ende Januar getätigten Abschlüssen in den Reisebüros. Es könnte ein neuer Rekord werden. Waren 2013 erstmals mehr als 4 Millionen deutsche Urlauber auf den Balearen, stiege die Zahl bei zehn Prozent mehr bis auf 4,4 Millionen.

Sollten sich die Prognosen bestätigen, könnte das auch an der Berichterstattung in den deutschen Medien liegen: Spanien sei in der vergangenen Zeit endlich wieder häufiger in der Presse vertreten gewesen, und dies mit so unterschiedlichen Themen wie Kultur, Gastronomie, Lifestyle, Architektur oder Mode, so Blanco.

Sorgen bereitet den Fachleuten hingegen die rückläufige Reisedauer der Deutschen: Die „schönsten Wochen" des Jahres hätten sich in den vergangenen Jahren eher zu den „schönsten Tagen" entwickelt. Während sich die Deutschen in den 80er Jahren noch 18,2 Tage Sommerurlaub gönnten, waren es 2013 noch durchschnittlich 12,1 Tage. Man müsse sich deshalb bemühen, wieder Lust auf einen längeren Urlaub zu machen, so Blanco.

Aufmerksam wird unterdessen die Konkurrenz verfolgt: Die Türkei versuche, sich mit günstigen Angeboten wieder einen Anteil des deutschen Marktes zurückzuerobern, auch Griechenland sei wieder im Kommen. Das Problem: Das Preis-Leistungs-Verhältnis in Spanien könnte wegen der Kampfpreise der ehemaligen Krisenregionen von den Urlaubern als schlecht wahrgenommen werden, warnt Blanco: „Die ersten sagen schon, dass Mallorca zu teuer ist."