Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Mit Honig und Orange: Ein Restaurant in Selva überzeugt mit jüdischer Küche und mehr

Gäste des Selvatge von Claudio Lemos können auf Mallorca sephardisch-orientalische Gerichte probieren

Geschäftspartner: Agromallorca-Besitzerin Isabel Vicens und Chefkoch Claudio Lemos. Bendgens

Wer durch das große Tor gegenüber der Kirche an der Plaza in Selva schreitet, gelangt in ein Paradies. So kann man den schön angelegten Garten mit seiner großen Terrasse, an die eine zweite Terrasse samt Pool und Pavillon angrenzt, wirklich bezeichnen. Dazu gehört ein dreistöckiges, mit Efeu bewachsenes altes Haus, in dem sich im Erdgeschoss eine große offene Küche und ein Separee befinden. Im ersten Geschoss folgt das eigentliche Restaurant sowie weitere Nebenräume für kleine Gruppen.

Das Selvatge genannte Lokal ist das Reich von Chefkoch Claudio Lemos, der in Selva bereits im Es Portal de Tramuntana verwöhnte. Sein Team und er (darunter die Deutsche Daniela Zötschke, die früher ihr eigenes Lokal Inimi in Santanyí betrieb) kann dabei auf die Unterstützung und die Waren seiner Geschäftspartnerin Isabel Vicens rechnen, der Besitzerin des wohl größten Gemüse produzierenden Unternehmens auf Mallorca, Agromallorca, das aber auch andere Produkte wie Lamm oder Honig liefert.

Stilvoll eingerichtet: der Innenraum des Restaurants im ersten Stock. Bendgens

Der Traum vom eigenen Restaurant

Vicens lebt in Selva und träumte schon lange von einem eigenen Restaurant. Als ihr das heruntergekommene Grundstück und Wohnhaus auffiel, entschloss sie sich trotz des absehbar langen und aufwendigen Umbaus zum Kauf. Ein Jahr lang dauerten die Arbeiten, heraus kam ein stilvoll designtes Schmuckstück, das den perfekten Rahmen bietet für Claudio Lemos’ Kreationen. „Hier gaben sich mehrere Inneneinrichter die Klinke in die Hand, erst der Dritte hat mich überzeugt”, sagt die anspruchsvolle Isabel Vicens.

Der 54-jährige Claudio Lemos kam in Uruguay zur Welt, hat dann aber seit seinem elften Lebensjahr lange in einem Kibbuz in Israel gelebt. Dort lernte er nicht nur das Kochen, sondern machte sich auch vertraut mit der Vielfalt der jüdischen Küche. Später vervollständigte Lemos sein Kochwissen durch seine Arbeit bei verschiedenen baskischen Meisterköchen. Insofern ist die Küche des Selvatge geprägt durch verschiedene Stile wobei die sephardisch-orientalischen Gerichte am interessantesten, weil auf der Insel ziemlich einzigartig sind. Die Sepharden waren jene Juden, die Ende des 15. Jahrhunderts aus Spanien und Portugal vertrieben wurden und sich dann vorrangig im Osmanischen Reich sowie in Nordwestafrika niederließen.

Die Mischung macht's

Zu den Produkten, die in der sephardischen Küche eine wichtige Rolle spielen – und sich somit auch in den Gerichten von Lemos wiederfinden – gehören etwa Auberginen und Honig. Ebenso kennzeichnend ist die Mischung verschiedener Geschmacksrichtungen: Herzhaftes oder Bitteres wird gerne mit Süßem kombiniert. Wie im Übrigen auch in einigen mallorquinischen Spezialitäten – „das basiert wahrscheinlich auf jüdischen Einflüssen“, meint Lemos.

Lammfleisch mit Kartoffelpüree. Bendgens

Ein gutes Beispiel dafür ist ein Auberginen-Gericht, das zu den Favoriten der Gäste des Selvatge gehört. „Es stammt ursprünglich von Juden, die in Sevilla, Toledo oder Córdoba lebten“, erzählt Lemos. Dafür mariniert er mindestens einen Tag lang Auberginen-Würfel mit selbst gemischtem Ras-el-Hanout-Gewürz („darin sind Zimt, Kreuzkümmel, Nelke, die arabische Würzmischung Za’atar mit Thymian als Basis sowie einige geheim bleibende Zutaten“). Zu den Auberginenwürfeln gibt Lemos dann Olivenöl, mit Zitronensaft mariniertes Gemüse, Knoblauch, Petersilie, etwas Joghurt und mit Johannisbrothonig und Tahina (Paste aus geröstetem Sesam) marinierte Lachsstücke. Ein weiteres Highlight sind die kleinen Honigwabenstücke, die das Gericht gemeinsam mit Fenchelkraut und essbaren Blüten krönen. Auch die Schale, in der das Gericht serviert wird, ist etwas Besonderes: Porzellan in Auberginenoptik.

Land und Meer kombiniert

Ein anderes Gericht kombiniert Land und Meer: Hauchdünne Sa-Pobla-Kartoffelscheiben werden in Blätterteig-Manier aufeinandergeschichtet und gebacken, darauf kommen dünne Streifen vom Kalmar, beträufelt mit seiner Tinte, Knoblauch, Olivenöl, Chili, Petersilie und eingelegten Galgant-Stücken. Auch hier begeistert zusätzlich das passende Porzellan in Kalmar-Optik.

Salat mit Möhren, Rettich, Radieschen und Entenbrust. Bendgens

Und schließlich das unvergleichliche Lamm, 18 Stunden lang bei 60 Grad im Ofen zart geschmort, wunderbar mit Honig und Orangensaft gewürzt. „Diese lange Kochzeit führt zu einem superzarten Fleisch, basiert aber letztlich auch auf jüdischen Regeln, die ein Einschalten von Geräten oder Starten eines Feuers am Samstag, dem Schabbat, verbieten. Deshalb hat man das Lamm bereits am Freitag angesetzt und lange köcheln lassen. Damit umging man das Gesetz“, sagt Lemos.

Auch das Dessert sollte man sich nicht entgehen lassen: Mit Apfelmus und Zitronenabrieb gefüllte Blätterteigtaschen, darauf eine Kugel Joghurteis und Honigpollen. „Dies ist eine Hommage an meine Tante Elsa, bei der ich im Kibbuz aufwuchs. Ein sehr sentimentales Gericht“, meint Claudio Lemos.

Karte wird kleiner

Auf der Karte, die zukünftig kleiner wird, weil mehrheitlich tagesaktuelle Vorschläge unterbreitet werden sollen, macht Claudio Lemos keinen Unterschied zwischen Vor- und Hauptspeisen, und auch die Stile mischt er unbekümmert. „Ich habe verschiedene Wurzeln, hab in verschiedenen Ländern Kochen gelernt – all das kennzeichnet meine spanisch-baskische, lateinamerikanische sowie israelisch-orientalische Küche. Alle meine Gerichte kann und sollte man miteinander teilen und genießen – und dieses ‚friedliche Miteinander‘ soll auch ein wenig kennzeichnend sein für das Lokal.“ (Gerichte: 16–28 Euro, Desserts: 8,50 Euro).

Gelungene Fusion: Selvatge, geöffnet Do.–So. 13–16 Uhr, 19–22.30 Uhr (ab Ostern auch Mi.), Plaça Major, 4, Selva. Tel.: 971-39 71 82, selvatge.com

Artikel teilen

stats